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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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Nachdem Hamernik es beklagt, dass unser Wissen über
Aetiologie so mangelhaft sei, sagt er Seite 247 Folgendes:
"Soll irgend eine sogenannte Veranlassung als Ursache einer
vorhandenen Krankheit betrachtet werden können, so müssen
jedesmal die folgenden Fragen bejahend beantwortet werden:
Hat diese Veranlassung immer dieselben Folgen? kann man auf
dem Wege des Versuches die genannte Krankheit auf diese
Weise jedesmal hervorrufen? können in denjenigen Fällen,
wo auf diese Veranlassung die genannte Krankheit nicht her-
vorgerufen wird, die jedesmaligen Ursachen des misslungenen
Versuches angegeben werden?"

Wollen wir nun sehen, ob unsere Aetiologie des Kind-
bettfiebers den Anforderungen Hamernik's entspricht. Die
erste Forderung ist unbegründet, der Leser weiss, dass wir
Kaninchen zersetzte Stoffe eingespritzt, und dass einige in
Folge dessen an Pyaemie zu Grunde gegangen sind, und
einige nicht.

War der zersetzte Stoff nicht die Ursache der Pyaemie
bei den zu Grunde gegangenen Kaninchen, weil er nicht bei
allen Kaninchen Pyaemie hervorgerufen hat?

Die zweite Forderung haben wir erfüllt, wir haben auf
dem Wege des Experimentes bei Kaninchen das Puerperal-
fieber hervorgebracht.

Die dritte Forderung haben wir nicht erfüllt, denn wir
können nicht die Ursachen angeben, warum bei einigen Ka-
ninchen keine Pyaemie eingetreten ist, dafür haben wir aber
eine Forderung erfüllt, welche Hamernik gar nicht gestellt,
welche aber meine Aetiologie des Kindbettfiebers zur be-
glückenden, ewig wahren Aetiologie macht, nämlich wir ha-
ben durch Unschädlichmachung der von uns beschuldigten
Veranlassung diese Krankheit vermindert. Und obwohl unsere
Aetiologie mehr geleistet, als Hamernik von einer Aetiologie
fordert, um selbe für wahr halten zu können, sagt er den-
noch Seite 265 Folgendes: "Die Angabe, dass das Wochen-
bettfieber durch Uebertragung von Leichentheilen auf Wöch-

Nachdem Hamernik es beklagt, dass unser Wissen über
Aetiologie so mangelhaft sei, sagt er Seite 247 Folgendes:
»Soll irgend eine sogenannte Veranlassung als Ursache einer
vorhandenen Krankheit betrachtet werden können, so müssen
jedesmal die folgenden Fragen bejahend beantwortet werden:
Hat diese Veranlassung immer dieselben Folgen? kann man auf
dem Wege des Versuches die genannte Krankheit auf diese
Weise jedesmal hervorrufen? können in denjenigen Fällen,
wo auf diese Veranlassung die genannte Krankheit nicht her-
vorgerufen wird, die jedesmaligen Ursachen des misslungenen
Versuches angegeben werden?«

Wollen wir nun sehen, ob unsere Aetiologie des Kind-
bettfiebers den Anforderungen Hamernik’s entspricht. Die
erste Forderung ist unbegründet, der Leser weiss, dass wir
Kaninchen zersetzte Stoffe eingespritzt, und dass einige in
Folge dessen an Pyaemie zu Grunde gegangen sind, und
einige nicht.

War der zersetzte Stoff nicht die Ursache der Pyaemie
bei den zu Grunde gegangenen Kaninchen, weil er nicht bei
allen Kaninchen Pyaemie hervorgerufen hat?

Die zweite Forderung haben wir erfüllt, wir haben auf
dem Wege des Experimentes bei Kaninchen das Puerperal-
fieber hervorgebracht.

Die dritte Forderung haben wir nicht erfüllt, denn wir
können nicht die Ursachen angeben, warum bei einigen Ka-
ninchen keine Pyaemie eingetreten ist, dafür haben wir aber
eine Forderung erfüllt, welche Hamernik gar nicht gestellt,
welche aber meine Aetiologie des Kindbettfiebers zur be-
glückenden, ewig wahren Aetiologie macht, nämlich wir ha-
ben durch Unschädlichmachung der von uns beschuldigten
Veranlassung diese Krankheit vermindert. Und obwohl unsere
Aetiologie mehr geleistet, als Hamernik von einer Aetiologie
fordert, um selbe für wahr halten zu können, sagt er den-
noch Seite 265 Folgendes: »Die Angabe, dass das Wochen-
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[418/0430] Nachdem Hamernik es beklagt, dass unser Wissen über Aetiologie so mangelhaft sei, sagt er Seite 247 Folgendes: »Soll irgend eine sogenannte Veranlassung als Ursache einer vorhandenen Krankheit betrachtet werden können, so müssen jedesmal die folgenden Fragen bejahend beantwortet werden: Hat diese Veranlassung immer dieselben Folgen? kann man auf dem Wege des Versuches die genannte Krankheit auf diese Weise jedesmal hervorrufen? können in denjenigen Fällen, wo auf diese Veranlassung die genannte Krankheit nicht her- vorgerufen wird, die jedesmaligen Ursachen des misslungenen Versuches angegeben werden?« Wollen wir nun sehen, ob unsere Aetiologie des Kind- bettfiebers den Anforderungen Hamernik’s entspricht. Die erste Forderung ist unbegründet, der Leser weiss, dass wir Kaninchen zersetzte Stoffe eingespritzt, und dass einige in Folge dessen an Pyaemie zu Grunde gegangen sind, und einige nicht. War der zersetzte Stoff nicht die Ursache der Pyaemie bei den zu Grunde gegangenen Kaninchen, weil er nicht bei allen Kaninchen Pyaemie hervorgerufen hat? Die zweite Forderung haben wir erfüllt, wir haben auf dem Wege des Experimentes bei Kaninchen das Puerperal- fieber hervorgebracht. Die dritte Forderung haben wir nicht erfüllt, denn wir können nicht die Ursachen angeben, warum bei einigen Ka- ninchen keine Pyaemie eingetreten ist, dafür haben wir aber eine Forderung erfüllt, welche Hamernik gar nicht gestellt, welche aber meine Aetiologie des Kindbettfiebers zur be- glückenden, ewig wahren Aetiologie macht, nämlich wir ha- ben durch Unschädlichmachung der von uns beschuldigten Veranlassung diese Krankheit vermindert. Und obwohl unsere Aetiologie mehr geleistet, als Hamernik von einer Aetiologie fordert, um selbe für wahr halten zu können, sagt er den- noch Seite 265 Folgendes: »Die Angabe, dass das Wochen- bettfieber durch Uebertragung von Leichentheilen auf Wöch-

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/430>, abgerufen am 11.05.2024.