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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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rungsobjecte zur Disposition standen, und da ausserhalb der
Gebärhäuser nie Gelegenheit ist, sich so regelmässig die
Hände mit zersetzten Stoffen zu verunreinigen, und wenn die
Hand ausserhalb der Gebärhäuser mit zersetzten Stoffen ver-
unreiniget wird, so hat doch diese Hand ausserhalb des Ge-
bärhauses keine Gelegenheit, nacheinander 10 bis 30 Individuen
zu untersuchen, und wenn nun der Leser vom Wiener Gebär-
hause einen Schluss auf die übrigen Gebärhäuser, in welchen
ähnliche Verhältnisse herrschen, macht, so hat der Leser die
Ursache des so unverhältnissmässig häufigen und bösartigen
Auftretens des Puerperalfiebers in Gebäranstalten.

Scanzoni glaubt, die Ursache des so unverhältnissmässig
häufigen und bösartigen Auftretens des Puerperalfiebers in
Gebäranstalten sei im Puerperalmiasma begründet. Wir haben
an der betreffenden Stelle dieser Schrift erklärt, dass aller-
dings ein zersetzter Stoff in der atmosphärischen Luft des
Wochenzimmers schweben kann, und dass dadurch das Puer-
peralfieber entstehen könne, wenn die so verunreinigte Luft
in die Gebärmutterhöhle eindringt, haben aber zugleich be-
hauptet, dass es ein Puerperalmiasma in dem Sinne, wie es
bisher genommen wurde, nicht existire, und haben als über-
zeugenden Beweis den Erfolg der Chlorwaschungen angeführt,
denn Chlorwaschungen der Hände im Kreissezimmer geübt,
hätten erfolglos bleiben müssen, wenn das Puerperalfieber durch
ein Miasma bedingt gewesen wäre, welches sich in dem Wo-
chenzimmer entwickelt. Wir haben sehr zahlreiche Tabellen
construirt, um zu beweisen, dass die Ueberfüllung eines Ge-
bärhauses nicht im ursächlichen Zusammenhange stehe mit
den sich in demselben Gebärhause ereigneten Todesfällen, und
glauben mit Recht, dass dieselben Tabellen zugleich beweisen,
dass die Ansicht falsch ist, welche glaubt, dass sich ein Puer-
peralmiasma beim Vorhandensein einer gewissen Anzahl von
Wöchnerinnen entwickeln müsse. Und um nicht Wasser in
die Donau zu tragen, wollen wir nur auf das eine Factum hin-
deuten, dass die fünf ungünstigen Monate innerhalb 97 Mo-

rungsobjecte zur Disposition standen, und da ausserhalb der
Gebärhäuser nie Gelegenheit ist, sich so regelmässig die
Hände mit zersetzten Stoffen zu verunreinigen, und wenn die
Hand ausserhalb der Gebärhäuser mit zersetzten Stoffen ver-
unreiniget wird, so hat doch diese Hand ausserhalb des Ge-
bärhauses keine Gelegenheit, nacheinander 10 bis 30 Individuen
zu untersuchen, und wenn nun der Leser vom Wiener Gebär-
hause einen Schluss auf die übrigen Gebärhäuser, in welchen
ähnliche Verhältnisse herrschen, macht, so hat der Leser die
Ursache des so unverhältnissmässig häufigen und bösartigen
Auftretens des Puerperalfiebers in Gebäranstalten.

Scanzoni glaubt, die Ursache des so unverhältnissmässig
häufigen und bösartigen Auftretens des Puerperalfiebers in
Gebäranstalten sei im Puerperalmiasma begründet. Wir haben
an der betreffenden Stelle dieser Schrift erklärt, dass aller-
dings ein zersetzter Stoff in der atmosphärischen Luft des
Wochenzimmers schweben kann, und dass dadurch das Puer-
peralfieber entstehen könne, wenn die so verunreinigte Luft
in die Gebärmutterhöhle eindringt, haben aber zugleich be-
hauptet, dass es ein Puerperalmiasma in dem Sinne, wie es
bisher genommen wurde, nicht existire, und haben als über-
zeugenden Beweis den Erfolg der Chlorwaschungen angeführt,
denn Chlorwaschungen der Hände im Kreissezimmer geübt,
hätten erfolglos bleiben müssen, wenn das Puerperalfieber durch
ein Miasma bedingt gewesen wäre, welches sich in dem Wo-
chenzimmer entwickelt. Wir haben sehr zahlreiche Tabellen
construirt, um zu beweisen, dass die Ueberfüllung eines Ge-
bärhauses nicht im ursächlichen Zusammenhange stehe mit
den sich in demselben Gebärhause ereigneten Todesfällen, und
glauben mit Recht, dass dieselben Tabellen zugleich beweisen,
dass die Ansicht falsch ist, welche glaubt, dass sich ein Puer-
peralmiasma beim Vorhandensein einer gewissen Anzahl von
Wöchnerinnen entwickeln müsse. Und um nicht Wasser in
die Donau zu tragen, wollen wir nur auf das eine Factum hin-
deuten, dass die fünf ungünstigen Monate innerhalb 97 Mo-

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[390/0402] rungsobjecte zur Disposition standen, und da ausserhalb der Gebärhäuser nie Gelegenheit ist, sich so regelmässig die Hände mit zersetzten Stoffen zu verunreinigen, und wenn die Hand ausserhalb der Gebärhäuser mit zersetzten Stoffen ver- unreiniget wird, so hat doch diese Hand ausserhalb des Ge- bärhauses keine Gelegenheit, nacheinander 10 bis 30 Individuen zu untersuchen, und wenn nun der Leser vom Wiener Gebär- hause einen Schluss auf die übrigen Gebärhäuser, in welchen ähnliche Verhältnisse herrschen, macht, so hat der Leser die Ursache des so unverhältnissmässig häufigen und bösartigen Auftretens des Puerperalfiebers in Gebäranstalten. Scanzoni glaubt, die Ursache des so unverhältnissmässig häufigen und bösartigen Auftretens des Puerperalfiebers in Gebäranstalten sei im Puerperalmiasma begründet. Wir haben an der betreffenden Stelle dieser Schrift erklärt, dass aller- dings ein zersetzter Stoff in der atmosphärischen Luft des Wochenzimmers schweben kann, und dass dadurch das Puer- peralfieber entstehen könne, wenn die so verunreinigte Luft in die Gebärmutterhöhle eindringt, haben aber zugleich be- hauptet, dass es ein Puerperalmiasma in dem Sinne, wie es bisher genommen wurde, nicht existire, und haben als über- zeugenden Beweis den Erfolg der Chlorwaschungen angeführt, denn Chlorwaschungen der Hände im Kreissezimmer geübt, hätten erfolglos bleiben müssen, wenn das Puerperalfieber durch ein Miasma bedingt gewesen wäre, welches sich in dem Wo- chenzimmer entwickelt. Wir haben sehr zahlreiche Tabellen construirt, um zu beweisen, dass die Ueberfüllung eines Ge- bärhauses nicht im ursächlichen Zusammenhange stehe mit den sich in demselben Gebärhause ereigneten Todesfällen, und glauben mit Recht, dass dieselben Tabellen zugleich beweisen, dass die Ansicht falsch ist, welche glaubt, dass sich ein Puer- peralmiasma beim Vorhandensein einer gewissen Anzahl von Wöchnerinnen entwickeln müsse. Und um nicht Wasser in die Donau zu tragen, wollen wir nur auf das eine Factum hin- deuten, dass die fünf ungünstigen Monate innerhalb 97 Mo-

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/402>, abgerufen am 11.05.2024.