der beiden Kliniken, und zwar zu Ungunsten der Klinik für Aerzte nicht in die Erscheinung treten konnte.
Wer wagt es zu läugnen, dass dieselben Ursachen in Wien, in Strassburg und Prag nicht dieselben Folgen hat- ten in Prag, welche Folgen selbe in Wien und Strassburg hatten?
In der Aufzählung der aetiologischen Momente des Kind- bettfiebers fortfahrend sagt Scanzoni: "Von vielen Seiten wer- den Diätfehler, wie z. B. Erkältungen, der Genuss schwer- verdaulicher Speisen, erhitzender Getränke u. s. w., als her- vorragende Ursachen der puerperalen Erkrankungen angese- hen. Wir wollen die Möglichkeit einer derartigen Entstehungs- weise des Puerperalfiebers keineswegs in Abrede stellen; doch ist der Einfluss der genannten Schädlichkeiten gewiss nur ein untergeordneter."
Wir läugnen auch die Möglichkeit, dass Puerperalfieber in Folge dieser Schädlichkeiten entstehen könne, weil durch diese Schädlichkeiten den Individuen weder ein zersetzter Stoff von aussen eingebracht wird, noch entsteht in Folge dieser Schädlichkeiten ein zersetzter Stoff in den Individuen.
Schliesslich, sagt Scanzoni, "wollen wir noch die Ansichten beleuchten, welche über die Ursache des so unverhältnissmäs- sig häufigen und bösartigen Auftretens der Puerperalfieber in Gebäranstalten herrschen."
Bevor wir jedoch zu diesen Ansichten übergehen, dürfte es zweckmässig sein, hier meine Ansicht über diesen Gegen- stand auszusprechen, und zu diesem Zwecke bitte ich den Le- ser, sich recht deutlich zu vergegenwärtigen, was im Wiener Gebärhause vor Einführung der Chlorwaschungen geschah; dort befanden sich 42 Schüler, welche sich vermöge des Sy- stems, nachdem sie zu Aerzten erzogen wurden, die Hände sehr häufig mit zersetzten Stoffen verunreinigen mussten, und weil sie von Niemanden gewarnt wurden, so untersuchten sie auch mit von zersetzten Stoffen riechenden Händen die 10 bis 30 Individuen, welche ihnen täglich im Gebärhause als Beleh-
der beiden Kliniken, und zwar zu Ungunsten der Klinik für Aerzte nicht in die Erscheinung treten konnte.
Wer wagt es zu läugnen, dass dieselben Ursachen in Wien, in Strassburg und Prag nicht dieselben Folgen hat- ten in Prag, welche Folgen selbe in Wien und Strassburg hatten?
In der Aufzählung der aetiologischen Momente des Kind- bettfiebers fortfahrend sagt Scanzoni: „Von vielen Seiten wer- den Diätfehler, wie z. B. Erkältungen, der Genuss schwer- verdaulicher Speisen, erhitzender Getränke u. s. w., als her- vorragende Ursachen der puerperalen Erkrankungen angese- hen. Wir wollen die Möglichkeit einer derartigen Entstehungs- weise des Puerperalfiebers keineswegs in Abrede stellen; doch ist der Einfluss der genannten Schädlichkeiten gewiss nur ein untergeordneter.“
Wir läugnen auch die Möglichkeit, dass Puerperalfieber in Folge dieser Schädlichkeiten entstehen könne, weil durch diese Schädlichkeiten den Individuen weder ein zersetzter Stoff von aussen eingebracht wird, noch entsteht in Folge dieser Schädlichkeiten ein zersetzter Stoff in den Individuen.
Schliesslich, sagt Scanzoni, »wollen wir noch die Ansichten beleuchten, welche über die Ursache des so unverhältnissmäs- sig häufigen und bösartigen Auftretens der Puerperalfieber in Gebäranstalten herrschen.«
Bevor wir jedoch zu diesen Ansichten übergehen, dürfte es zweckmässig sein, hier meine Ansicht über diesen Gegen- stand auszusprechen, und zu diesem Zwecke bitte ich den Le- ser, sich recht deutlich zu vergegenwärtigen, was im Wiener Gebärhause vor Einführung der Chlorwaschungen geschah; dort befanden sich 42 Schüler, welche sich vermöge des Sy- stems, nachdem sie zu Aerzten erzogen wurden, die Hände sehr häufig mit zersetzten Stoffen verunreinigen mussten, und weil sie von Niemanden gewarnt wurden, so untersuchten sie auch mit von zersetzten Stoffen riechenden Händen die 10 bis 30 Individuen, welche ihnen täglich im Gebärhause als Beleh-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0401"n="389"/>
der beiden Kliniken, und zwar zu Ungunsten der Klinik für<lb/>
Aerzte nicht in die Erscheinung treten konnte.</p><lb/><p>Wer wagt es zu läugnen, dass dieselben Ursachen in<lb/>
Wien, in Strassburg und Prag nicht dieselben Folgen hat-<lb/>
ten in Prag, welche Folgen selbe in Wien und Strassburg<lb/>
hatten?</p><lb/><p>In der Aufzählung der aetiologischen Momente des Kind-<lb/>
bettfiebers fortfahrend sagt Scanzoni: „Von vielen Seiten wer-<lb/>
den Diätfehler, wie z. B. Erkältungen, der Genuss schwer-<lb/>
verdaulicher Speisen, erhitzender Getränke u. s. w., als her-<lb/>
vorragende Ursachen der puerperalen Erkrankungen angese-<lb/>
hen. Wir wollen die Möglichkeit einer derartigen Entstehungs-<lb/>
weise des Puerperalfiebers keineswegs in Abrede stellen; doch<lb/>
ist der Einfluss der genannten Schädlichkeiten gewiss nur ein<lb/>
untergeordneter.“</p><lb/><p>Wir läugnen auch die Möglichkeit, dass Puerperalfieber<lb/>
in Folge dieser Schädlichkeiten entstehen könne, weil durch<lb/>
diese Schädlichkeiten den Individuen weder ein zersetzter Stoff<lb/>
von aussen eingebracht wird, noch entsteht in Folge dieser<lb/>
Schädlichkeiten ein zersetzter Stoff in den Individuen.</p><lb/><p>Schliesslich, sagt Scanzoni, »wollen wir noch die Ansichten<lb/>
beleuchten, welche über die Ursache des so unverhältnissmäs-<lb/>
sig häufigen und bösartigen Auftretens der Puerperalfieber in<lb/>
Gebäranstalten herrschen.«</p><lb/><p>Bevor wir jedoch zu diesen Ansichten übergehen, dürfte<lb/>
es zweckmässig sein, hier meine Ansicht über diesen Gegen-<lb/>
stand auszusprechen, und zu diesem Zwecke bitte ich den Le-<lb/>
ser, sich recht deutlich zu vergegenwärtigen, was im Wiener<lb/>
Gebärhause vor Einführung der Chlorwaschungen geschah;<lb/>
dort befanden sich 42 Schüler, welche sich vermöge des Sy-<lb/>
stems, nachdem sie zu Aerzten erzogen wurden, die Hände<lb/>
sehr häufig mit zersetzten Stoffen verunreinigen mussten, und<lb/>
weil sie von Niemanden gewarnt wurden, so untersuchten sie<lb/>
auch mit von zersetzten Stoffen riechenden Händen die 10 bis<lb/>
30 Individuen, welche ihnen täglich im Gebärhause als Beleh-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[389/0401]
der beiden Kliniken, und zwar zu Ungunsten der Klinik für
Aerzte nicht in die Erscheinung treten konnte.
Wer wagt es zu läugnen, dass dieselben Ursachen in
Wien, in Strassburg und Prag nicht dieselben Folgen hat-
ten in Prag, welche Folgen selbe in Wien und Strassburg
hatten?
In der Aufzählung der aetiologischen Momente des Kind-
bettfiebers fortfahrend sagt Scanzoni: „Von vielen Seiten wer-
den Diätfehler, wie z. B. Erkältungen, der Genuss schwer-
verdaulicher Speisen, erhitzender Getränke u. s. w., als her-
vorragende Ursachen der puerperalen Erkrankungen angese-
hen. Wir wollen die Möglichkeit einer derartigen Entstehungs-
weise des Puerperalfiebers keineswegs in Abrede stellen; doch
ist der Einfluss der genannten Schädlichkeiten gewiss nur ein
untergeordneter.“
Wir läugnen auch die Möglichkeit, dass Puerperalfieber
in Folge dieser Schädlichkeiten entstehen könne, weil durch
diese Schädlichkeiten den Individuen weder ein zersetzter Stoff
von aussen eingebracht wird, noch entsteht in Folge dieser
Schädlichkeiten ein zersetzter Stoff in den Individuen.
Schliesslich, sagt Scanzoni, »wollen wir noch die Ansichten
beleuchten, welche über die Ursache des so unverhältnissmäs-
sig häufigen und bösartigen Auftretens der Puerperalfieber in
Gebäranstalten herrschen.«
Bevor wir jedoch zu diesen Ansichten übergehen, dürfte
es zweckmässig sein, hier meine Ansicht über diesen Gegen-
stand auszusprechen, und zu diesem Zwecke bitte ich den Le-
ser, sich recht deutlich zu vergegenwärtigen, was im Wiener
Gebärhause vor Einführung der Chlorwaschungen geschah;
dort befanden sich 42 Schüler, welche sich vermöge des Sy-
stems, nachdem sie zu Aerzten erzogen wurden, die Hände
sehr häufig mit zersetzten Stoffen verunreinigen mussten, und
weil sie von Niemanden gewarnt wurden, so untersuchten sie
auch mit von zersetzten Stoffen riechenden Händen die 10 bis
30 Individuen, welche ihnen täglich im Gebärhause als Beleh-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/401>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.