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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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oder Wöchnerin die Hände mit Chlorwasser waschen musste.
Auf diese Anordnung erkrankten die Wöchnerinnen auf der
für die Studirenden bestimmten Abtheilung plötzlich nicht
zahlreicher, als auf der Abtheilung für Hebammen. Und gewiss,
wenn durch eine Massregel, welche nichts Anderes leisten
kann, als den an den Händen klebenden zersetzten Stoff zu
zerstören, an einer Abtheilung die Sterblichkeit auf 45 Todte
unter 9780 Wöchnerinnen herabgedrückt werden kann, an
welcher früher durch sechs Jahre die Sterblichkeit bei einer
geringeren Zahl von Wöchnerinnen, ein Jahr ausgenommen,
zwischen 237 und 518 Todten schwankt (siehe Tabelle VI,
Seite 3), so ist unzweifelhaft bewiesen, dass der zersetzte Stoff
die Ursache der grossen Sterblichkeit war. Im Jahre 1841
starben 192, im Jahre 1845 starben 196, im Jahre 1844 star-
ben 215, im Jahre 1843 starben 229, im Jahre 1846 starben
414, im Jahre 1842 starben 463 Wöchnerinnen mehr als im
Jahre 1848, wo das ganze Jahr hindurch die Chlorwaschungen
durch mich beaufsichtiget wurden.

Scanzoni sagt: Nach dieser historischen Entwicklung und
Darstellung der von Dr. Semmelweis gemachten Entdeckung
geht Prof. Skoda zu den Massnahmen über, welche nöthig
scheinen, die Entdeckung des Dr. Semmelweis ausser Zweifel
zu setzen. Zu diesen Massnahmen gehört auch der Brief, den
Skoda an Nadherny gerichtet.

Scanzoni sagt: Prof. Skoda behauptet, zur Einführung der
Chlorwaschungen in der Prager Gebäranstalt aufgefordert zu
haben, doch geschah dies, so viel uns bekannt ist, weder von
seiner noch von Seite des Dr. Semmelweis auf eine der Wich-
tigkeit des Gegenstandes entsprechende Weise, wenigstens
erhielten wir die Nachricht über die von Dr. Semmelweis em-
pfohlene Massregel immer nur auf indirectem Wege durch
Aerzte, welche ihr Weg zufällig von Wien nach Prag führte.
Eine directe briefliche Aufforderung von Seite der genannten
beiden Aerzte ist, so viel uns bekannt wurde, an die Vorsteher
der Prager Gebäranstalt nie ergangen.

oder Wöchnerin die Hände mit Chlorwasser waschen musste.
Auf diese Anordnung erkrankten die Wöchnerinnen auf der
für die Studirenden bestimmten Abtheilung plötzlich nicht
zahlreicher, als auf der Abtheilung für Hebammen. Und gewiss,
wenn durch eine Massregel, welche nichts Anderes leisten
kann, als den an den Händen klebenden zersetzten Stoff zu
zerstören, an einer Abtheilung die Sterblichkeit auf 45 Todte
unter 9780 Wöchnerinnen herabgedrückt werden kann, an
welcher früher durch sechs Jahre die Sterblichkeit bei einer
geringeren Zahl von Wöchnerinnen, ein Jahr ausgenommen,
zwischen 237 und 518 Todten schwankt (siehe Tabelle VI,
Seite 3), so ist unzweifelhaft bewiesen, dass der zersetzte Stoff
die Ursache der grossen Sterblichkeit war. Im Jahre 1841
starben 192, im Jahre 1845 starben 196, im Jahre 1844 star-
ben 215, im Jahre 1843 starben 229, im Jahre 1846 starben
414, im Jahre 1842 starben 463 Wöchnerinnen mehr als im
Jahre 1848, wo das ganze Jahr hindurch die Chlorwaschungen
durch mich beaufsichtiget wurden.

Scanzoni sagt: Nach dieser historischen Entwicklung und
Darstellung der von Dr. Semmelweis gemachten Entdeckung
geht Prof. Skoda zu den Massnahmen über, welche nöthig
scheinen, die Entdeckung des Dr. Semmelweis ausser Zweifel
zu setzen. Zu diesen Massnahmen gehört auch der Brief, den
Skoda an Nadherny gerichtet.

Scanzoni sagt: Prof. Skoda behauptet, zur Einführung der
Chlorwaschungen in der Prager Gebäranstalt aufgefordert zu
haben, doch geschah dies, so viel uns bekannt ist, weder von
seiner noch von Seite des Dr. Semmelweis auf eine der Wich-
tigkeit des Gegenstandes entsprechende Weise, wenigstens
erhielten wir die Nachricht über die von Dr. Semmelweis em-
pfohlene Massregel immer nur auf indirectem Wege durch
Aerzte, welche ihr Weg zufällig von Wien nach Prag führte.
Eine directe briefliche Aufforderung von Seite der genannten
beiden Aerzte ist, so viel uns bekannt wurde, an die Vorsteher
der Prager Gebäranstalt nie ergangen.

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[318/0330] oder Wöchnerin die Hände mit Chlorwasser waschen musste. Auf diese Anordnung erkrankten die Wöchnerinnen auf der für die Studirenden bestimmten Abtheilung plötzlich nicht zahlreicher, als auf der Abtheilung für Hebammen. Und gewiss, wenn durch eine Massregel, welche nichts Anderes leisten kann, als den an den Händen klebenden zersetzten Stoff zu zerstören, an einer Abtheilung die Sterblichkeit auf 45 Todte unter 9780 Wöchnerinnen herabgedrückt werden kann, an welcher früher durch sechs Jahre die Sterblichkeit bei einer geringeren Zahl von Wöchnerinnen, ein Jahr ausgenommen, zwischen 237 und 518 Todten schwankt (siehe Tabelle VI, Seite 3), so ist unzweifelhaft bewiesen, dass der zersetzte Stoff die Ursache der grossen Sterblichkeit war. Im Jahre 1841 starben 192, im Jahre 1845 starben 196, im Jahre 1844 star- ben 215, im Jahre 1843 starben 229, im Jahre 1846 starben 414, im Jahre 1842 starben 463 Wöchnerinnen mehr als im Jahre 1848, wo das ganze Jahr hindurch die Chlorwaschungen durch mich beaufsichtiget wurden. Scanzoni sagt: Nach dieser historischen Entwicklung und Darstellung der von Dr. Semmelweis gemachten Entdeckung geht Prof. Skoda zu den Massnahmen über, welche nöthig scheinen, die Entdeckung des Dr. Semmelweis ausser Zweifel zu setzen. Zu diesen Massnahmen gehört auch der Brief, den Skoda an Nadherny gerichtet. Scanzoni sagt: Prof. Skoda behauptet, zur Einführung der Chlorwaschungen in der Prager Gebäranstalt aufgefordert zu haben, doch geschah dies, so viel uns bekannt ist, weder von seiner noch von Seite des Dr. Semmelweis auf eine der Wich- tigkeit des Gegenstandes entsprechende Weise, wenigstens erhielten wir die Nachricht über die von Dr. Semmelweis em- pfohlene Massregel immer nur auf indirectem Wege durch Aerzte, welche ihr Weg zufällig von Wien nach Prag führte. Eine directe briefliche Aufforderung von Seite der genannten beiden Aerzte ist, so viel uns bekannt wurde, an die Vorsteher der Prager Gebäranstalt nie ergangen.

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/330>, abgerufen am 21.05.2024.