schwankte, und doch hatten wir dieses Präcautionsmittel in einer unvollkommeneren Form angewendet als Professor Lewy, indem derselbe die Hände nicht verunreinigen liess, wir das aber nicht verhindern konnten, und uns daher auf das Desin- ficiren so vieler Schüler verlassen mussten, und wir haben an einer Stelle dieses Buches schon weitläufig nachgewiesen, dass darin die Schuld liegt, dass wir nicht noch weniger Todte hatten.
"IV. Jedoch -- wird man sagen -- scheinen die Resultate des Versuches, trotz aller Bedenklichkeiten dagegen, die Ansicht des Dr. Semmelweis zu bestätigen. "Scheinen", bleibt die Antwort, aber wenigstens auch nicht mehr; jeder nämlich, der durch eine längere Reihe von Jahren dazu Gelegenheit gehabt hat, das periodische Steigen und Fallen der Kränk- lichkeit in Gebäranstalten zu beobachten, wird ohne Zweifel eingestehen müssen, dass uns zur Würdigung der gewonnenen Resultate wesentlich darüber Aufschluss mangelt, ob nicht auch in früheren Jahren die Anstalt ebenso günstige Perioden gehabt hat, als in den letzten sieben Monaten, wozu eine genaue statistische Mittheilung über die monatlichen Krank- heits- und Todesfälle erforderlich wäre. Dieser Mangel bleibt um so fühlbarer, wenn man sich erinnert, dass vor ungefähr drei Jahren der Professor Klein in den medicinischen Jahr- büchern der k. k. österreichischen Staaten, Jänner 1845, einen officiellen Bericht über die Wirksamkeit der Gebärklinik in den sieben Jahren (1836--1843) geliefert hat, wonach das Sterbeverhältniss 1 : 15, wenn auch traurig genug, doch über 100 % besser sich stellt, als das Sterbeverhältniss, womit die Resultate der Chlorwaschungsperiode am nächsten verglichen worden sind. Möglich, ja sogar wahrscheinlich ist es, dass dieser Unterschied weniger von einem constant bessern Ge- sundheitszustand, als von einzelnen besonders günstigen Perio- den herrührt, aber eben deshalb wäre es, beim Mangel genauer statistischer Mittheilungen, denkbar, dass auch die Resultate der letzten sieben Monate, zum Theil wenigstens, von perio-
schwankte, und doch hatten wir dieses Präcautionsmittel in einer unvollkommeneren Form angewendet als Professor Lewy, indem derselbe die Hände nicht verunreinigen liess, wir das aber nicht verhindern konnten, und uns daher auf das Desin- ficiren so vieler Schüler verlassen mussten, und wir haben an einer Stelle dieses Buches schon weitläufig nachgewiesen, dass darin die Schuld liegt, dass wir nicht noch weniger Todte hatten.
»IV. Jedoch — wird man sagen — scheinen die Resultate des Versuches, trotz aller Bedenklichkeiten dagegen, die Ansicht des Dr. Semmelweis zu bestätigen. »Scheinen«, bleibt die Antwort, aber wenigstens auch nicht mehr; jeder nämlich, der durch eine längere Reihe von Jahren dazu Gelegenheit gehabt hat, das periodische Steigen und Fallen der Kränk- lichkeit in Gebäranstalten zu beobachten, wird ohne Zweifel eingestehen müssen, dass uns zur Würdigung der gewonnenen Resultate wesentlich darüber Aufschluss mangelt, ob nicht auch in früheren Jahren die Anstalt ebenso günstige Perioden gehabt hat, als in den letzten sieben Monaten, wozu eine genaue statistische Mittheilung über die monatlichen Krank- heits- und Todesfälle erforderlich wäre. Dieser Mangel bleibt um so fühlbarer, wenn man sich erinnert, dass vor ungefähr drei Jahren der Professor Klein in den medicinischen Jahr- büchern der k. k. österreichischen Staaten, Jänner 1845, einen officiellen Bericht über die Wirksamkeit der Gebärklinik in den sieben Jahren (1836—1843) geliefert hat, wonach das Sterbeverhältniss 1 : 15, wenn auch traurig genug, doch über 100 % besser sich stellt, als das Sterbeverhältniss, womit die Resultate der Chlorwaschungsperiode am nächsten verglichen worden sind. Möglich, ja sogar wahrscheinlich ist es, dass dieser Unterschied weniger von einem constant bessern Ge- sundheitszustand, als von einzelnen besonders günstigen Perio- den herrührt, aber eben deshalb wäre es, beim Mangel genauer statistischer Mittheilungen, denkbar, dass auch die Resultate der letzten sieben Monate, zum Theil wenigstens, von perio-
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schwankte, und doch hatten wir dieses Präcautionsmittel in
einer unvollkommeneren Form angewendet als Professor Lewy,
indem derselbe die Hände nicht verunreinigen liess, wir das
aber nicht verhindern konnten, und uns daher auf das Desin-
ficiren so vieler Schüler verlassen mussten, und wir haben an
einer Stelle dieses Buches schon weitläufig nachgewiesen,
dass darin die Schuld liegt, dass wir nicht noch weniger Todte
hatten.
»IV. Jedoch — wird man sagen — scheinen die Resultate
des Versuches, trotz aller Bedenklichkeiten dagegen, die
Ansicht des Dr. Semmelweis zu bestätigen. »Scheinen«, bleibt
die Antwort, aber wenigstens auch nicht mehr; jeder nämlich,
der durch eine längere Reihe von Jahren dazu Gelegenheit
gehabt hat, das periodische Steigen und Fallen der Kränk-
lichkeit in Gebäranstalten zu beobachten, wird ohne Zweifel
eingestehen müssen, dass uns zur Würdigung der gewonnenen
Resultate wesentlich darüber Aufschluss mangelt, ob nicht
auch in früheren Jahren die Anstalt ebenso günstige Perioden
gehabt hat, als in den letzten sieben Monaten, wozu eine
genaue statistische Mittheilung über die monatlichen Krank-
heits- und Todesfälle erforderlich wäre. Dieser Mangel bleibt
um so fühlbarer, wenn man sich erinnert, dass vor ungefähr
drei Jahren der Professor Klein in den medicinischen Jahr-
büchern der k. k. österreichischen Staaten, Jänner 1845,
einen officiellen Bericht über die Wirksamkeit der Gebärklinik
in den sieben Jahren (1836—1843) geliefert hat, wonach das
Sterbeverhältniss 1 : 15, wenn auch traurig genug, doch über
100 % besser sich stellt, als das Sterbeverhältniss, womit die
Resultate der Chlorwaschungsperiode am nächsten verglichen
worden sind. Möglich, ja sogar wahrscheinlich ist es, dass
dieser Unterschied weniger von einem constant bessern Ge-
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/312>, abgerufen am 25.11.2024.
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