fiebers, in welcher meine Lehre verworfen wird, mit einem Preise gekrönt, und wir werden Gelegenheit haben, Vorstände von Gebärhäusern anzuführen, welche meine Lehre mit Erfolg beobachten, und dieselbe dennoch bekämpfen, den Erfolg anderen Umständen zuschreibend. Die Indignation über die Grösse dieses Scandals hat in meine widerstrebende Hand die Feder gedrückt. Ich würde glauben ein Verbrechen zu bege- hen, wenn ich noch länger schweigend der Zeit und der un- befangenen Prüfung die praktische Verbreitung meiner Lehre überlassen würde.
Wenn wir uns um die Ursachen umsehen, welche es machen, dass Männer der Wissenschaft sich so hartnäckig der Wahr- heit widersetzen, dass Männer, deren Lebenszweck ist, Menschenleben zu retten, so hartnäckig einer Lehre anhängen, welche ihre Pflegebefohlenen zum Tode verurtheilt, und dieje- nige, welche selbe zu retten lehrt, angreifen, so werden wir deren sehr viele finden; wir wollen alle jene Ursachen, welche das von uns erbetene Gesetz in ihren Wirkungen paralysirt nicht einmal erwähnen, weil deren Aufzählung ohne dieses Gesetz gewiss keine Besserung erzielen, im Gegentheil nur Leidenschaften erregen würde, mit diesem Gesetze werden die Folgen dieser Ursachen schwinden, auch ohne selbe auf- gezählt zu haben.
Zwei Ursachen sind aber, welche der praktischen Ver- breitung meiner Lehre hinderlich sind, die wir nennen wollen, weil wir in der Lage sind, dagegen etwas zu thun.
Die eine ist die für reine Wahrheitsliebe zeugende Ge- wohnheit meiner Gegner, in ihren Angriffen sich immer nur wieder auf Gegner zu berufen, ja Carl Braun geht in der Verläugnung der Wahrheit so weit, dass er in seinem Lehr- buche der Geburtshilfe, Seite 921, sagt: "In Deutschland, Frankreich und England wurde diese Hypothese der cadave- rösen Infection bis auf die neueste Zeit fast einstimmig ver- worfen!"
Nicht alle sind mit der Literatur in ihrem ganzen Umfange
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fiebers, in welcher meine Lehre verworfen wird, mit einem Preise gekrönt, und wir werden Gelegenheit haben, Vorstände von Gebärhäusern anzuführen, welche meine Lehre mit Erfolg beobachten, und dieselbe dennoch bekämpfen, den Erfolg anderen Umständen zuschreibend. Die Indignation über die Grösse dieses Scandals hat in meine widerstrebende Hand die Feder gedrückt. Ich würde glauben ein Verbrechen zu bege- hen, wenn ich noch länger schweigend der Zeit und der un- befangenen Prüfung die praktische Verbreitung meiner Lehre überlassen würde.
Wenn wir uns um die Ursachen umsehen, welche es machen, dass Männer der Wissenschaft sich so hartnäckig der Wahr- heit widersetzen, dass Männer, deren Lebenszweck ist, Menschenleben zu retten, so hartnäckig einer Lehre anhängen, welche ihre Pflegebefohlenen zum Tode verurtheilt, und dieje- nige, welche selbe zu retten lehrt, angreifen, so werden wir deren sehr viele finden; wir wollen alle jene Ursachen, welche das von uns erbetene Gesetz in ihren Wirkungen paralysirt nicht einmal erwähnen, weil deren Aufzählung ohne dieses Gesetz gewiss keine Besserung erzielen, im Gegentheil nur Leidenschaften erregen würde, mit diesem Gesetze werden die Folgen dieser Ursachen schwinden, auch ohne selbe auf- gezählt zu haben.
Zwei Ursachen sind aber, welche der praktischen Ver- breitung meiner Lehre hinderlich sind, die wir nennen wollen, weil wir in der Lage sind, dagegen etwas zu thun.
Die eine ist die für reine Wahrheitsliebe zeugende Ge- wohnheit meiner Gegner, in ihren Angriffen sich immer nur wieder auf Gegner zu berufen, ja Carl Braun geht in der Verläugnung der Wahrheit so weit, dass er in seinem Lehr- buche der Geburtshilfe, Seite 921, sagt: »In Deutschland, Frankreich und England wurde diese Hypothese der cadave- rösen Infection bis auf die neueste Zeit fast einstimmig ver- worfen!«
Nicht alle sind mit der Literatur in ihrem ganzen Umfange
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fiebers, in welcher meine Lehre verworfen wird, mit einem
Preise gekrönt, und wir werden Gelegenheit haben, Vorstände
von Gebärhäusern anzuführen, welche meine Lehre mit Erfolg
beobachten, und dieselbe dennoch bekämpfen, den Erfolg
anderen Umständen zuschreibend. Die Indignation über die
Grösse dieses Scandals hat in meine widerstrebende Hand die
Feder gedrückt. Ich würde glauben ein Verbrechen zu bege-
hen, wenn ich noch länger schweigend der Zeit und der un-
befangenen Prüfung die praktische Verbreitung meiner Lehre
überlassen würde.
Wenn wir uns um die Ursachen umsehen, welche es machen,
dass Männer der Wissenschaft sich so hartnäckig der Wahr-
heit widersetzen, dass Männer, deren Lebenszweck ist,
Menschenleben zu retten, so hartnäckig einer Lehre anhängen,
welche ihre Pflegebefohlenen zum Tode verurtheilt, und dieje-
nige, welche selbe zu retten lehrt, angreifen, so werden wir
deren sehr viele finden; wir wollen alle jene Ursachen, welche
das von uns erbetene Gesetz in ihren Wirkungen paralysirt
nicht einmal erwähnen, weil deren Aufzählung ohne dieses
Gesetz gewiss keine Besserung erzielen, im Gegentheil nur
Leidenschaften erregen würde, mit diesem Gesetze werden
die Folgen dieser Ursachen schwinden, auch ohne selbe auf-
gezählt zu haben.
Zwei Ursachen sind aber, welche der praktischen Ver-
breitung meiner Lehre hinderlich sind, die wir nennen
wollen, weil wir in der Lage sind, dagegen etwas zu thun.
Die eine ist die für reine Wahrheitsliebe zeugende Ge-
wohnheit meiner Gegner, in ihren Angriffen sich immer nur
wieder auf Gegner zu berufen, ja Carl Braun geht in der
Verläugnung der Wahrheit so weit, dass er in seinem Lehr-
buche der Geburtshilfe, Seite 921, sagt: »In Deutschland,
Frankreich und England wurde diese Hypothese der cadave-
rösen Infection bis auf die neueste Zeit fast einstimmig ver-
worfen!«
Nicht alle sind mit der Literatur in ihrem ganzen Umfange
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/287>, abgerufen am 22.11.2024.
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