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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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Gewiss würde das Kindbettfieber in grosser Anzahl über
die ganze Erde verbreitet vorkommen, wenn über die ganze
Erde verbreitet den Individuen in grosser Anzahl ein zersetz-
ter Stoff von aussen eingebracht würde. Das geschieht aber
nur im mittleren Europa. Im mittleren Europa ist Veranlas-
sung zur Beschäftigung mit zersetzten Stoffen, im mittleren
Europa ist Gelegenheit in den Gebärhäusern vielen Individuen
gleichzeitig den zersetzten Stoff einzubringen. Das Kindbett-
fieber ist vorzüglich an grössere Städte deshalb gebunden, weil
die grossen Gebärhäuser sich in grossen Städten befinden,
dass die Städte selbst es nicht sind, welche das Kindbettfieber
hervorbriugen, beweiset ja der Umstand, dass man das Kind-
bettfieber in den Gebärhäusern dadurch unterdrücken kann,
dass man nach Schliessung der Gebärhäuser die Individuen
in der Stadt entbinden lässt.

Dass die Puerperal-Epidemien in Wien nicht deshalb ent-
standen sind, weil Wien an den Ufern eines grossen Flusses
liegt, geht daraus hervor, dass den furchtbaren Wiener Puer-
peral-Epidemien 25 Jahre vorausgegangen sind, in welchen
nicht eine Wöchnerin von hundert im Gebärhause starb; ob-
wohl während dieser 25 Jahre Wien an den Ufern desselben
grossen Flusses lag; durch die Einführung der Chlorwaschun-
gen ist die Donau nicht ausgetrocknet worden; aber die Epi-
demien haben aufgehört. Wenn die Donau die Epidemien in
Wien hervorgebracht hätte, wo liegt denn der Grund, dass
die Donau das nur in Wien thut und nicht in allen Orten, die
an seinen Ufern liegen vom Ursprunge bis zur Mündung?

Wenn in Sicilien, in Egypten, in Südamerika das Kind-
bettfieber nicht vorkommt, so kommt es gewiss nicht deshalb
nicht vor, weil in Sicilien, in Egypten, in Südamerika Was-
sermangel herrscht, sondern deshalb, weil in Sicilien, in
Egypten, in Südamerika die Anatomie in ihren Zweigen, und
die anatomische Richtung der Medicin noch nicht die Triumphe
gefeiert, welche den Stolz der Wiener Schule und das Un-
glück des Wiener Gebärhauses bilden.

Gewiss würde das Kindbettfieber in grosser Anzahl über
die ganze Erde verbreitet vorkommen, wenn über die ganze
Erde verbreitet den Individuen in grosser Anzahl ein zersetz-
ter Stoff von aussen eingebracht würde. Das geschieht aber
nur im mittleren Europa. Im mittleren Europa ist Veranlas-
sung zur Beschäftigung mit zersetzten Stoffen, im mittleren
Europa ist Gelegenheit in den Gebärhäusern vielen Individuen
gleichzeitig den zersetzten Stoff einzubringen. Das Kindbett-
fieber ist vorzüglich an grössere Städte deshalb gebunden, weil
die grossen Gebärhäuser sich in grossen Städten befinden,
dass die Städte selbst es nicht sind, welche das Kindbettfieber
hervorbriugen, beweiset ja der Umstand, dass man das Kind-
bettfieber in den Gebärhäusern dadurch unterdrücken kann,
dass man nach Schliessung der Gebärhäuser die Individuen
in der Stadt entbinden lässt.

Dass die Puerperal-Epidemien in Wien nicht deshalb ent-
standen sind, weil Wien an den Ufern eines grossen Flusses
liegt, geht daraus hervor, dass den furchtbaren Wiener Puer-
peral-Epidemien 25 Jahre vorausgegangen sind, in welchen
nicht eine Wöchnerin von hundert im Gebärhause starb; ob-
wohl während dieser 25 Jahre Wien an den Ufern desselben
grossen Flusses lag; durch die Einführung der Chlorwaschun-
gen ist die Donau nicht ausgetrocknet worden; aber die Epi-
demien haben aufgehört. Wenn die Donau die Epidemien in
Wien hervorgebracht hätte, wo liegt denn der Grund, dass
die Donau das nur in Wien thut und nicht in allen Orten, die
an seinen Ufern liegen vom Ursprunge bis zur Mündung?

Wenn in Sicilien, in Egypten, in Südamerika das Kind-
bettfieber nicht vorkommt, so kommt es gewiss nicht deshalb
nicht vor, weil in Sicilien, in Egypten, in Südamerika Was-
sermangel herrscht, sondern deshalb, weil in Sicilien, in
Egypten, in Südamerika die Anatomie in ihren Zweigen, und
die anatomische Richtung der Medicin noch nicht die Triumphe
gefeiert, welche den Stolz der Wiener Schule und das Un-
glück des Wiener Gebärhauses bilden.

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[201/0213] Gewiss würde das Kindbettfieber in grosser Anzahl über die ganze Erde verbreitet vorkommen, wenn über die ganze Erde verbreitet den Individuen in grosser Anzahl ein zersetz- ter Stoff von aussen eingebracht würde. Das geschieht aber nur im mittleren Europa. Im mittleren Europa ist Veranlas- sung zur Beschäftigung mit zersetzten Stoffen, im mittleren Europa ist Gelegenheit in den Gebärhäusern vielen Individuen gleichzeitig den zersetzten Stoff einzubringen. Das Kindbett- fieber ist vorzüglich an grössere Städte deshalb gebunden, weil die grossen Gebärhäuser sich in grossen Städten befinden, dass die Städte selbst es nicht sind, welche das Kindbettfieber hervorbriugen, beweiset ja der Umstand, dass man das Kind- bettfieber in den Gebärhäusern dadurch unterdrücken kann, dass man nach Schliessung der Gebärhäuser die Individuen in der Stadt entbinden lässt. Dass die Puerperal-Epidemien in Wien nicht deshalb ent- standen sind, weil Wien an den Ufern eines grossen Flusses liegt, geht daraus hervor, dass den furchtbaren Wiener Puer- peral-Epidemien 25 Jahre vorausgegangen sind, in welchen nicht eine Wöchnerin von hundert im Gebärhause starb; ob- wohl während dieser 25 Jahre Wien an den Ufern desselben grossen Flusses lag; durch die Einführung der Chlorwaschun- gen ist die Donau nicht ausgetrocknet worden; aber die Epi- demien haben aufgehört. Wenn die Donau die Epidemien in Wien hervorgebracht hätte, wo liegt denn der Grund, dass die Donau das nur in Wien thut und nicht in allen Orten, die an seinen Ufern liegen vom Ursprunge bis zur Mündung? Wenn in Sicilien, in Egypten, in Südamerika das Kind- bettfieber nicht vorkommt, so kommt es gewiss nicht deshalb nicht vor, weil in Sicilien, in Egypten, in Südamerika Was- sermangel herrscht, sondern deshalb, weil in Sicilien, in Egypten, in Südamerika die Anatomie in ihren Zweigen, und die anatomische Richtung der Medicin noch nicht die Triumphe gefeiert, welche den Stolz der Wiener Schule und das Un- glück des Wiener Gebärhauses bilden.

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/213>, abgerufen am 24.11.2024.