einheimisch, das ist aber die Zeit, wo die Medicin in Wien die anatomische Richtung anzunehmen begann.
Professor Rokitansky fungirt seit 1828 an der patholo- gisch-anatomischen Anstalt. Von 1823 angefangen bis 1847, dem Jahre der Einführung der Chlorwaschungen, also durch 24 Jahre, war, ein Jahr ausgenommen, die Sterblichkeit im- mer über 2 Percent und stieg bis zu 12 Percent im Jahre, während von 1784 bis 1822, also innerhalb 39 Jahren die Sterblichkeit nur bis 4 Percent stieg, und innerhalb 25 Jah- ren nicht eine Wöchnerin von hundert starb. Siehe Ta- belle Nr. XVII.
Vom Kieler Gebärhause sagt weiland Michaelis in einem Briefe, welchen wir an einer andern Stelle ausführlich mit- theilen werden: "Sie wissen, dass das Puerperalfieber bei uns erst seit 1834 eingezogen ist. Dies ist aber auch ungefähr die Zeit, seitdem ich mich des Unterrichtes thätiger angenom- men habe, und namentlich das Douchiren der Candidaten re- gelmässiger eingeführt ist. Auch diese Sache lässt sich also in Zusammenhang bringen."
In die Räumlichkeiten der Strassburger Hebammenschule zog das epidemische Kindbettfieber erst 1845 ein, in welchem Jahre die Vereinigung mit der Abtheilung der Aerzte erfolgte.
Während der Gesundheitszustand der Wöchnerinnen des St. Rochus-Spitals zu Pest seit dem Bestehen der geburtshilf- lichen Abtheilung stets ein ungünstiger war, weil die Gebär- abtheilung immer ein Anhängsel einer chirurgischen Abthei- lung war, war der Gesundheitszustand der Wöchnerinnen der medicinischen Facultät zu Pest bis in die vierziger Jahre stets ein günstiger, weil in Pest die Medicin erst in den vierziger Jahren die anatomische Richtung annahm.
Mein Vorfahrer, Hofrath Birly, einstens Boer's Assistent, glaubte, der bessere Gesundheitszustand seiner Wöchnerinnen zu Pest, im Vergleiche mit dem schlechte- ren Gesundheitszustande der Wöchnerinnen zu Wien, rühre daher, dass er, Birly nämlich, einen ausgedehnteren Ge-
einheimisch, das ist aber die Zeit, wo die Medicin in Wien die anatomische Richtung anzunehmen begann.
Professor Rokitansky fungirt seit 1828 an der patholo- gisch-anatomischen Anstalt. Von 1823 angefangen bis 1847, dem Jahre der Einführung der Chlorwaschungen, also durch 24 Jahre, war, ein Jahr ausgenommen, die Sterblichkeit im- mer über 2 Percent und stieg bis zu 12 Percent im Jahre, während von 1784 bis 1822, also innerhalb 39 Jahren die Sterblichkeit nur bis 4 Percent stieg, und innerhalb 25 Jah- ren nicht eine Wöchnerin von hundert starb. Siehe Ta- belle Nr. XVII.
Vom Kieler Gebärhause sagt weiland Michaelis in einem Briefe, welchen wir an einer andern Stelle ausführlich mit- theilen werden: »Sie wissen, dass das Puerperalfieber bei uns erst seit 1834 eingezogen ist. Dies ist aber auch ungefähr die Zeit, seitdem ich mich des Unterrichtes thätiger angenom- men habe, und namentlich das Douchiren der Candidaten re- gelmässiger eingeführt ist. Auch diese Sache lässt sich also in Zusammenhang bringen.«
In die Räumlichkeiten der Strassburger Hebammenschule zog das epidemische Kindbettfieber erst 1845 ein, in welchem Jahre die Vereinigung mit der Abtheilung der Aerzte erfolgte.
Während der Gesundheitszustand der Wöchnerinnen des St. Rochus-Spitals zu Pest seit dem Bestehen der geburtshilf- lichen Abtheilung stets ein ungünstiger war, weil die Gebär- abtheilung immer ein Anhängsel einer chirurgischen Abthei- lung war, war der Gesundheitszustand der Wöchnerinnen der medicinischen Facultät zu Pest bis in die vierziger Jahre stets ein günstiger, weil in Pest die Medicin erst in den vierziger Jahren die anatomische Richtung annahm.
Mein Vorfahrer, Hofrath Birly, einstens Boer’s Assistent, glaubte, der bessere Gesundheitszustand seiner Wöchnerinnen zu Pest, im Vergleiche mit dem schlechte- ren Gesundheitszustande der Wöchnerinnen zu Wien, rühre daher, dass er, Birly nämlich, einen ausgedehnteren Ge-
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einheimisch, das ist aber die Zeit, wo die Medicin in Wien
die anatomische Richtung anzunehmen begann.
Professor Rokitansky fungirt seit 1828 an der patholo-
gisch-anatomischen Anstalt. Von 1823 angefangen bis 1847,
dem Jahre der Einführung der Chlorwaschungen, also durch
24 Jahre, war, ein Jahr ausgenommen, die Sterblichkeit im-
mer über 2 Percent und stieg bis zu 12 Percent im Jahre,
während von 1784 bis 1822, also innerhalb 39 Jahren die
Sterblichkeit nur bis 4 Percent stieg, und innerhalb 25 Jah-
ren nicht eine Wöchnerin von hundert starb. Siehe Ta-
belle Nr. XVII.
Vom Kieler Gebärhause sagt weiland Michaelis in einem
Briefe, welchen wir an einer andern Stelle ausführlich mit-
theilen werden: »Sie wissen, dass das Puerperalfieber bei
uns erst seit 1834 eingezogen ist. Dies ist aber auch ungefähr
die Zeit, seitdem ich mich des Unterrichtes thätiger angenom-
men habe, und namentlich das Douchiren der Candidaten re-
gelmässiger eingeführt ist. Auch diese Sache lässt sich also
in Zusammenhang bringen.«
In die Räumlichkeiten der Strassburger Hebammenschule
zog das epidemische Kindbettfieber erst 1845 ein, in welchem
Jahre die Vereinigung mit der Abtheilung der Aerzte erfolgte.
Während der Gesundheitszustand der Wöchnerinnen des
St. Rochus-Spitals zu Pest seit dem Bestehen der geburtshilf-
lichen Abtheilung stets ein ungünstiger war, weil die Gebär-
abtheilung immer ein Anhängsel einer chirurgischen Abthei-
lung war, war der Gesundheitszustand der Wöchnerinnen der
medicinischen Facultät zu Pest bis in die vierziger Jahre stets
ein günstiger, weil in Pest die Medicin erst in den vierziger
Jahren die anatomische Richtung annahm.
Mein Vorfahrer, Hofrath Birly, einstens Boer’s
Assistent, glaubte, der bessere Gesundheitszustand seiner
Wöchnerinnen zu Pest, im Vergleiche mit dem schlechte-
ren Gesundheitszustande der Wöchnerinnen zu Wien, rühre
daher, dass er, Birly nämlich, einen ausgedehnteren Ge-
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/148>, abgerufen am 24.11.2024.
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