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Seiler, Georg Friedrich: Ueber das wahre thätige Christenthum. Erlangen, 1789.

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VII. Ueber die wahre, thätige Menschenliebe.

Gott, der du die Liebe bist, der du die Nei-
gung zu unsern Nebenmenschen uns tief ins Herz
gelegt und uns den Befehl gegeben hast, du sollst
deinen Nächsten lieben, wie dich selbst; ich danke dir,
daß du bisher diesen herrlichen Trieb in mir erhalten
und durch die Lehren der Religion meines Jesu ihn auch
gestärket hast. Aber wie so leicht werden menschliche
Herzen lau und gleichgültig auch gegen die, denen sie
vorzügliche Liebe schuldig sind? Wie besteht doch die Lie-
be so vieler mehr in Worten, als in der That! Wie
reget sich in uns so oft Neid und Zorn, Unwillen und
Haß gegen die, mit denen wir leben? Habe ich andern
denn auch stets alles Gute erzeigt? Habe ich keinen
von den Personen, die um mich sind, ohne Ursache
betrübt oder erzürnt? Habe ich meine Untergebene
mit Nachsicht und Gelindigkeit behandelt? Habe ich
meinen Vorgesetzten alle schuldige Ehrerbietung erwie-
sen und sie durch Gehorsam erfreut? Habe ich denen,
die meiner Hülfe bedurften, die Lasten des Lebens zu
erleichtern gesucht? Habe ich den Dürftigen gerne
mitgetheilt, die Fehlenden mit Langmuth ertragen
und mit Sanftmuth zu recht gewiesen? Wie viel man-
gelt mir noch an der Vollkommenheit der wahren all-
gemeinen Menschenliebe? Gütigster Vater! Befreye mei-
ne Seele von aller Bitterkeit, von Zorn und Haß. Dein
Geist erfülle mich durch Jesu Lehre mit Gesinnungen der
Liebe! Göttlicher Menschenfreund! Herr Jesu Christe:
ändre mich durch die Kraft deiner Religion nach deinem
Bilde: du hast aus Liebe zu mir dein Leben am
Kreutze dahingegeben; ach mache mich bereitwillig auch
für andere Menschen mich künftig gerne aufzuopfern,

ih-
VII. Ueber die wahre, thätige Menſchenliebe.

Gott, der du die Liebe biſt, der du die Nei-
gung zu unſern Nebenmenſchen uns tief ins Herz
gelegt und uns den Befehl gegeben haſt, du ſollſt
deinen Nächſten lieben, wie dich ſelbſt; ich danke dir,
daß du bisher dieſen herrlichen Trieb in mir erhalten
und durch die Lehren der Religion meines Jeſu ihn auch
geſtärket haſt. Aber wie ſo leicht werden menſchliche
Herzen lau und gleichgültig auch gegen die, denen ſie
vorzügliche Liebe ſchuldig ſind? Wie beſteht doch die Lie-
be ſo vieler mehr in Worten, als in der That! Wie
reget ſich in uns ſo oft Neid und Zorn, Unwillen und
Haß gegen die, mit denen wir leben? Habe ich andern
denn auch ſtets alles Gute erzeigt? Habe ich keinen
von den Perſonen, die um mich ſind, ohne Urſache
betrübt oder erzürnt? Habe ich meine Untergebene
mit Nachſicht und Gelindigkeit behandelt? Habe ich
meinen Vorgeſetzten alle ſchuldige Ehrerbietung erwie-
ſen und ſie durch Gehorſam erfreut? Habe ich denen,
die meiner Hülfe bedurften, die Laſten des Lebens zu
erleichtern geſucht? Habe ich den Dürftigen gerne
mitgetheilt, die Fehlenden mit Langmuth ertragen
und mit Sanftmuth zu recht gewieſen? Wie viel man-
gelt mir noch an der Vollkommenheit der wahren all-
gemeinen Menſchenliebe? Gütigſter Vater! Befreye mei-
ne Seele von aller Bitterkeit, von Zorn und Haß. Dein
Geiſt erfülle mich durch Jeſu Lehre mit Geſinnungen der
Liebe! Göttlicher Menſchenfreund! Herr Jeſu Chriſte:
ändre mich durch die Kraft deiner Religion nach deinem
Bilde: du haſt aus Liebe zu mir dein Leben am
Kreutze dahingegeben; ach mache mich bereitwillig auch
für andere Menſchen mich künftig gerne aufzuopfern,

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[10/0014] VII. Ueber die wahre, thätige Menſchenliebe. Gott, der du die Liebe biſt, der du die Nei- gung zu unſern Nebenmenſchen uns tief ins Herz gelegt und uns den Befehl gegeben haſt, du ſollſt deinen Nächſten lieben, wie dich ſelbſt; ich danke dir, daß du bisher dieſen herrlichen Trieb in mir erhalten und durch die Lehren der Religion meines Jeſu ihn auch geſtärket haſt. Aber wie ſo leicht werden menſchliche Herzen lau und gleichgültig auch gegen die, denen ſie vorzügliche Liebe ſchuldig ſind? Wie beſteht doch die Lie- be ſo vieler mehr in Worten, als in der That! Wie reget ſich in uns ſo oft Neid und Zorn, Unwillen und Haß gegen die, mit denen wir leben? Habe ich andern denn auch ſtets alles Gute erzeigt? Habe ich keinen von den Perſonen, die um mich ſind, ohne Urſache betrübt oder erzürnt? Habe ich meine Untergebene mit Nachſicht und Gelindigkeit behandelt? Habe ich meinen Vorgeſetzten alle ſchuldige Ehrerbietung erwie- ſen und ſie durch Gehorſam erfreut? Habe ich denen, die meiner Hülfe bedurften, die Laſten des Lebens zu erleichtern geſucht? Habe ich den Dürftigen gerne mitgetheilt, die Fehlenden mit Langmuth ertragen und mit Sanftmuth zu recht gewieſen? Wie viel man- gelt mir noch an der Vollkommenheit der wahren all- gemeinen Menſchenliebe? Gütigſter Vater! Befreye mei- ne Seele von aller Bitterkeit, von Zorn und Haß. Dein Geiſt erfülle mich durch Jeſu Lehre mit Geſinnungen der Liebe! Göttlicher Menſchenfreund! Herr Jeſu Chriſte: ändre mich durch die Kraft deiner Religion nach deinem Bilde: du haſt aus Liebe zu mir dein Leben am Kreutze dahingegeben; ach mache mich bereitwillig auch für andere Menſchen mich künftig gerne aufzuopfern, ih-

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Zitationshilfe: Seiler, Georg Friedrich: Ueber das wahre thätige Christenthum. Erlangen, 1789, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seiler_christentum_1789/14>, abgerufen am 24.11.2024.