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Seiler, Georg Friedrich: Ueber das wahre thätige Christenthum. Erlangen, 1789.

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Einige Betrachtungen und Gebete für das
christliche Gesinde.


I. Wie der grosse Vorzug unserer christlichen Be-
dienten, Knechte und Mägde vor den Leibeige-
nen oder Sklaven von ihnen oft und wohl be-
dacht werden soll.

Unter den Juden und Heiden, auch unter den ersten
Christen waren die Knechte und Mägde, von denen
Paulus in seinen Briefen redet, Leibeigene oder Skla-
ven, die meistens von ihren Herren und Frauen
sehr hart gehalten wurden, die gar nichts Eigenes
hatten, die man, wie das Vieh, kaufte und verkaufte;
oft um eines geringen Versehens willen grausam
schlug und peinigte und wenn sie alt und unbrauch-
bar wurden, zuweilen auf eine elende Art umkom-
men ließ. Was für einen grossen Vorzug haben
unsere Bediente, Knechte und Mägde in den meisten
christlichen Ländern vor jenen unglücklichen Menschen?
Das haben sie auch der Fürsorge ihres Gottes und gelieb-
ten Heilandes zu danken. Er hat die Gleichheit unter den
Menschen, so weit es seyn konnte, wieder hergestellt;
er hat den Herren und Frauen befehlen lassen, daß
sie ihre Knechte und Mägde wie Brüder und Schwe-
stern behandeln sollen. Möchten sie dieß doch recht
oft bedenken und also sprechen:

Gebet eines Dienstboten, dem es wohl geht.

Ich danke dir, Gott! daß du mich in einen so
erträglichen Zustand gesetzt und mir durch diejenigen,
welchen ich diene, schon so viele Wohlthaten erzeiget

hast.
H
Einige Betrachtungen und Gebete für das
chriſtliche Geſinde.


I. Wie der groſſe Vorzug unſerer chriſtlichen Be-
dienten, Knechte und Mägde vor den Leibeige-
nen oder Sklaven von ihnen oft und wohl be-
dacht werden ſoll.

Unter den Juden und Heiden, auch unter den erſten
Chriſten waren die Knechte und Mägde, von denen
Paulus in ſeinen Briefen redet, Leibeigene oder Skla-
ven, die meiſtens von ihren Herren und Frauen
ſehr hart gehalten wurden, die gar nichts Eigenes
hatten, die man, wie das Vieh, kaufte und verkaufte;
oft um eines geringen Verſehens willen grauſam
ſchlug und peinigte und wenn ſie alt und unbrauch-
bar wurden, zuweilen auf eine elende Art umkom-
men ließ. Was für einen groſſen Vorzug haben
unſere Bediente, Knechte und Mägde in den meiſten
chriſtlichen Ländern vor jenen unglücklichen Menſchen?
Das haben ſie auch der Fürſorge ihres Gottes und gelieb-
ten Heilandes zu danken. Er hat die Gleichheit unter den
Menſchen, ſo weit es ſeyn konnte, wieder hergeſtellt;
er hat den Herren und Frauen befehlen laſſen, daß
ſie ihre Knechte und Mägde wie Brüder und Schwe-
ſtern behandeln ſollen. Möchten ſie dieß doch recht
oft bedenken und alſo ſprechen:

Gebet eines Dienſtboten, dem es wohl geht.

Ich danke dir, Gott! daß du mich in einen ſo
erträglichen Zuſtand geſetzt und mir durch diejenigen,
welchen ich diene, ſchon ſo viele Wohlthaten erzeiget

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[107/0111] Einige Betrachtungen und Gebete für das chriſtliche Geſinde. I. Wie der groſſe Vorzug unſerer chriſtlichen Be- dienten, Knechte und Mägde vor den Leibeige- nen oder Sklaven von ihnen oft und wohl be- dacht werden ſoll. Unter den Juden und Heiden, auch unter den erſten Chriſten waren die Knechte und Mägde, von denen Paulus in ſeinen Briefen redet, Leibeigene oder Skla- ven, die meiſtens von ihren Herren und Frauen ſehr hart gehalten wurden, die gar nichts Eigenes hatten, die man, wie das Vieh, kaufte und verkaufte; oft um eines geringen Verſehens willen grauſam ſchlug und peinigte und wenn ſie alt und unbrauch- bar wurden, zuweilen auf eine elende Art umkom- men ließ. Was für einen groſſen Vorzug haben unſere Bediente, Knechte und Mägde in den meiſten chriſtlichen Ländern vor jenen unglücklichen Menſchen? Das haben ſie auch der Fürſorge ihres Gottes und gelieb- ten Heilandes zu danken. Er hat die Gleichheit unter den Menſchen, ſo weit es ſeyn konnte, wieder hergeſtellt; er hat den Herren und Frauen befehlen laſſen, daß ſie ihre Knechte und Mägde wie Brüder und Schwe- ſtern behandeln ſollen. Möchten ſie dieß doch recht oft bedenken und alſo ſprechen: Gebet eines Dienſtboten, dem es wohl geht. Ich danke dir, Gott! daß du mich in einen ſo erträglichen Zuſtand geſetzt und mir durch diejenigen, welchen ich diene, ſchon ſo viele Wohlthaten erzeiget haſt. H

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Zitationshilfe: Seiler, Georg Friedrich: Ueber das wahre thätige Christenthum. Erlangen, 1789, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seiler_christentum_1789/111>, abgerufen am 23.07.2024.