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Seiler, Georg Friedrich: Ueber das wahre thätige Christenthum. Erlangen, 1789.

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Ewiger Gott, Vater und Herr meines Lebens!
mit innigstgerührtem Herzen sage ich dir demüthigen
Dank für alle das Gute, das du auch wieder in
dieser Woche mich auf so mannichfältige Weise genies-
sen liessest. Was ist der Mensch, daß du sein so
gnädig gedenkest; was bin ich, daß du dich meiner
so väterlich annimmst! Leben und Wohlthun habe ich
aus deiner Hand; dein Aufsehen bewahrte bis jetzt
noch meinen Odem. Wenn ich doch alle Kräfte mei-
ner Seele, wenn ich doch alle Glieder und Sinnen
meines Leibes stets nach deinem Befehl zur Verrich-
tung alles mir möglichen Guten recht angewendet und
dich mit kindlichem Gehorsam stets recht geehrt hätte.
Habe ich auch die Stunden dieser Woche gewissenhaft
genug gebraucht? Habe ich so viele nützliche Geschäf-
te vollendet, als ich wohl konnte? Habe ich die,
welche um mich sind, so zu erfreuen gesucht, daß
ihnen ihr Leben erleichtert wurde? Habe ich niemand
ohne Noth betrübt? Habe ich nie aus boshaften
Herzen harte Worte geredet? Habe ich Leib und
Seele unbefleckt zu erhalten mich bemüht? Habe ich
durch kein Unrecht meine Hände, durch keine Lügen
meine Lippen entheiliget? Habe ich dich, o mein Va-
ter! so geliebet, habe ich dir für alles Gute, das
du mir erzeigtest, dir so gedanket, wie es meine
Schuldigkeit war? Ach! gehe nicht ins Gericht mit
deinen Kindern; vor dir ist kein lebendiger, vor dir
bin auch ich nicht gerecht. Laß die bösen Folgen
meiner Handlungen mich in der Zukunft nicht tref-
fen und wende um Jesu willen die gerechten Stra-
fen von mir ab, die ich um meiner Nachlässigkeit und
vieler Fehler willen gar wohl verdient hätte. Dir

ge-
G 2

Ewiger Gott, Vater und Herr meines Lebens!
mit innigſtgerührtem Herzen ſage ich dir demüthigen
Dank für alle das Gute, das du auch wieder in
dieſer Woche mich auf ſo mannichfältige Weiſe genieſ-
ſen lieſſeſt. Was iſt der Menſch, daß du ſein ſo
gnädig gedenkeſt; was bin ich, daß du dich meiner
ſo väterlich annimmſt! Leben und Wohlthun habe ich
aus deiner Hand; dein Aufſehen bewahrte bis jetzt
noch meinen Odem. Wenn ich doch alle Kräfte mei-
ner Seele, wenn ich doch alle Glieder und Sinnen
meines Leibes ſtets nach deinem Befehl zur Verrich-
tung alles mir möglichen Guten recht angewendet und
dich mit kindlichem Gehorſam ſtets recht geehrt hätte.
Habe ich auch die Stunden dieſer Woche gewiſſenhaft
genug gebraucht? Habe ich ſo viele nützliche Geſchäf-
te vollendet, als ich wohl konnte? Habe ich die,
welche um mich ſind, ſo zu erfreuen geſucht, daß
ihnen ihr Leben erleichtert wurde? Habe ich niemand
ohne Noth betrübt? Habe ich nie aus boshaften
Herzen harte Worte geredet? Habe ich Leib und
Seele unbefleckt zu erhalten mich bemüht? Habe ich
durch kein Unrecht meine Hände, durch keine Lügen
meine Lippen entheiliget? Habe ich dich, o mein Va-
ter! ſo geliebet, habe ich dir für alles Gute, das
du mir erzeigteſt, dir ſo gedanket, wie es meine
Schuldigkeit war? Ach! gehe nicht ins Gericht mit
deinen Kindern; vor dir iſt kein lebendiger, vor dir
bin auch ich nicht gerecht. Laß die böſen Folgen
meiner Handlungen mich in der Zukunft nicht tref-
fen und wende um Jeſu willen die gerechten Stra-
fen von mir ab, die ich um meiner Nachläſſigkeit und
vieler Fehler willen gar wohl verdient hätte. Dir

ge-
G 2
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[99/0103] Ewiger Gott, Vater und Herr meines Lebens! mit innigſtgerührtem Herzen ſage ich dir demüthigen Dank für alle das Gute, das du auch wieder in dieſer Woche mich auf ſo mannichfältige Weiſe genieſ- ſen lieſſeſt. Was iſt der Menſch, daß du ſein ſo gnädig gedenkeſt; was bin ich, daß du dich meiner ſo väterlich annimmſt! Leben und Wohlthun habe ich aus deiner Hand; dein Aufſehen bewahrte bis jetzt noch meinen Odem. Wenn ich doch alle Kräfte mei- ner Seele, wenn ich doch alle Glieder und Sinnen meines Leibes ſtets nach deinem Befehl zur Verrich- tung alles mir möglichen Guten recht angewendet und dich mit kindlichem Gehorſam ſtets recht geehrt hätte. Habe ich auch die Stunden dieſer Woche gewiſſenhaft genug gebraucht? Habe ich ſo viele nützliche Geſchäf- te vollendet, als ich wohl konnte? Habe ich die, welche um mich ſind, ſo zu erfreuen geſucht, daß ihnen ihr Leben erleichtert wurde? Habe ich niemand ohne Noth betrübt? Habe ich nie aus boshaften Herzen harte Worte geredet? Habe ich Leib und Seele unbefleckt zu erhalten mich bemüht? Habe ich durch kein Unrecht meine Hände, durch keine Lügen meine Lippen entheiliget? Habe ich dich, o mein Va- ter! ſo geliebet, habe ich dir für alles Gute, das du mir erzeigteſt, dir ſo gedanket, wie es meine Schuldigkeit war? Ach! gehe nicht ins Gericht mit deinen Kindern; vor dir iſt kein lebendiger, vor dir bin auch ich nicht gerecht. Laß die böſen Folgen meiner Handlungen mich in der Zukunft nicht tref- fen und wende um Jeſu willen die gerechten Stra- fen von mir ab, die ich um meiner Nachläſſigkeit und vieler Fehler willen gar wohl verdient hätte. Dir ge- G 2

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Zitationshilfe: Seiler, Georg Friedrich: Ueber das wahre thätige Christenthum. Erlangen, 1789, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seiler_christentum_1789/103>, abgerufen am 24.11.2024.