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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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Menschen eine Dichtung gewertet haben. Man kann darstellen, pse_664.002
wie ein "Parzival" und eine "Ilias", ein "Ödipus", ein pse_664.003
"Hamlet" und ein "Faust" im Laufe der Zeiten beurteilt und pse_664.004
gewertet wurden, welche Maßstäbe die Menschen dafür pse_664.005
verwendet haben, und welche Menschen diese Werturteile pse_664.006
abgegeben haben. Solche Erkenntnisse verschaffen uns wertvolle pse_664.007
Einsichten in das geschichtliche Leben von Kunstwerken. pse_664.008
Die allgemeinen Einsichten, die sich daraus ergeben, pse_664.009
ergänzen wieder unser Bild von der Dichtung überhaupt.

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II pse_664.011
DIE DICHTUNG ALS GEBRAUCHSGUT

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Von der entwickelten Lage der heutigen Kulturmenschheit pse_664.013
aus, wo sich also im Zusammenhang mit den differenzierten pse_664.014
Wertungseinstellungen und Leistungsgruppen im Rahmen pse_664.015
der Gesamtkultur die einzelnen Kulturgebiete verhältnismäßig pse_664.016
selbständig ausgebildet haben, kann man sagen, daß pse_664.017
der Dichtung gegenüber die ästhetische Einstellung, wie wir pse_664.018
sie gefaßt haben, die richtige, adäquate, sachgemäße ist. Damit pse_664.019
ist keinem leeren Ästhetizismus das Wort geredet, weil pse_664.020
ja im ästhetischen Gebilde der Dichtung andere Werte eingefügt pse_664.021
sind, so daß, um die Dichtung in ihrer ganzen Fülle pse_664.022
zu erleben, auch Aufgeschlossenheit gegenüber den anderen pse_664.023
Wertgebieten nötig ist. Wir haben schon einmal gesagt: pse_664.024
je reicher in seiner inneren Struktur und je wesenhafter ein pse_664.025
Mensch ist, desto eher wird er Dichtung in ihrem Reichtum pse_664.026
und in ihrer Tiefe fassen können. Aber diese ästhetische Einstellung pse_664.027
mit Einfügung anderer Wertrichtungen ist nicht die pse_664.028
einzige Einstellung zur Dichtung. Und man muß etwas vorsichtig pse_664.029
sein mit der Feststellung, alle anderen denkbaren Einstellungen pse_664.030
seien falsch, unsachgemäß. Denn gerade in Frühstufen pse_664.031
einer Kultur, wo sich die einzelnen Wert- und Leistungsgebiete pse_664.032
noch nicht ausdifferenziert haben, kann man pse_664.033
auch kaum noch von einer ausgesprochen ästhetischen Einstellung

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Menschen eine Dichtung gewertet haben. Man kann darstellen, pse_664.002
wie ein »Parzival« und eine »Ilias«, ein »Ödipus«, ein pse_664.003
»Hamlet« und ein »Faust« im Laufe der Zeiten beurteilt und pse_664.004
gewertet wurden, welche Maßstäbe die Menschen dafür pse_664.005
verwendet haben, und welche Menschen diese Werturteile pse_664.006
abgegeben haben. Solche Erkenntnisse verschaffen uns wertvolle pse_664.007
Einsichten in das geschichtliche Leben von Kunstwerken. pse_664.008
Die allgemeinen Einsichten, die sich daraus ergeben, pse_664.009
ergänzen wieder unser Bild von der Dichtung überhaupt.

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II pse_664.011
DIE DICHTUNG ALS GEBRAUCHSGUT

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Von der entwickelten Lage der heutigen Kulturmenschheit pse_664.013
aus, wo sich also im Zusammenhang mit den differenzierten pse_664.014
Wertungseinstellungen und Leistungsgruppen im Rahmen pse_664.015
der Gesamtkultur die einzelnen Kulturgebiete verhältnismäßig pse_664.016
selbständig ausgebildet haben, kann man sagen, daß pse_664.017
der Dichtung gegenüber die ästhetische Einstellung, wie wir pse_664.018
sie gefaßt haben, die richtige, adäquate, sachgemäße ist. Damit pse_664.019
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ja im ästhetischen Gebilde der Dichtung andere Werte eingefügt pse_664.021
sind, so daß, um die Dichtung in ihrer ganzen Fülle pse_664.022
zu erleben, auch Aufgeschlossenheit gegenüber den anderen pse_664.023
Wertgebieten nötig ist. Wir haben schon einmal gesagt: pse_664.024
je reicher in seiner inneren Struktur und je wesenhafter ein pse_664.025
Mensch ist, desto eher wird er Dichtung in ihrem Reichtum pse_664.026
und in ihrer Tiefe fassen können. Aber diese ästhetische Einstellung pse_664.027
mit Einfügung anderer Wertrichtungen ist nicht die pse_664.028
einzige Einstellung zur Dichtung. Und man muß etwas vorsichtig pse_664.029
sein mit der Feststellung, alle anderen denkbaren Einstellungen pse_664.030
seien falsch, unsachgemäß. Denn gerade in Frühstufen pse_664.031
einer Kultur, wo sich die einzelnen Wert- und Leistungsgebiete pse_664.032
noch nicht ausdifferenziert haben, kann man pse_664.033
auch kaum noch von einer ausgesprochen ästhetischen Einstellung

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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 664. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/680>, abgerufen am 24.11.2024.