In ihrem Wesen als Kunstwerk ist die Dichtung ein Gebilde, pse_654.002 das über das Einmalige der geschichtlichen Lage ins Übergeschichtliche, pse_654.003 Dauernde, Absolute hineinragt. Aber das ist, pse_654.004 obwohl sehr grundlegend, doch nur eine Seite am Dasein pse_654.005 der Dichtung. Es wäre also einseitig, wollte man nur von pse_654.006 diesem dauernden Wesen her die Dichtung betrachten. Wir pse_654.007 würden so nicht ihr ganzes Dasein in den Blick bekommen. pse_654.008 Denn tatsächlich -- und wir haben es im Lauf unserer Betrachtungen pse_654.009 schon öfter erwähnen müssen -- ist jede Dichtung zugleich pse_654.010 im geschichtlichen Ablauf eingefügt. Jede Dichtung ist pse_654.011 ein Stück geschichtlicher Wirklichkeit, und es ist zu erwarten, pse_654.012 daß wir durch eine Betrachtung dieser Zusammenhänge neue pse_654.013 Einsichten in die Dichtung im allgemeinen gewinnen werden. pse_654.014 Denn was jeder einzelnen Dichtung als Merkmal zukommt, pse_654.015 offenbart zugleich einen Zug an der Dichtung überhaupt. pse_654.016 Aber es handelt sich nun nicht um literaturgeschichtliche pse_654.017 Zusammenhänge. Wir betrachten nur die allgemeinen pse_654.018 Grundzüge, die der Dichtung als geschichtlicher Wirklichkeit pse_654.019 zukommen. Diese Grundzüge sind allerdings für die Literaturgeschichte pse_654.020 sehr wichtig, denn sie geben den wissenschaftstheoretischen pse_654.021 Untergrund für alle literaturgeschichtliche Arbeit pse_654.022 und Darstellung. Eine solche zusammenhängende Darstellung pse_654.023 dieser Sicht auf die Dichtung kann aber hier nur in pse_654.024 den Grundzügen gegeben werden. Es werden oft mehr Andeutungen pse_654.025 und Beispiele als systematische Auseinanderfaltung pse_654.026 sein. Es ergeben sich in diesem Zusammenhang am besten pse_654.027 drei Fragenkreise: 1. Wie die Dichtung durch die Tatsache pse_654.028 bedingt ist, daß sie je in einer bestimmten geschichtlichen pse_654.029 Lage steht. 2. Die Fragen um die Tatsache, daß jede Dichtung pse_654.030 in mannigfaltigster Weise ein Gebrauchsgut im Leben pse_654.031 der Menschen ist. 3. Die mannigfachen Probleme um die pse_654.032 Wirkung der Dichtung.
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In ihrem Wesen als Kunstwerk ist die Dichtung ein Gebilde, pse_654.002 das über das Einmalige der geschichtlichen Lage ins Übergeschichtliche, pse_654.003 Dauernde, Absolute hineinragt. Aber das ist, pse_654.004 obwohl sehr grundlegend, doch nur eine Seite am Dasein pse_654.005 der Dichtung. Es wäre also einseitig, wollte man nur von pse_654.006 diesem dauernden Wesen her die Dichtung betrachten. Wir pse_654.007 würden so nicht ihr ganzes Dasein in den Blick bekommen. pse_654.008 Denn tatsächlich — und wir haben es im Lauf unserer Betrachtungen pse_654.009 schon öfter erwähnen müssen — ist jede Dichtung zugleich pse_654.010 im geschichtlichen Ablauf eingefügt. Jede Dichtung ist pse_654.011 ein Stück geschichtlicher Wirklichkeit, und es ist zu erwarten, pse_654.012 daß wir durch eine Betrachtung dieser Zusammenhänge neue pse_654.013 Einsichten in die Dichtung im allgemeinen gewinnen werden. pse_654.014 Denn was jeder einzelnen Dichtung als Merkmal zukommt, pse_654.015 offenbart zugleich einen Zug an der Dichtung überhaupt. pse_654.016 Aber es handelt sich nun nicht um literaturgeschichtliche pse_654.017 Zusammenhänge. Wir betrachten nur die allgemeinen pse_654.018 Grundzüge, die der Dichtung als geschichtlicher Wirklichkeit pse_654.019 zukommen. Diese Grundzüge sind allerdings für die Literaturgeschichte pse_654.020 sehr wichtig, denn sie geben den wissenschaftstheoretischen pse_654.021 Untergrund für alle literaturgeschichtliche Arbeit pse_654.022 und Darstellung. Eine solche zusammenhängende Darstellung pse_654.023 dieser Sicht auf die Dichtung kann aber hier nur in pse_654.024 den Grundzügen gegeben werden. Es werden oft mehr Andeutungen pse_654.025 und Beispiele als systematische Auseinanderfaltung pse_654.026 sein. Es ergeben sich in diesem Zusammenhang am besten pse_654.027 drei Fragenkreise: 1. Wie die Dichtung durch die Tatsache pse_654.028 bedingt ist, daß sie je in einer bestimmten geschichtlichen pse_654.029 Lage steht. 2. Die Fragen um die Tatsache, daß jede Dichtung pse_654.030 in mannigfaltigster Weise ein Gebrauchsgut im Leben pse_654.031 der Menschen ist. 3. Die mannigfachen Probleme um die pse_654.032 Wirkung der Dichtung.
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. E654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/670>, abgerufen am 24.11.2024.
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