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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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Venedig". Für eine Komödie trägt Shylock zu ernste, ja oft pse_649.002
ergreifende Züge, in seiner Entlarvung steckt mehr Erschütterung pse_649.003
als Befreiung, nur die Rettung Antonios wirkt entgegen. pse_649.004
Das Unglück Antonios mit seinen Schiffen, das furchtbare pse_649.005
Hineingeraten in die Todesbedrohtheit aus Freundestreue pse_649.006
nähern das Stück auch der Tragödie. Über allem aber pse_649.007
schwebt in unbeschwerter Heiterkeit Bassanios Liebe zu pse_649.008
Porzia, auch sie emporgewachsen aus drohenden Prüfungen. pse_649.009
Noch im letzten Augenblick wird es bedrohlich. Aber im pse_649.010
Ganzen erringt der Vorgang doch eine alle Verwirrung überwindende pse_649.011
Heiterkeit und Unbeschwertheit.

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Die andere Lustspielart ist die heiter schwebende. Drei pse_649.013
Meisterwerke dieser Art sind Lessings "Minna von Barnhelm", pse_649.014
Grillparzers "Weh dem, der lügt!" und Hofmannsthals "Der pse_649.015
Schwierige".

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In allen dreien können wir komische Züge deutlich erkennen: pse_649.017
die Szenen mit Just und dem Wirt, die mit Galomir und pse_649.018
die Gesellschaftskarikatur, die sich in Hofmannsthals Spiel pse_649.019
bemerkbar macht. Auch der Ernst dringt in allen dreien pse_649.020
stark vor: Beinahe verliert Minna ihren Tellheim, Leon droht pse_649.021
in der höchsten Not sogar Gott: "Halt mir dein heilig Wort! pse_649.022
Weh dem, der lügt!" Auch Kari scheint am Ende beinahe leer pse_649.023
auszugehen. Aber alle Spannungen und Gefahren werden pse_649.024
überwunden. Der Dichter vermag es, von hoher Warte alles pse_649.025
ins Rechte zu rücken und alles in überwindender Heiterkeit zu pse_649.026
sehen. In allen drei Stücken verdichtet sich diese errungene pse_649.027
Heiterkeit in unvergeßliche sprachliche Bilder am Ende. Nach pse_649.028
allem Wirbel und aller peinigenden Spannung bleibt am pse_649.029
Schluß der "Minna" das Dienerpaar auf der Bühne und gewinnt pse_649.030
sein schönstes Menschenglück: "Herr Wachtmeister -- pse_649.031
braucht er keine Frau Wachtmeisterin?" Bischof Gregor hat pse_649.032
seine strengen Forderungen an die Wahrheit nicht aufgegeben, pse_649.033
aber sie gelten nicht für diese irdische Welt, hier muß pse_649.034
man schon froh sein, wenn alles zum Guten gedeiht:

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Das Unkraut, merk ich, rottet man nicht aus, pse_649.036
Glück auf, wächst nur der Weizen etwa drüber.
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Kari Bühl hat endlich doch sein Glück gefunden, weil der pse_649.038
prächtige innere Kern seines Wesens alle Hülle der Ungeschicklichkeit,

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Venedig«. Für eine Komödie trägt Shylock zu ernste, ja oft pse_649.002
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nähern das Stück auch der Tragödie. Über allem aber pse_649.007
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Heiterkeit und Unbeschwertheit.

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in der höchsten Not sogar Gott: »Halt mir dein heilig Wort! pse_649.022
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ins Rechte zu rücken und alles in überwindender Heiterkeit zu pse_649.026
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Schluß der »Minna« das Dienerpaar auf der Bühne und gewinnt pse_649.030
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braucht er keine Frau Wachtmeisterin?« Bischof Gregor hat pse_649.032
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man schon froh sein, wenn alles zum Guten gedeiht:

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Das Unkraut, merk ich, rottet man nicht aus, pse_649.036
Glück auf, wächst nur der Weizen etwa drüber.
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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 649. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/665>, abgerufen am 24.11.2024.