pse_588.001 und freskoartig hingestellten, wie oft bei Calderon oder pse_588.002 in der Antike, stehen so füllige Wesen wie Hamlet, Homburg, pse_588.003 Danton, Götz, Kari Bühl in Hofmannsthals "Schwierigem". pse_588.004 Die einen wirken in ihrer Greifbarkeit, die anderen in ihrer pse_588.005 Funktion im Drama. Die einen sind verschwommen und fein pse_588.006 nuanciert wie Lear, Alkmene und der Glockengießer Heinrich pse_588.007 ("Versunkene Glocke"), wobei natürlich "verschwommen" pse_588.008 keine Abwertung bedeutet; die anderen sind klar und pse_588.009 scharf umrissen wie Franz Moor, Luise in "Kabale und pse_588.010 Liebe" und der Jedermann. Neben der direkten Darstellung, wo pse_588.011 etwa im Prolog oder gar im Personenverzeichnis (Schillers pse_588.012 "Fiesko") der Charakter kurz angedeutet wird, oder wo in pse_588.013 Dialogen über dritte und ihre Art ausführlich gesprochen pse_588.014 wird, ist im Drama vor allem das Handeln und Reden der pse_588.015 Personen charakterisierend. Die einen reden in wohlgesetzten pse_588.016 tradierten Phrasen, die anderen frisch von der Leber weg wie pse_588.017 im Alltag, andere endlich enthüllen in ihrem wesenhaften pse_588.018 Sprechen höchste Bereiche, so vor allem in den großen klassischen pse_588.019 Dramen Goethes und Schillers. In Hofmannsthals Lustspiel pse_588.020 "Der Schwierige" beruht gerade auf der Verschiedenartigkeit pse_588.021 des Redens der Humor und die Dramatik zugleich. pse_588.022 Auch die Umwelt trägt zur Charakterisierung der Gestalten pse_588.023 bei, etwa die Atmosphäre, die gewisse Gestalten ausstrahlen: pse_588.024 Alba in "Carlos", Elisabeth in "Maria Stuart".
pse_588.025 Die Gestaltenwelt eines Dramas steht in mannigfachstem pse_588.026 gegenseitigem Bezug: Zunächst hebt sich vielfach eine Hauptgestalt pse_588.027 von den anderen ab. Man nennt sie oft "Held", was pse_588.028 aber in diesem Zusammenhang nicht unbedingt heldisch bedeuten pse_588.029 muß; sondern in und um sie konzentriert sich der pse_588.030 ganze dramatische Vorgang. Sie ist die lebendige Verkörperung pse_588.031 des Hauptmotivs. Dabei hängt es ganz von der dichterischen pse_588.032 Gestaltung ab, wer aus einem Personenkreis die Hauptgestalt pse_588.033 wird. Die großen griechischen Tragiker haben oft dieselben pse_588.034 Sagen behandelt, aber vielfach sind ihre Dichtungen pse_588.035 dadurch unterschieden, daß sie eine andere Hauptgestalt haben, pse_588.036 daher den ganzen dramatischen Vorgang von einer anderen pse_588.037 Seite her beleuchten. Dabei kann die Hauptgestalt aktiv wie pse_588.038 Macbeth oder auch passiv sein. Man übersieht oft, wie häufig
pse_588.001 und freskoartig hingestellten, wie oft bei Calderón oder pse_588.002 in der Antike, stehen so füllige Wesen wie Hamlet, Homburg, pse_588.003 Danton, Götz, Kari Bühl in Hofmannsthals »Schwierigem«. pse_588.004 Die einen wirken in ihrer Greifbarkeit, die anderen in ihrer pse_588.005 Funktion im Drama. Die einen sind verschwommen und fein pse_588.006 nuanciert wie Lear, Alkmene und der Glockengießer Heinrich pse_588.007 (»Versunkene Glocke«), wobei natürlich »verschwommen« pse_588.008 keine Abwertung bedeutet; die anderen sind klar und pse_588.009 scharf umrissen wie Franz Moor, Luise in »Kabale und pse_588.010 Liebe« und der Jedermann. Neben der direkten Darstellung, wo pse_588.011 etwa im Prolog oder gar im Personenverzeichnis (Schillers pse_588.012 »Fiesko«) der Charakter kurz angedeutet wird, oder wo in pse_588.013 Dialogen über dritte und ihre Art ausführlich gesprochen pse_588.014 wird, ist im Drama vor allem das Handeln und Reden der pse_588.015 Personen charakterisierend. Die einen reden in wohlgesetzten pse_588.016 tradierten Phrasen, die anderen frisch von der Leber weg wie pse_588.017 im Alltag, andere endlich enthüllen in ihrem wesenhaften pse_588.018 Sprechen höchste Bereiche, so vor allem in den großen klassischen pse_588.019 Dramen Goethes und Schillers. In Hofmannsthals Lustspiel pse_588.020 »Der Schwierige« beruht gerade auf der Verschiedenartigkeit pse_588.021 des Redens der Humor und die Dramatik zugleich. pse_588.022 Auch die Umwelt trägt zur Charakterisierung der Gestalten pse_588.023 bei, etwa die Atmosphäre, die gewisse Gestalten ausstrahlen: pse_588.024 Alba in »Carlos«, Elisabeth in »Maria Stuart«.
pse_588.025 Die Gestaltenwelt eines Dramas steht in mannigfachstem pse_588.026 gegenseitigem Bezug: Zunächst hebt sich vielfach eine Hauptgestalt pse_588.027 von den anderen ab. Man nennt sie oft »Held«, was pse_588.028 aber in diesem Zusammenhang nicht unbedingt heldisch bedeuten pse_588.029 muß; sondern in und um sie konzentriert sich der pse_588.030 ganze dramatische Vorgang. Sie ist die lebendige Verkörperung pse_588.031 des Hauptmotivs. Dabei hängt es ganz von der dichterischen pse_588.032 Gestaltung ab, wer aus einem Personenkreis die Hauptgestalt pse_588.033 wird. Die großen griechischen Tragiker haben oft dieselben pse_588.034 Sagen behandelt, aber vielfach sind ihre Dichtungen pse_588.035 dadurch unterschieden, daß sie eine andere Hauptgestalt haben, pse_588.036 daher den ganzen dramatischen Vorgang von einer anderen pse_588.037 Seite her beleuchten. Dabei kann die Hauptgestalt aktiv wie pse_588.038 Macbeth oder auch passiv sein. Man übersieht oft, wie häufig
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Danton, Götz, Kari Bühl in Hofmannsthals »Schwierigem«. pse_588.004
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nuanciert wie Lear, Alkmene und der Glockengießer Heinrich pse_588.007
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scharf umrissen wie Franz Moor, Luise in »Kabale und pse_588.010
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»Fiesko«) der Charakter kurz angedeutet wird, oder wo in pse_588.013
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Die Gestaltenwelt eines Dramas steht in mannigfachstem pse_588.026
gegenseitigem Bezug: Zunächst hebt sich vielfach eine Hauptgestalt pse_588.027
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/604>, abgerufen am 23.11.2024.
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