pse_582.001 Mittel sind Wandelbühnen oder das Ticken und Schlagen von pse_582.002 Uhren. Wichtiger sind folgende Möglichkeiten: die Kontinuität pse_582.003 und ein vorwärtsschreitender Gesamtrhythmus; pse_582.004 Stauungen wie eben der erste Akt von "Wallensteins Tod"; pse_582.005 plötzliche Entscheidungen in kürzester Zeit wie das Auftreten pse_582.006 der alten Brigitte im "Zerbrochenen Krug"; Gleichzeitigkeit pse_582.007 hintereinander liegender Szenen wie die Ottokar- pse_582.008 und Rudolf-Teile im letzten Akt des "Ottokar"; umgekehrt pse_582.009 wirken Zwischenräume zwischen den einzelnen Akten; wirkungsvoll pse_582.010 ist auch die Spannung zwischen Szenenzeit und pse_582.011 seelischer Zeit: der 3. Akt des "Tasso" fördert weit über den pse_582.012 Streit zwischen Tasso und Antonio die ganze Hofgesellschaft pse_582.013 und ihre Einstellung: alles soll wieder eingerenkt werden, pse_582.014 Tasso erscheint kaum mehr als schuldig, beinahe mehr Antonio; pse_582.015 im 4. Akt steht Tasso noch immer in der seelischen Lage pse_582.016 nach dem Streit mit Antonio, dadurch wird die Spannung pse_582.017 mit dem Hof um so deutlicher.
pse_582.018 Der Raum durchsetzt in seiner Bedeutung den ganzen Vorgangsablauf. pse_582.019 Im "Agamemnon" des Aischylos erwirkt der pse_582.020 Wächter auf dem Dach zu Beginn Weite des Raums, Ausschau pse_582.021 und Erwartung. Die Weihe und Gottnähe des Raumes pse_582.022 bestimmt die ganze "Iphigenie". Jedes Drama hat eine natürliche pse_582.023 Ortsbasis, von der die Handlung ohne Schaden nicht pse_582.024 getrennt werden kann: man kann sich ein höfisches Drama pse_582.025 nicht im wilden Wald, den "Tell" nicht in vornehmen Zimmern pse_582.026 vorstellen. Aber diese Basis kann der Dichter nach zwei pse_582.027 Richtungen ausgestalten: entweder durch einen Zug zur pse_582.028 Wirklichkeit des Lebens; das kann ein Bemühen um den pse_582.029 "Originalschauplatz" eines Ereignisses sein (Schillers "Tell"), pse_582.030 aber auch eine Gestaltung von einem bestimmten Punkt aus: pse_582.031 Gretchens Kerker als Doppelraum; oder durch Abhebung von pse_582.032 der Wirklichkeit in nur allgemein bestimmte Räume, aber pse_582.033 auch Verdichtung in eine Art Sammelräume: im "Agamemnon" pse_582.034 hört man auf dem Vorhof, der den Raum darstellt, aus pse_582.035 dem Baderaum die Weherufe des von Klytämnestra erschlagenen pse_582.036 Agamemnon; Macbeth ermordet den König hinter der pse_582.037 Szene, man hört ihn rufen, er kommt mit blutigen Händen pse_582.038 zurück. Am bekanntesten sind hier die Mauerschauen: weite,
pse_582.001 Mittel sind Wandelbühnen oder das Ticken und Schlagen von pse_582.002 Uhren. Wichtiger sind folgende Möglichkeiten: die Kontinuität pse_582.003 und ein vorwärtsschreitender Gesamtrhythmus; pse_582.004 Stauungen wie eben der erste Akt von »Wallensteins Tod«; pse_582.005 plötzliche Entscheidungen in kürzester Zeit wie das Auftreten pse_582.006 der alten Brigitte im »Zerbrochenen Krug«; Gleichzeitigkeit pse_582.007 hintereinander liegender Szenen wie die Ottokar- pse_582.008 und Rudolf-Teile im letzten Akt des »Ottokar«; umgekehrt pse_582.009 wirken Zwischenräume zwischen den einzelnen Akten; wirkungsvoll pse_582.010 ist auch die Spannung zwischen Szenenzeit und pse_582.011 seelischer Zeit: der 3. Akt des »Tasso« fördert weit über den pse_582.012 Streit zwischen Tasso und Antonio die ganze Hofgesellschaft pse_582.013 und ihre Einstellung: alles soll wieder eingerenkt werden, pse_582.014 Tasso erscheint kaum mehr als schuldig, beinahe mehr Antonio; pse_582.015 im 4. Akt steht Tasso noch immer in der seelischen Lage pse_582.016 nach dem Streit mit Antonio, dadurch wird die Spannung pse_582.017 mit dem Hof um so deutlicher.
pse_582.018 Der Raum durchsetzt in seiner Bedeutung den ganzen Vorgangsablauf. pse_582.019 Im »Agamemnon« des Aischylos erwirkt der pse_582.020 Wächter auf dem Dach zu Beginn Weite des Raums, Ausschau pse_582.021 und Erwartung. Die Weihe und Gottnähe des Raumes pse_582.022 bestimmt die ganze »Iphigenie«. Jedes Drama hat eine natürliche pse_582.023 Ortsbasis, von der die Handlung ohne Schaden nicht pse_582.024 getrennt werden kann: man kann sich ein höfisches Drama pse_582.025 nicht im wilden Wald, den »Tell« nicht in vornehmen Zimmern pse_582.026 vorstellen. Aber diese Basis kann der Dichter nach zwei pse_582.027 Richtungen ausgestalten: entweder durch einen Zug zur pse_582.028 Wirklichkeit des Lebens; das kann ein Bemühen um den pse_582.029 »Originalschauplatz« eines Ereignisses sein (Schillers »Tell«), pse_582.030 aber auch eine Gestaltung von einem bestimmten Punkt aus: pse_582.031 Gretchens Kerker als Doppelraum; oder durch Abhebung von pse_582.032 der Wirklichkeit in nur allgemein bestimmte Räume, aber pse_582.033 auch Verdichtung in eine Art Sammelräume: im »Agamemnon« pse_582.034 hört man auf dem Vorhof, der den Raum darstellt, aus pse_582.035 dem Baderaum die Weherufe des von Klytämnestra erschlagenen pse_582.036 Agamemnon; Macbeth ermordet den König hinter der pse_582.037 Szene, man hört ihn rufen, er kommt mit blutigen Händen pse_582.038 zurück. Am bekanntesten sind hier die Mauerschauen: weite,
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Mittel sind Wandelbühnen oder das Ticken und Schlagen von pse_582.002
Uhren. Wichtiger sind folgende Möglichkeiten: die Kontinuität pse_582.003
und ein vorwärtsschreitender Gesamtrhythmus; pse_582.004
Stauungen wie eben der erste Akt von »Wallensteins Tod«; pse_582.005
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der alten Brigitte im »Zerbrochenen Krug«; Gleichzeitigkeit pse_582.007
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und Rudolf-Teile im letzten Akt des »Ottokar«; umgekehrt pse_582.009
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und ihre Einstellung: alles soll wieder eingerenkt werden, pse_582.014
Tasso erscheint kaum mehr als schuldig, beinahe mehr Antonio; pse_582.015
im 4. Akt steht Tasso noch immer in der seelischen Lage pse_582.016
nach dem Streit mit Antonio, dadurch wird die Spannung pse_582.017
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Der Raum durchsetzt in seiner Bedeutung den ganzen Vorgangsablauf. pse_582.019
Im »Agamemnon« des Aischylos erwirkt der pse_582.020
Wächter auf dem Dach zu Beginn Weite des Raums, Ausschau pse_582.021
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nicht im wilden Wald, den »Tell« nicht in vornehmen Zimmern pse_582.026
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»Originalschauplatz« eines Ereignisses sein (Schillers »Tell«), pse_582.030
aber auch eine Gestaltung von einem bestimmten Punkt aus: pse_582.031
Gretchens Kerker als Doppelraum; oder durch Abhebung von pse_582.032
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/598>, abgerufen am 22.11.2024.
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