pse_578.001 ist es mit dem Stationendrama, das nach den einzelnen Bühnenbildern pse_578.002 gegliedert wird: Stück in 8 Bildern. Im expressionistischen pse_578.003 Historienstück wird das Mode. Entweder sind die pse_578.004 Bilder wirklich Akte, oder wir stehen vor der Auflösung der pse_578.005 echt dramatischen Form, statt Einfügung und Innengliederung pse_578.006 epische Anreihung. Manche Dramen verhüllen die pse_578.007 Gliederung, so die "Braut von Messina", die in Wirklichkeit pse_578.008 streng gegliedert ist, aber in Bildern: 1. und 5. Bild die Säulenhalle, pse_578.009 2. und 4. Bild der Garten, das Mittelbild ein Innenraum. pse_578.010 Noch dazu sind die gleichen Bilder von ungefähr der pse_578.011 gleichen Länge und inhaltlicher Ähnlichkeit. Der erste Teil pse_578.012 des "Faust" ist eine einmalige, aber durchaus organisch entfaltete pse_578.013 Form, wobei besonders wieder die Gretchentragödie pse_578.014 wundervoll gegliedert und damit gebaut ist. Echte aktlose pse_578.015 Dramen sind solche, die trotzdem die volle Länge eines pse_578.016 großen Werkes haben: "Der zerbrochene Krug", "Penthesilea". pse_578.017 Es ist bei Kleist die reinste Gestaltung der Urwidersprüchlichkeit pse_578.018 mit rücksichtsloser Konsequenz: atemloses pse_578.019 Weiterstürmen, höchstens kurze Ruhestellen.
pse_578.020 Beim mehraktigen Drama können wir zwei Grundtypen pse_578.021 unterscheiden: dreiaktige und fünfaktige. Andere sind selten. pse_578.022 Die Akteinteilung ist keine Äußerlichkeit. Sie gibt dem pse_578.023 Drama ein klares architektonisches Gerüst, oder sie schafft pse_578.024 Stimmungseinheiten, die voneinander abgehoben sind, ähnlich pse_578.025 den Sätzen einer Symphonie: Kleist, Gautiers "Symphonie pse_578.026 en blanc major". Dreiakter sind vor allem in Spanien und pse_578.027 Portugal verbreitet, sie werden bis zu R. Wagner auch theoretisch pse_578.028 begründet, am bekanntesten als protasis -- epitasis -- pse_578.029 katastrophe (Donatus). Der Fünfakter ist in Frankreich, England pse_578.030 und Deutschland als geradezu klassische Norm üblich pse_578.031 geworden. Mit einem Schema nach Freytags Muster kommt pse_578.032 man aber dem inneren Aufbau eines Dramas nicht bei. Die pse_578.033 Fünfaktigkeit läßt die verschiedensten Möglichkeiten zu. pse_578.034 Bald erreicht das Drama in der Mitte eine entscheidende Höhe, pse_578.035 oder aber es kann sich gerade in der Mitte der Ablauf stauen, pse_578.036 wie oft bei Grillparzer. Das ist sogar weltbildmäßig begründet: pse_578.037 der Held gerät in eine Entscheidungslage, er soll sich pse_578.038 entscheiden, aber er will ausweichen. Da Akte also immer
pse_578.001 ist es mit dem Stationendrama, das nach den einzelnen Bühnenbildern pse_578.002 gegliedert wird: Stück in 8 Bildern. Im expressionistischen pse_578.003 Historienstück wird das Mode. Entweder sind die pse_578.004 Bilder wirklich Akte, oder wir stehen vor der Auflösung der pse_578.005 echt dramatischen Form, statt Einfügung und Innengliederung pse_578.006 epische Anreihung. Manche Dramen verhüllen die pse_578.007 Gliederung, so die »Braut von Messina«, die in Wirklichkeit pse_578.008 streng gegliedert ist, aber in Bildern: 1. und 5. Bild die Säulenhalle, pse_578.009 2. und 4. Bild der Garten, das Mittelbild ein Innenraum. pse_578.010 Noch dazu sind die gleichen Bilder von ungefähr der pse_578.011 gleichen Länge und inhaltlicher Ähnlichkeit. Der erste Teil pse_578.012 des »Faust« ist eine einmalige, aber durchaus organisch entfaltete pse_578.013 Form, wobei besonders wieder die Gretchentragödie pse_578.014 wundervoll gegliedert und damit gebaut ist. Echte aktlose pse_578.015 Dramen sind solche, die trotzdem die volle Länge eines pse_578.016 großen Werkes haben: »Der zerbrochene Krug«, »Penthesilea«. pse_578.017 Es ist bei Kleist die reinste Gestaltung der Urwidersprüchlichkeit pse_578.018 mit rücksichtsloser Konsequenz: atemloses pse_578.019 Weiterstürmen, höchstens kurze Ruhestellen.
pse_578.020 Beim mehraktigen Drama können wir zwei Grundtypen pse_578.021 unterscheiden: dreiaktige und fünfaktige. Andere sind selten. pse_578.022 Die Akteinteilung ist keine Äußerlichkeit. Sie gibt dem pse_578.023 Drama ein klares architektonisches Gerüst, oder sie schafft pse_578.024 Stimmungseinheiten, die voneinander abgehoben sind, ähnlich pse_578.025 den Sätzen einer Symphonie: Kleist, Gautiers »Symphonie pse_578.026 en blanc major«. Dreiakter sind vor allem in Spanien und pse_578.027 Portugal verbreitet, sie werden bis zu R. Wagner auch theoretisch pse_578.028 begründet, am bekanntesten als protasis — epitasis — pse_578.029 katastrophe (Donatus). Der Fünfakter ist in Frankreich, England pse_578.030 und Deutschland als geradezu klassische Norm üblich pse_578.031 geworden. Mit einem Schema nach Freytags Muster kommt pse_578.032 man aber dem inneren Aufbau eines Dramas nicht bei. Die pse_578.033 Fünfaktigkeit läßt die verschiedensten Möglichkeiten zu. pse_578.034 Bald erreicht das Drama in der Mitte eine entscheidende Höhe, pse_578.035 oder aber es kann sich gerade in der Mitte der Ablauf stauen, pse_578.036 wie oft bei Grillparzer. Das ist sogar weltbildmäßig begründet: pse_578.037 der Held gerät in eine Entscheidungslage, er soll sich pse_578.038 entscheiden, aber er will ausweichen. Da Akte also immer
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ist es mit dem Stationendrama, das nach den einzelnen Bühnenbildern pse_578.002
gegliedert wird: Stück in 8 Bildern. Im expressionistischen pse_578.003
Historienstück wird das Mode. Entweder sind die pse_578.004
Bilder wirklich Akte, oder wir stehen vor der Auflösung der pse_578.005
echt dramatischen Form, statt Einfügung und Innengliederung pse_578.006
epische Anreihung. Manche Dramen verhüllen die pse_578.007
Gliederung, so die »Braut von Messina«, die in Wirklichkeit pse_578.008
streng gegliedert ist, aber in Bildern: 1. und 5. Bild die Säulenhalle, pse_578.009
2. und 4. Bild der Garten, das Mittelbild ein Innenraum. pse_578.010
Noch dazu sind die gleichen Bilder von ungefähr der pse_578.011
gleichen Länge und inhaltlicher Ähnlichkeit. Der erste Teil pse_578.012
des »Faust« ist eine einmalige, aber durchaus organisch entfaltete pse_578.013
Form, wobei besonders wieder die Gretchentragödie pse_578.014
wundervoll gegliedert und damit gebaut ist. Echte aktlose pse_578.015
Dramen sind solche, die trotzdem die volle Länge eines pse_578.016
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Es ist bei Kleist die reinste Gestaltung der Urwidersprüchlichkeit pse_578.018
mit rücksichtsloser Konsequenz: atemloses pse_578.019
Weiterstürmen, höchstens kurze Ruhestellen.
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Beim mehraktigen Drama können wir zwei Grundtypen pse_578.021
unterscheiden: dreiaktige und fünfaktige. Andere sind selten. pse_578.022
Die Akteinteilung ist keine Äußerlichkeit. Sie gibt dem pse_578.023
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/594>, abgerufen am 22.11.2024.
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