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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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auch ein soziales Gebilde. Bei keiner anderen Dichtungsgattung pse_565.002
sind die Beziehungen zum Publikum so eng und mannigfaltig pse_565.003
wie im Drama. Damit wird deutlich, daß gerade das pse_565.004
Drama engste Zusammenhänge mit der Geschichte und der pse_565.005
Tradition hat. Die Spannungen zwischen geschichtlicher Bindung pse_565.006
und Ewigkeitswert der Dichtung sind hier also besonders pse_565.007
groß. Um das Drama kümmert sich auch sehr eingehend pse_565.008
die Theaterwissenschaft. Wir betrachten es hier vor allem als pse_565.009
Dichtung und ziehen das Theater nur so weit heran, als es für pse_565.010
das Verständnis dieser dichterischen Form notwendig ist.

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Das Wort Drama kommt aus dem griechischen Verbum pse_565.012
dran, das handeln heißt. Ob die Entwicklung des Wortes zum pse_565.013
heutigen Sinn ein Zufall ist (A. Pfeiffer) oder einen tieferen pse_565.014
Sinn offenbart, nämlich das Handeln aus eigener Entscheidung pse_565.015
in gespannter Lage (Snell) oder auch unfaßbares, frevelhaftes pse_565.016
Tun mit einschließt (Volkmann-Schluck), bleibt für pse_565.017
uns ohne Bedeutung. Im Deutschen ist es ein sehr umfassender pse_565.018
Ausdruck geworden, der jede echt dramatische Art umfaßt. pse_565.019
Im Französischen ist der Gebrauch enger. Das Wort pse_565.020
"Tragödie" weist in seinem Ursprung auf die Dionysos-Feste pse_565.021
hin, es bedeutet Bocksgesang im Hinblick auf das Bocksopfer pse_565.022
oder auf die verkleideten Sänger. Der deutsche Ausdruck pse_565.023
Trauerspiel wird von vielen in seiner Bedeutung von Tragödie pse_565.024
abgetrennt, es meine mehr das traurige, nicht das tragische pse_565.025
Drama. Wir brauchen den Unterschied nicht zu beachten. pse_565.026
Wohl aber hat vor allem die deutsche Poetik einen Unterschied pse_565.027
zwischen Komödie und Lustspiel herausgearbeitet, den pse_565.028
wir noch betrachten werden. Schauspiel ist im deutschen pse_565.029
Sprachgebrauch ganz allgemein ein ernstes Stück, dessen pse_565.030
Ende aber nicht tragisch ist: "Iphigenie", "Wilhelm Tell". Der pse_565.031
Franzose, besonders im Rahmen seiner klassischen Poetik, pse_565.032
würde solche Stücke auch als Tragödien bezeichnen.

pse_565.033
Wurzeln des Dramas und Grundlegung

pse_565.034
Schon die Betrachtung der geschichtlichen Stufen zum pse_565.035
Drama führt uns zum ersten Grundmerkmal der Dramatik. pse_565.036
Diese Stufen sind aber zugleich ewige Formen, die immer da

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auch ein soziales Gebilde. Bei keiner anderen Dichtungsgattung pse_565.002
sind die Beziehungen zum Publikum so eng und mannigfaltig pse_565.003
wie im Drama. Damit wird deutlich, daß gerade das pse_565.004
Drama engste Zusammenhänge mit der Geschichte und der pse_565.005
Tradition hat. Die Spannungen zwischen geschichtlicher Bindung pse_565.006
und Ewigkeitswert der Dichtung sind hier also besonders pse_565.007
groß. Um das Drama kümmert sich auch sehr eingehend pse_565.008
die Theaterwissenschaft. Wir betrachten es hier vor allem als pse_565.009
Dichtung und ziehen das Theater nur so weit heran, als es für pse_565.010
das Verständnis dieser dichterischen Form notwendig ist.

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Das Wort Drama kommt aus dem griechischen Verbum pse_565.012
dran, das handeln heißt. Ob die Entwicklung des Wortes zum pse_565.013
heutigen Sinn ein Zufall ist (A. Pfeiffer) oder einen tieferen pse_565.014
Sinn offenbart, nämlich das Handeln aus eigener Entscheidung pse_565.015
in gespannter Lage (Snell) oder auch unfaßbares, frevelhaftes pse_565.016
Tun mit einschließt (Volkmann-Schluck), bleibt für pse_565.017
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Ausdruck geworden, der jede echt dramatische Art umfaßt. pse_565.019
Im Französischen ist der Gebrauch enger. Das Wort pse_565.020
»Tragödie« weist in seinem Ursprung auf die Dionysos-Feste pse_565.021
hin, es bedeutet Bocksgesang im Hinblick auf das Bocksopfer pse_565.022
oder auf die verkleideten Sänger. Der deutsche Ausdruck pse_565.023
Trauerspiel wird von vielen in seiner Bedeutung von Tragödie pse_565.024
abgetrennt, es meine mehr das traurige, nicht das tragische pse_565.025
Drama. Wir brauchen den Unterschied nicht zu beachten. pse_565.026
Wohl aber hat vor allem die deutsche Poetik einen Unterschied pse_565.027
zwischen Komödie und Lustspiel herausgearbeitet, den pse_565.028
wir noch betrachten werden. Schauspiel ist im deutschen pse_565.029
Sprachgebrauch ganz allgemein ein ernstes Stück, dessen pse_565.030
Ende aber nicht tragisch ist: »Iphigenie«, »Wilhelm Tell«. Der pse_565.031
Franzose, besonders im Rahmen seiner klassischen Poetik, pse_565.032
würde solche Stücke auch als Tragödien bezeichnen.

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Wurzeln des Dramas und Grundlegung

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Schon die Betrachtung der geschichtlichen Stufen zum pse_565.035
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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/581>, abgerufen am 22.11.2024.