pse_540.001 Stücklein in einer kaum überblickbaren Masse. Die Technisierung pse_540.002 und die Bürokratisierung sind nur Zeichen dafür. pse_540.003 Daneben aber -- gleichsam als Gegengewicht -- erfaßt man nun pse_540.004 Untergründe, Tiefenschichten im Menschen, die der Psychologie pse_540.005 des 19. Jahrhunderts unbekannt waren. Dreifach ist der pse_540.006 Vorstoß in die Seelengründe, durch die das moderne Menschenbild pse_540.007 geprägt ist. Das eine sind die Bereiche, die die Tiefenpsychologie pse_540.008 erschließt. Sie leuchtet als Psychoanalyse oder pse_540.009 als Tiefenpsychologie Jungscher Prägung in die Bereiche des pse_540.010 Unter- und des Unbewußten, in die Bereiche auch, wo ältestes pse_540.011 Erbgut der Menschheit ruht und wirkt. Man erlebt nun, wie pse_540.012 aus solchen Gründen Regungen, Anstöße und Handlungsweisen pse_540.013 erwachsen und daß manchmal in bestimmten Leistungen pse_540.014 des Menschen urmenschliche Züge spürbar werden. Man pse_540.015 spricht vom Archetypischen in menschlichen Verhaltensweisen. pse_540.016 Das andere ist der Existentialismus. Der Mensch pse_540.017 fühlt sich angeekelt von der Welt, erschüttert von allem pse_540.018 Chaotischen, das keinen Halt mehr gibt, er fühlt alle Rationalität pse_540.019 diesen Lagen gegenüber sinnlos und sucht nach letztem pse_540.020 Halt, nach dem Eigentlichen des Daseins. Alle Weltoberfläche pse_540.021 der Um- und Mitwelt entfremdet sich ihm, er sucht pse_540.022 nur mehr im innersten Sein den festen Grund. Aus solcher pse_540.023 Haltung kann der Weltekel erfließen, Sartres "Nausee", der pse_540.024 Mensch hat sich am atomistischen Positivismus übersättigt. pse_540.025 Und nun zerschlägt er alle Sinnreste in Futurismus und Surrealismus. pse_540.026 Allerdings ist das nur eine Seite existentieller Haltung; pse_540.027 es kann dieses Bohren zum Daseinsgrund auch Ansatz eines pse_540.028 Neuaufbaus aus dem Innersten werden. Das dritte endlich ist pse_540.029 der Versuch, aus allem Positivismus und aller drohenden pse_540.030 Sinnlosigkeit heraus vom Innersten der menschlichen Möglichkeiten pse_540.031 her zu einer Sinngebung vorzudringen, die die pse_540.032 kahle Wirklichkeit in und um uns wieder zurückläßt, man pse_540.033 erreicht eine gewisse innerweltliche Transzendenz (Kahler), pse_540.034 vor allem sucht das Broch im "Tod des Vergil", besonders in pse_540.035 den letzten großen Partien zu gestalten.
pse_540.036 Daß dieses völlig umgebaute Menschenbild auch die pse_540.037 Romanform der früheren Zeit fragwürdig macht, ist klar. pse_540.038 Das Kollektiv führt dazu, das Einzelindividuum zurückzudrängen,
pse_540.001 Stücklein in einer kaum überblickbaren Masse. Die Technisierung pse_540.002 und die Bürokratisierung sind nur Zeichen dafür. pse_540.003 Daneben aber — gleichsam als Gegengewicht — erfaßt man nun pse_540.004 Untergründe, Tiefenschichten im Menschen, die der Psychologie pse_540.005 des 19. Jahrhunderts unbekannt waren. Dreifach ist der pse_540.006 Vorstoß in die Seelengründe, durch die das moderne Menschenbild pse_540.007 geprägt ist. Das eine sind die Bereiche, die die Tiefenpsychologie pse_540.008 erschließt. Sie leuchtet als Psychoanalyse oder pse_540.009 als Tiefenpsychologie Jungscher Prägung in die Bereiche des pse_540.010 Unter- und des Unbewußten, in die Bereiche auch, wo ältestes pse_540.011 Erbgut der Menschheit ruht und wirkt. Man erlebt nun, wie pse_540.012 aus solchen Gründen Regungen, Anstöße und Handlungsweisen pse_540.013 erwachsen und daß manchmal in bestimmten Leistungen pse_540.014 des Menschen urmenschliche Züge spürbar werden. Man pse_540.015 spricht vom Archetypischen in menschlichen Verhaltensweisen. pse_540.016 Das andere ist der Existentialismus. Der Mensch pse_540.017 fühlt sich angeekelt von der Welt, erschüttert von allem pse_540.018 Chaotischen, das keinen Halt mehr gibt, er fühlt alle Rationalität pse_540.019 diesen Lagen gegenüber sinnlos und sucht nach letztem pse_540.020 Halt, nach dem Eigentlichen des Daseins. Alle Weltoberfläche pse_540.021 der Um- und Mitwelt entfremdet sich ihm, er sucht pse_540.022 nur mehr im innersten Sein den festen Grund. Aus solcher pse_540.023 Haltung kann der Weltekel erfließen, Sartres »Nausée«, der pse_540.024 Mensch hat sich am atomistischen Positivismus übersättigt. pse_540.025 Und nun zerschlägt er alle Sinnreste in Futurismus und Surrealismus. pse_540.026 Allerdings ist das nur eine Seite existentieller Haltung; pse_540.027 es kann dieses Bohren zum Daseinsgrund auch Ansatz eines pse_540.028 Neuaufbaus aus dem Innersten werden. Das dritte endlich ist pse_540.029 der Versuch, aus allem Positivismus und aller drohenden pse_540.030 Sinnlosigkeit heraus vom Innersten der menschlichen Möglichkeiten pse_540.031 her zu einer Sinngebung vorzudringen, die die pse_540.032 kahle Wirklichkeit in und um uns wieder zurückläßt, man pse_540.033 erreicht eine gewisse innerweltliche Transzendenz (Kahler), pse_540.034 vor allem sucht das Broch im »Tod des Vergil«, besonders in pse_540.035 den letzten großen Partien zu gestalten.
pse_540.036 Daß dieses völlig umgebaute Menschenbild auch die pse_540.037 Romanform der früheren Zeit fragwürdig macht, ist klar. pse_540.038 Das Kollektiv führt dazu, das Einzelindividuum zurückzudrängen,
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Daneben aber — gleichsam als Gegengewicht — erfaßt man nun pse_540.004
Untergründe, Tiefenschichten im Menschen, die der Psychologie pse_540.005
des 19. Jahrhunderts unbekannt waren. Dreifach ist der pse_540.006
Vorstoß in die Seelengründe, durch die das moderne Menschenbild pse_540.007
geprägt ist. Das eine sind die Bereiche, die die Tiefenpsychologie pse_540.008
erschließt. Sie leuchtet als Psychoanalyse oder pse_540.009
als Tiefenpsychologie Jungscher Prägung in die Bereiche des pse_540.010
Unter- und des Unbewußten, in die Bereiche auch, wo ältestes pse_540.011
Erbgut der Menschheit ruht und wirkt. Man erlebt nun, wie pse_540.012
aus solchen Gründen Regungen, Anstöße und Handlungsweisen pse_540.013
erwachsen und daß manchmal in bestimmten Leistungen pse_540.014
des Menschen urmenschliche Züge spürbar werden. Man pse_540.015
spricht vom Archetypischen in menschlichen Verhaltensweisen. pse_540.016
Das andere ist der Existentialismus. Der Mensch pse_540.017
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Chaotischen, das keinen Halt mehr gibt, er fühlt alle Rationalität pse_540.019
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Halt, nach dem Eigentlichen des Daseins. Alle Weltoberfläche pse_540.021
der Um- und Mitwelt entfremdet sich ihm, er sucht pse_540.022
nur mehr im innersten Sein den festen Grund. Aus solcher pse_540.023
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Neuaufbaus aus dem Innersten werden. Das dritte endlich ist pse_540.029
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Sinnlosigkeit heraus vom Innersten der menschlichen Möglichkeiten pse_540.031
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kahle Wirklichkeit in und um uns wieder zurückläßt, man pse_540.033
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vor allem sucht das Broch im »Tod des Vergil«, besonders in pse_540.035
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Das Kollektiv führt dazu, das Einzelindividuum zurückzudrängen,
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/556>, abgerufen am 22.11.2024.
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