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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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Leben erscheint als Reise, so entsteht die Weite des Bildes. pse_489.002
Als Ziel erscheint die Landschaft des Grafengutes. Im "Ofterdingen" pse_489.003
herrscht die gleiche Struktur, aber hier greift der pse_489.004
Vorgang über das Irdische hinaus (im geplanten zweiten pse_489.005
Teil), ins Märchenhaft-Mythische, Unwirkliche, ins Reich pse_489.006
der Dichtung. Im "Grünen Heinrich" verläßt Heinrich das pse_489.007
Vaterhaus, erlebt den Heimatraum, dann fährt er in die Welt pse_489.008
hinaus und scheitert; er kehrt in die Heimat zurück und gewinnt pse_489.009
an ihr neuen Halt: der Kreis ist geschlossen. Im "Nachsommer" pse_489.010
gewinnt Heinrich nach einigem Suchen einen Mittelpunkt: pse_489.011
das Rosenhaus. Von hier aus gehen nun seine Bildungsausgriffe pse_489.012
als Reisen, Fahrten, sogar zu den Eltern in die pse_489.013
Großstadt, am weitesten in der Bildungsfahrt durch Europa; pse_489.014
auch der Verkehr mit Risach ist ein solcher Ausgriff im geistigen pse_489.015
Sinn. Hier erscheint eine Mitte als Bewahrendes und pse_489.016
Sammelndes. In Raabes Romanen sehen wir auch ein Suchen pse_489.017
und Erreichen eines Raumes, in dem die Sicherheit vor der pse_489.018
Welt möglich ist: Grunzenow, die Katzenmühle, die Rote pse_489.019
Schanze. Aber von hier gibt es keine Bildungsausgriffe mehr, pse_489.020
das Gemüt als Innerstes ist sich genug.

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Der Raum ist nicht bloß notwendiger Rahmen und pse_489.022
Schmuck, sondern deutet in seiner Art Tieferes an: er ist pse_489.023
Symbol. Die Möglichkeiten dazu sind mannigfaltig. Die pse_489.024
Einleitungslandschaft im "Jürg Jenatsch" ist in ihrer Herbheit pse_489.025
und Größe ein Symbol des Ernstes, der Größe der Handlung. pse_489.026
Die Art der Landschaft wirkt symbolisch: das Hochgebirge pse_489.027
versinnbildet anderes Menschliches als Heide und Ebene. pse_489.028
Eigenartig erwächst das Meer in den Erzählungen Storms pse_489.029
langsam zum Symbol des Großen, Überirdischen, Gewaltigen, pse_489.030
Unheimlichen. Diese Entfaltung erreicht ihren Höhepunkt pse_489.031
im "Schimmelreiter". Das Haus kann selbst als Ort der pse_489.032
Geborgenheit gelten, so besonders deutlich in Raabes "Stopfkuchen" pse_489.033
die Rote Schanze: sie ist der Ort der Sicherheit, wo pse_489.034
der Held ganz seinem Inneren leben kann. Der Blick in die pse_489.035
Stadt hinunter wird zum Blick ins Wertlose, der in die pse_489.036
Weite erfaßt das Hohe und zugleich Ferne. Ebenso große pse_489.037
Bedeutung gewinnt das Haus bei Stifter; daher die liebevolle pse_489.038
Ausmalung der Innenräume. Durch die Raumgestaltung wird

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Leben erscheint als Reise, so entsteht die Weite des Bildes. pse_489.002
Als Ziel erscheint die Landschaft des Grafengutes. Im »Ofterdingen« pse_489.003
herrscht die gleiche Struktur, aber hier greift der pse_489.004
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der Dichtung. Im »Grünen Heinrich« verläßt Heinrich das pse_489.007
Vaterhaus, erlebt den Heimatraum, dann fährt er in die Welt pse_489.008
hinaus und scheitert; er kehrt in die Heimat zurück und gewinnt pse_489.009
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gewinnt Heinrich nach einigem Suchen einen Mittelpunkt: pse_489.011
das Rosenhaus. Von hier aus gehen nun seine Bildungsausgriffe pse_489.012
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Großstadt, am weitesten in der Bildungsfahrt durch Europa; pse_489.014
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Welt möglich ist: Grunzenow, die Katzenmühle, die Rote pse_489.019
Schanze. Aber von hier gibt es keine Bildungsausgriffe mehr, pse_489.020
das Gemüt als Innerstes ist sich genug.

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Der Raum ist nicht bloß notwendiger Rahmen und pse_489.022
Schmuck, sondern deutet in seiner Art Tieferes an: er ist pse_489.023
Symbol. Die Möglichkeiten dazu sind mannigfaltig. Die pse_489.024
Einleitungslandschaft im »Jürg Jenatsch« ist in ihrer Herbheit pse_489.025
und Größe ein Symbol des Ernstes, der Größe der Handlung. pse_489.026
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Eigenartig erwächst das Meer in den Erzählungen Storms pse_489.029
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Unheimlichen. Diese Entfaltung erreicht ihren Höhepunkt pse_489.031
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Geborgenheit gelten, so besonders deutlich in Raabes »Stopfkuchen« pse_489.033
die Rote Schanze: sie ist der Ort der Sicherheit, wo pse_489.034
der Held ganz seinem Inneren leben kann. Der Blick in die pse_489.035
Stadt hinunter wird zum Blick ins Wertlose, der in die pse_489.036
Weite erfaßt das Hohe und zugleich Ferne. Ebenso große pse_489.037
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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/505>, abgerufen am 23.11.2024.