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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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zeichnet sich beinahe so etwas wie eine Handlung ab, wenn pse_473.002
etwa eine Art Entwicklung des Erzählers während der Abfassung pse_473.003
zu beobachten ist. Das kann man an Hyperion spüren pse_473.004
im Ablauf seiner Briefe an Bellarmin. Diese Erzählergegenwart pse_473.005
darf nicht mit der Zeit verwechselt werden, in der der pse_473.006
Autor den Roman geschrieben hat, sondern es ist eine dichterisch pse_473.007
gestaltete, wenn man will fiktive Gegenwart. Nur bei pse_473.008
Zeitbloom im "Dr. Faustus" ist es in bezug auf die Darstellung pse_473.009
durch Zeitbloom der Fall, was aber wieder Erdichtung ist. pse_473.010
Der Erzähler, der auch von diesen Aufzeichnungen erzählt pse_473.011
und der hier kaum spürbar ist, steht gleichsam darüber in einer pse_473.012
anderen Zeitschicht. Im Verhältnis zur Erzählergegenwart ist pse_473.013
die erzählte Handlung vergangen.

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Man hat ein sogenanntes subjektives und ein objektives pse_473.015
Erzählen unterschieden. Im objektiven Erzählen tritt der Erzähler pse_473.016
völlig zurück, ist so wenig als möglich spürbar. Das pse_473.017
forderte der Romanschriftsteller Friedrich Spielhagen in pse_473.018
seinen theoretischen Arbeiten. Im subjektiven Erzählen spürt pse_473.019
man deutlich an den verschiedensten Mitteln den Erzähler pse_473.020
als Menschen am Werk. Eine neuere Auffassung sucht darzulegen, pse_473.021
daß im Erzählen alles von einer Person der Erzählung pse_473.022
aus gestaltet werde; man spricht von der Ich-Origo pse_473.023
dieser Person. Sie zeigt sich besonders am Gehalt mancher pse_473.024
Vorgangswörter, der nur aus dem Inneren einer Person pse_473.025
der Erzählung geholt sein kann. Und trotzdem ist auch da pse_473.026
der Erzähler nicht ausgeschaltet, wie wir noch sehen werden. pse_473.027
Keiner der drei Standpunkte ist der einzig mögliche. Denn pse_473.028
der Erzähler vermittelt die darzustellende Welt. Die Grundsituation pse_473.029
ist also die Vermittlung. Diese kann auf die verschiedenste pse_473.030
Weise gestaltet werden. Freilich nützt der Autor pse_473.031
diese Möglichkeiten oft nicht aus, sondern erzählt in einer pse_473.032
Linie drauflos. Das ist vielfach das Zeichen gewöhnlicher pse_473.033
Unterhaltungsliteratur. Nochmals sei betont, daß die Gestalt pse_473.034
des Erzählers nie mit dem tatsächlichen Autor verwechselt pse_473.035
werden darf. Dem Erzähler fehlt das dem Autor entsprechende pse_473.036
Tatsächliche, er ist nicht mehr der ganze Autor und pse_473.037
ist oft doch wieder mehr. Freilich brechen Einstellungen des pse_473.038
Autors manchmal durch. Das Entscheidende ist, daß die

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zeichnet sich beinahe so etwas wie eine Handlung ab, wenn pse_473.002
etwa eine Art Entwicklung des Erzählers während der Abfassung pse_473.003
zu beobachten ist. Das kann man an Hyperion spüren pse_473.004
im Ablauf seiner Briefe an Bellarmin. Diese Erzählergegenwart pse_473.005
darf nicht mit der Zeit verwechselt werden, in der der pse_473.006
Autor den Roman geschrieben hat, sondern es ist eine dichterisch pse_473.007
gestaltete, wenn man will fiktive Gegenwart. Nur bei pse_473.008
Zeitbloom im »Dr. Faustus« ist es in bezug auf die Darstellung pse_473.009
durch Zeitbloom der Fall, was aber wieder Erdichtung ist. pse_473.010
Der Erzähler, der auch von diesen Aufzeichnungen erzählt pse_473.011
und der hier kaum spürbar ist, steht gleichsam darüber in einer pse_473.012
anderen Zeitschicht. Im Verhältnis zur Erzählergegenwart ist pse_473.013
die erzählte Handlung vergangen.

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Man hat ein sogenanntes subjektives und ein objektives pse_473.015
Erzählen unterschieden. Im objektiven Erzählen tritt der Erzähler pse_473.016
völlig zurück, ist so wenig als möglich spürbar. Das pse_473.017
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seinen theoretischen Arbeiten. Im subjektiven Erzählen spürt pse_473.019
man deutlich an den verschiedensten Mitteln den Erzähler pse_473.020
als Menschen am Werk. Eine neuere Auffassung sucht darzulegen, pse_473.021
daß im Erzählen alles von einer Person der Erzählung pse_473.022
aus gestaltet werde; man spricht von der Ich-Origo pse_473.023
dieser Person. Sie zeigt sich besonders am Gehalt mancher pse_473.024
Vorgangswörter, der nur aus dem Inneren einer Person pse_473.025
der Erzählung geholt sein kann. Und trotzdem ist auch da pse_473.026
der Erzähler nicht ausgeschaltet, wie wir noch sehen werden. pse_473.027
Keiner der drei Standpunkte ist der einzig mögliche. Denn pse_473.028
der Erzähler vermittelt die darzustellende Welt. Die Grundsituation pse_473.029
ist also die Vermittlung. Diese kann auf die verschiedenste pse_473.030
Weise gestaltet werden. Freilich nützt der Autor pse_473.031
diese Möglichkeiten oft nicht aus, sondern erzählt in einer pse_473.032
Linie drauflos. Das ist vielfach das Zeichen gewöhnlicher pse_473.033
Unterhaltungsliteratur. Nochmals sei betont, daß die Gestalt pse_473.034
des Erzählers nie mit dem tatsächlichen Autor verwechselt pse_473.035
werden darf. Dem Erzähler fehlt das dem Autor entsprechende pse_473.036
Tatsächliche, er ist nicht mehr der ganze Autor und pse_473.037
ist oft doch wieder mehr. Freilich brechen Einstellungen des pse_473.038
Autors manchmal durch. Das Entscheidende ist, daß die

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[473/0489] pse_473.001 zeichnet sich beinahe so etwas wie eine Handlung ab, wenn pse_473.002 etwa eine Art Entwicklung des Erzählers während der Abfassung pse_473.003 zu beobachten ist. Das kann man an Hyperion spüren pse_473.004 im Ablauf seiner Briefe an Bellarmin. Diese Erzählergegenwart pse_473.005 darf nicht mit der Zeit verwechselt werden, in der der pse_473.006 Autor den Roman geschrieben hat, sondern es ist eine dichterisch pse_473.007 gestaltete, wenn man will fiktive Gegenwart. Nur bei pse_473.008 Zeitbloom im »Dr. Faustus« ist es in bezug auf die Darstellung pse_473.009 durch Zeitbloom der Fall, was aber wieder Erdichtung ist. pse_473.010 Der Erzähler, der auch von diesen Aufzeichnungen erzählt pse_473.011 und der hier kaum spürbar ist, steht gleichsam darüber in einer pse_473.012 anderen Zeitschicht. Im Verhältnis zur Erzählergegenwart ist pse_473.013 die erzählte Handlung vergangen. pse_473.014 Man hat ein sogenanntes subjektives und ein objektives pse_473.015 Erzählen unterschieden. Im objektiven Erzählen tritt der Erzähler pse_473.016 völlig zurück, ist so wenig als möglich spürbar. Das pse_473.017 forderte der Romanschriftsteller Friedrich Spielhagen in pse_473.018 seinen theoretischen Arbeiten. Im subjektiven Erzählen spürt pse_473.019 man deutlich an den verschiedensten Mitteln den Erzähler pse_473.020 als Menschen am Werk. Eine neuere Auffassung sucht darzulegen, pse_473.021 daß im Erzählen alles von einer Person der Erzählung pse_473.022 aus gestaltet werde; man spricht von der Ich-Origo pse_473.023 dieser Person. Sie zeigt sich besonders am Gehalt mancher pse_473.024 Vorgangswörter, der nur aus dem Inneren einer Person pse_473.025 der Erzählung geholt sein kann. Und trotzdem ist auch da pse_473.026 der Erzähler nicht ausgeschaltet, wie wir noch sehen werden. pse_473.027 Keiner der drei Standpunkte ist der einzig mögliche. Denn pse_473.028 der Erzähler vermittelt die darzustellende Welt. Die Grundsituation pse_473.029 ist also die Vermittlung. Diese kann auf die verschiedenste pse_473.030 Weise gestaltet werden. Freilich nützt der Autor pse_473.031 diese Möglichkeiten oft nicht aus, sondern erzählt in einer pse_473.032 Linie drauflos. Das ist vielfach das Zeichen gewöhnlicher pse_473.033 Unterhaltungsliteratur. Nochmals sei betont, daß die Gestalt pse_473.034 des Erzählers nie mit dem tatsächlichen Autor verwechselt pse_473.035 werden darf. Dem Erzähler fehlt das dem Autor entsprechende pse_473.036 Tatsächliche, er ist nicht mehr der ganze Autor und pse_473.037 ist oft doch wieder mehr. Freilich brechen Einstellungen des pse_473.038 Autors manchmal durch. Das Entscheidende ist, daß die

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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/489>, abgerufen am 22.11.2024.