pse_466.001 finden. Jemand kommt hereingestürmt und erzählt aufgeregt pse_466.002 von etwas Furchtbarem, dessen Zeuge er eben war. Er hat pse_466.003 keine Zeit, in Ruhe und Fülle alles anschaulich auszubreiten. pse_466.004 Erregt und heftig hebt er nur besondere Höhepunkte heraus pse_466.005 und bemüht sich schlagender Kürze. Die Wirkung auf den pse_466.006 Hörer ist Spannung: "Was werde ich da noch hören?" Die pse_466.007 Gestaltung solcher Erzählweise, wenn sie einmal in den Bereich pse_466.008 der reinen Erzählkunst übergeführt wird, ist affektisch. pse_466.009 Der Ablauf wird sprunghaft hingestellt, man hat keine Zeit, pse_466.010 weil man schon auf das Kommende eingestellt ist. Es ist ein pse_466.011 Erzählen von Höhe zu Höhe, die Höhen selbst aber sind eindringlich pse_466.012 und füllig herausgehoben. Solche Erzählweise ist pse_466.013 uns aus den geschichtlichen Arten des Heldenlieds, der Ballade, pse_466.014 der Novelle und der Anekdote bekannt, abgewandelt liegt pse_466.015 sie ihnen zugrunde. Wir nennen es das knappe Erzählen.
pse_466.016 In einer anderen Ursituation setzt man sich gemütlich um pse_466.017 den Erzähler, er beginnt ruhig und ausführlich. Es tritt bei den pse_466.018 Hörern eine Entspannung ein, man hat Zeit, auf alles zu pse_466.019 achten, was während des Vorgangs noch neben dem Hauptweg pse_466.020 vor sich geht. Der Erzähler bietet eine Fülle von Einzelheiten. pse_466.021 Hier ist der Erzähler gleichmütig gestimmt. Das darf pse_466.022 nicht mit Gleichgültigkeit verwechselt werden. Es heißt nur, pse_466.023 daß er in ziemlich gleichbleibender Stimmung, entweder pse_466.024 heiter oder ernst oder gehoben durcherzählt und nicht affektisch pse_466.025 unruhig wird. Er erzählt breit weiter, ohne Sprünge, pse_466.026 Phase an Phase reihend je nach dem Gestaltungsplan, der pse_466.027 zugrunde liegt. Die Höhen ragen daher nicht steil und plötzlich pse_466.028 auf, es sind eher breite Wellenberge. Auch solches Erzählen pse_466.029 ist uns aus geschichtlichen Ausformungen bekannt: pse_466.030 das Epos, der Roman. Wir nennen es das breite Erzählen.
pse_466.031 Es kommt also nicht so sehr auf den Umfang an, dieser ist pse_466.032 vielmehr erst die Folge einer bestimmten Grundeinstellung. pse_466.033 Natürlich handelt es sich hier um rein idealisierte Typen, niemals pse_466.034 um tatsächliche geschichtliche Arten. In der Geschichte pse_466.035 verwirklichen sie sich in den mannigfachsten Ausformungen. pse_466.036 Auch treten da Verquickungen, Mischungen, Brechungen auf, pse_466.037 die aber gerade auf dem Hintergrund solcher Urtypen in ihrer pse_466.038 Eigenart erfaßt werden können. Gemeinsam ist aber beiden
pse_466.001 finden. Jemand kommt hereingestürmt und erzählt aufgeregt pse_466.002 von etwas Furchtbarem, dessen Zeuge er eben war. Er hat pse_466.003 keine Zeit, in Ruhe und Fülle alles anschaulich auszubreiten. pse_466.004 Erregt und heftig hebt er nur besondere Höhepunkte heraus pse_466.005 und bemüht sich schlagender Kürze. Die Wirkung auf den pse_466.006 Hörer ist Spannung: »Was werde ich da noch hören?« Die pse_466.007 Gestaltung solcher Erzählweise, wenn sie einmal in den Bereich pse_466.008 der reinen Erzählkunst übergeführt wird, ist affektisch. pse_466.009 Der Ablauf wird sprunghaft hingestellt, man hat keine Zeit, pse_466.010 weil man schon auf das Kommende eingestellt ist. Es ist ein pse_466.011 Erzählen von Höhe zu Höhe, die Höhen selbst aber sind eindringlich pse_466.012 und füllig herausgehoben. Solche Erzählweise ist pse_466.013 uns aus den geschichtlichen Arten des Heldenlieds, der Ballade, pse_466.014 der Novelle und der Anekdote bekannt, abgewandelt liegt pse_466.015 sie ihnen zugrunde. Wir nennen es das knappe Erzählen.
pse_466.016 In einer anderen Ursituation setzt man sich gemütlich um pse_466.017 den Erzähler, er beginnt ruhig und ausführlich. Es tritt bei den pse_466.018 Hörern eine Entspannung ein, man hat Zeit, auf alles zu pse_466.019 achten, was während des Vorgangs noch neben dem Hauptweg pse_466.020 vor sich geht. Der Erzähler bietet eine Fülle von Einzelheiten. pse_466.021 Hier ist der Erzähler gleichmütig gestimmt. Das darf pse_466.022 nicht mit Gleichgültigkeit verwechselt werden. Es heißt nur, pse_466.023 daß er in ziemlich gleichbleibender Stimmung, entweder pse_466.024 heiter oder ernst oder gehoben durcherzählt und nicht affektisch pse_466.025 unruhig wird. Er erzählt breit weiter, ohne Sprünge, pse_466.026 Phase an Phase reihend je nach dem Gestaltungsplan, der pse_466.027 zugrunde liegt. Die Höhen ragen daher nicht steil und plötzlich pse_466.028 auf, es sind eher breite Wellenberge. Auch solches Erzählen pse_466.029 ist uns aus geschichtlichen Ausformungen bekannt: pse_466.030 das Epos, der Roman. Wir nennen es das breite Erzählen.
pse_466.031 Es kommt also nicht so sehr auf den Umfang an, dieser ist pse_466.032 vielmehr erst die Folge einer bestimmten Grundeinstellung. pse_466.033 Natürlich handelt es sich hier um rein idealisierte Typen, niemals pse_466.034 um tatsächliche geschichtliche Arten. In der Geschichte pse_466.035 verwirklichen sie sich in den mannigfachsten Ausformungen. pse_466.036 Auch treten da Verquickungen, Mischungen, Brechungen auf, pse_466.037 die aber gerade auf dem Hintergrund solcher Urtypen in ihrer pse_466.038 Eigenart erfaßt werden können. Gemeinsam ist aber beiden
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von etwas Furchtbarem, dessen Zeuge er eben war. Er hat pse_466.003
keine Zeit, in Ruhe und Fülle alles anschaulich auszubreiten. pse_466.004
Erregt und heftig hebt er nur besondere Höhepunkte heraus pse_466.005
und bemüht sich schlagender Kürze. Die Wirkung auf den pse_466.006
Hörer ist Spannung: »Was werde ich da noch hören?« Die pse_466.007
Gestaltung solcher Erzählweise, wenn sie einmal in den Bereich pse_466.008
der reinen Erzählkunst übergeführt wird, ist affektisch. pse_466.009
Der Ablauf wird sprunghaft hingestellt, man hat keine Zeit, pse_466.010
weil man schon auf das Kommende eingestellt ist. Es ist ein pse_466.011
Erzählen von Höhe zu Höhe, die Höhen selbst aber sind eindringlich pse_466.012
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der Novelle und der Anekdote bekannt, abgewandelt liegt pse_466.015
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In einer anderen Ursituation setzt man sich gemütlich um pse_466.017
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Hörern eine Entspannung ein, man hat Zeit, auf alles zu pse_466.019
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vor sich geht. Der Erzähler bietet eine Fülle von Einzelheiten. pse_466.021
Hier ist der Erzähler gleichmütig gestimmt. Das darf pse_466.022
nicht mit Gleichgültigkeit verwechselt werden. Es heißt nur, pse_466.023
daß er in ziemlich gleichbleibender Stimmung, entweder pse_466.024
heiter oder ernst oder gehoben durcherzählt und nicht affektisch pse_466.025
unruhig wird. Er erzählt breit weiter, ohne Sprünge, pse_466.026
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ist uns aus geschichtlichen Ausformungen bekannt: pse_466.030
das Epos, der Roman. Wir nennen es das breite Erzählen.
pse_466.031
Es kommt also nicht so sehr auf den Umfang an, dieser ist pse_466.032
vielmehr erst die Folge einer bestimmten Grundeinstellung. pse_466.033
Natürlich handelt es sich hier um rein idealisierte Typen, niemals pse_466.034
um tatsächliche geschichtliche Arten. In der Geschichte pse_466.035
verwirklichen sie sich in den mannigfachsten Ausformungen. pse_466.036
Auch treten da Verquickungen, Mischungen, Brechungen auf, pse_466.037
die aber gerade auf dem Hintergrund solcher Urtypen in ihrer pse_466.038
Eigenart erfaßt werden können. Gemeinsam ist aber beiden
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/482>, abgerufen am 22.11.2024.
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