pse_465.001 an Homer herausarbeitet, aber es wäre einseitig, wenn man pse_465.002 die Möglichkeiten des Erzählens nur an Homer abläse. Denn pse_465.003 sicher sind auch Heldenlied, Ballade, Novelle auf die Grundform pse_465.004 des Erzählens zurückzuführen, aber nicht mit der Art pse_465.005 des zuschauenden Gleichmuts der großen Epen oder Romane pse_465.006 zusammenzubringen. Es scheinen sich also zwei Arten des pse_465.007 Erzählens abzuzeichnen.
pse_465.008 Das legt schon der Umfang des Erzählten oder die Länge pse_465.009 der Erzählung nahe. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, pse_465.010 einen großen Geschichtsumriß, also einen umfangreichen pse_465.011 Stoff, episch zu gestalten. Eine Langform dehnt das Ganze aus, pse_465.012 läßt es in der Zeit verlaufen, geht in die Tiefe des Seelischen, pse_465.013 so in vielen modernen Romanen, wo je in einem Augenblick pse_465.014 die ganzen Schichten des Bewußten und Unterbewußten pse_465.015 eines Menschen breit abgehoben werden, und liebt eine große pse_465.016 Episodenfülle. Eine Kurzform zeigt ein zerklüftetes Erzählgerüst. pse_465.017 Einzelne Phasen erscheinen nur als Hilfe und Brücke, pse_465.018 um zu etwas, was dem Erzähler viel wichtiger ist, rasch pse_465.019 hinüberzuführen. Mit der Episodenfülle aber ändert sich zugleich pse_465.020 das Grundgerüst des Erzählens. Die bloße Aufeinanderfolge pse_465.021 der einzelnen Phasen ist nicht mehr das alleinige gestaltende pse_465.022 Prinzip solchen Erzählens. Auch können große pse_465.023 Zeitspannen in einer Erzählung mehr leitmotivischen und pse_465.024 symbolischen Wert haben: sie sollen andeuten, daß mit dem pse_465.025 Geschehen ein großer Zeitraum ausgefüllt wird, sie sollen den pse_465.026 Eindruck der Fülle in der Zeit gewähren. Aber man darf dann pse_465.027 nicht mehr zu rechnen anfangen. Epenhelden altern nicht: pse_465.028 Odysseus, Nestor (er ist immer alt), Giselher, der immer der pse_465.029 Junge bleibt, auch Siegfried und teilweise Kriemhild. Die pse_465.030 einmal gewählte Größenordnung, die der Dichter einem pse_465.031 epischen Werk zugrundelegt, ist maßgebend für das, was pse_465.032 überhaupt in diesem gebracht oder nicht gebracht werden pse_465.033 kann.
pse_465.034 So ist also schon Länge und Kürze einer Erzählung keine pse_465.035 bloße Äußerlichkeit, sondern bedingt Gestaltungsunterschiede. pse_465.036 Aber die Frage des Umfangs führt nur hin zu einer pse_465.037 ganz wesentlichen Unterscheidung zweier Erzählweisen. pse_465.038 Auch für sie können wir jederzeit Lagen im Alltagsleben
pse_465.001 an Homer herausarbeitet, aber es wäre einseitig, wenn man pse_465.002 die Möglichkeiten des Erzählens nur an Homer abläse. Denn pse_465.003 sicher sind auch Heldenlied, Ballade, Novelle auf die Grundform pse_465.004 des Erzählens zurückzuführen, aber nicht mit der Art pse_465.005 des zuschauenden Gleichmuts der großen Epen oder Romane pse_465.006 zusammenzubringen. Es scheinen sich also zwei Arten des pse_465.007 Erzählens abzuzeichnen.
pse_465.008 Das legt schon der Umfang des Erzählten oder die Länge pse_465.009 der Erzählung nahe. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, pse_465.010 einen großen Geschichtsumriß, also einen umfangreichen pse_465.011 Stoff, episch zu gestalten. Eine Langform dehnt das Ganze aus, pse_465.012 läßt es in der Zeit verlaufen, geht in die Tiefe des Seelischen, pse_465.013 so in vielen modernen Romanen, wo je in einem Augenblick pse_465.014 die ganzen Schichten des Bewußten und Unterbewußten pse_465.015 eines Menschen breit abgehoben werden, und liebt eine große pse_465.016 Episodenfülle. Eine Kurzform zeigt ein zerklüftetes Erzählgerüst. pse_465.017 Einzelne Phasen erscheinen nur als Hilfe und Brücke, pse_465.018 um zu etwas, was dem Erzähler viel wichtiger ist, rasch pse_465.019 hinüberzuführen. Mit der Episodenfülle aber ändert sich zugleich pse_465.020 das Grundgerüst des Erzählens. Die bloße Aufeinanderfolge pse_465.021 der einzelnen Phasen ist nicht mehr das alleinige gestaltende pse_465.022 Prinzip solchen Erzählens. Auch können große pse_465.023 Zeitspannen in einer Erzählung mehr leitmotivischen und pse_465.024 symbolischen Wert haben: sie sollen andeuten, daß mit dem pse_465.025 Geschehen ein großer Zeitraum ausgefüllt wird, sie sollen den pse_465.026 Eindruck der Fülle in der Zeit gewähren. Aber man darf dann pse_465.027 nicht mehr zu rechnen anfangen. Epenhelden altern nicht: pse_465.028 Odysseus, Nestor (er ist immer alt), Giselher, der immer der pse_465.029 Junge bleibt, auch Siegfried und teilweise Kriemhild. Die pse_465.030 einmal gewählte Größenordnung, die der Dichter einem pse_465.031 epischen Werk zugrundelegt, ist maßgebend für das, was pse_465.032 überhaupt in diesem gebracht oder nicht gebracht werden pse_465.033 kann.
pse_465.034 So ist also schon Länge und Kürze einer Erzählung keine pse_465.035 bloße Äußerlichkeit, sondern bedingt Gestaltungsunterschiede. pse_465.036 Aber die Frage des Umfangs führt nur hin zu einer pse_465.037 ganz wesentlichen Unterscheidung zweier Erzählweisen. pse_465.038 Auch für sie können wir jederzeit Lagen im Alltagsleben
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sicher sind auch Heldenlied, Ballade, Novelle auf die Grundform pse_465.004
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Das legt schon der Umfang des Erzählten oder die Länge pse_465.009
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einen großen Geschichtsumriß, also einen umfangreichen pse_465.011
Stoff, episch zu gestalten. Eine Langform dehnt das Ganze aus, pse_465.012
läßt es in der Zeit verlaufen, geht in die Tiefe des Seelischen, pse_465.013
so in vielen modernen Romanen, wo je in einem Augenblick pse_465.014
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Zeitspannen in einer Erzählung mehr leitmotivischen und pse_465.024
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nicht mehr zu rechnen anfangen. Epenhelden altern nicht: pse_465.028
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einmal gewählte Größenordnung, die der Dichter einem pse_465.031
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überhaupt in diesem gebracht oder nicht gebracht werden pse_465.033
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So ist also schon Länge und Kürze einer Erzählung keine pse_465.035
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/481>, abgerufen am 22.11.2024.
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