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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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und bald Elektronengehirnen, schaffen pse_430.002
neue Gedankenbereiche, neue Rationalismen. Das Entscheidende pse_430.003
aber ist nun das Erlebnis. Wenn irgendwo in der Poetik, pse_430.004
spielt es hier eine Rolle, damit man in diesem Bereich der pse_430.005
Lyrik festen Boden habe und klare Entscheidungen fällen pse_430.006
könne. Wenn die Gedanken an die unendlichen Sternenwelten pse_430.007
außerhalb unseres Milchstraßensystems, an die Möglichkeit, pse_430.008
mit unseren Teleskopen nicht nur in ungeahnte örtliche Fernen, pse_430.009
sondern damit zurück in unendliche Zeiträume schauen pse_430.010
zu können, an die reich gegliederte Welt eines Atoms, an pse_430.011
die technischen Schöpfungen der modernen Menschheit pse_430.012
einen Menschen zutiefst erregen und innerlich aufwühlen und pse_430.013
dieser Mensch Dichter ist, das heißt hier Schöpfer im Bereich pse_430.014
der Sprachkunst: warum sollen seine Schöpfungen nicht auch pse_430.015
Dichtungen sein? Die innere Aufgeschlossenheit und Erregbarkeit pse_430.016
zusammen mit der sprachschöpferischen Fähigkeit pse_430.017
sind hier wie überall in der Dichtung Grundlage. Aus einer pse_430.018
solchen Bestimmung der Gedankenlyrik, wobei der Ausdruck pse_430.019
"Gedanke" vielleicht wirklich etwas gedehnt ist, ergibt sich pse_430.020
auch, daß die schlichte Form des Liedes kaum dafür in Betracht pse_430.021
kommt, denn um innige Erlebnisse des Verschmelzens pse_430.022
kann es hier nicht gehen. Daher sind alle anderen Formen, die pse_430.023
eine Gehobenheit, eine Angespanntheit zur Grundlage haben, pse_430.024
Rahmenmöglichkeiten der Gedankenlyrik: Sonett, Ode, pse_430.025
Hymne, auch der Gesang. Zeiten geistiger Hochkultur wie die pse_430.026
Epoche des deutschen Idealismus werden also beim Vorhandensein pse_430.027
dichterischer Schöpferkräfte immer auch Zeiten pse_430.028
echter Gedankenlyrik sein. Goethes Gedichte zur Naturphilosophie, pse_430.029
vor allem die, die er unter dem Titel "Gott und pse_430.030
Welt" gesammelt hat, Schillers sogenannte Ideendichtungen pse_430.031
sind Beispiele dafür. In den beiden Schlußstrophen des Gedichtes pse_430.032
"Das Ideal und das Leben", das in seiner Ganzheit nicht pse_430.033
voll gelungen ist und um das er verschiedentlich gerungen pse_430.034
hat, ist dem Dichter sein Lieblingsgedanke, der Durchbruch pse_430.035
des Menschen zum rein geistigen Wesen, zur Welt der Ideale, pse_430.036
in einem eindringlichen Symbol, der Gestalt des Herakles und pse_430.037
seinem Schicksal, dichterisch Gestalt geworden:

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neue Gedankenbereiche, neue Rationalismen. Das Entscheidende pse_430.003
aber ist nun das Erlebnis. Wenn irgendwo in der Poetik, pse_430.004
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mit unseren Teleskopen nicht nur in ungeahnte örtliche Fernen, pse_430.009
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»Gedanke« vielleicht wirklich etwas gedehnt ist, ergibt sich pse_430.020
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eine Gehobenheit, eine Angespanntheit zur Grundlage haben, pse_430.024
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Hymne, auch der Gesang. Zeiten geistiger Hochkultur wie die pse_430.026
Epoche des deutschen Idealismus werden also beim Vorhandensein pse_430.027
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echter Gedankenlyrik sein. Goethes Gedichte zur Naturphilosophie, pse_430.029
vor allem die, die er unter dem Titel »Gott und pse_430.030
Welt« gesammelt hat, Schillers sogenannte Ideendichtungen pse_430.031
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»Das Ideal und das Leben«, das in seiner Ganzheit nicht pse_430.033
voll gelungen ist und um das er verschiedentlich gerungen pse_430.034
hat, ist dem Dichter sein Lieblingsgedanke, der Durchbruch pse_430.035
des Menschen zum rein geistigen Wesen, zur Welt der Ideale, pse_430.036
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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/446>, abgerufen am 22.11.2024.