pse_413.001 gesetzt sind, sondern man will aus der Sprache Neues pse_413.002 herausholen. Mit anderen Worten: die Sprache soll ihrer pse_413.003 ökonomisierenden Verflachung enthoben werden. Das ist pse_413.004 eine sehr bedeutsame Seite der modernen Lyrik. So merkwürdig pse_413.005 ihre Versuche oft sein mögen, sie steht da in einer pse_413.006 großen Tradition, der alle großen Lyriker angehören: Sprache pse_413.007 als geheimnisvolle und schöpferische Kraft. Das versucht auf pse_413.008 ihre Weise die poesie pure der Franzosen. Mallarme meint pse_413.009 damit die Reinheit der Wesenserfassung durch die Sprache, pse_413.010 die Befreiung von allen alltäglich-ökonomisierten Beimengungen. pse_413.011 Ein Beispiel der Phantasie in der Sprache statt jeglicher pse_413.012 Art von Mitteilung. Die Gefahr beginnt dort, wo nun pse_413.013 Dichter -- noch nicht Mallarme -- in diesem Wesenhaften pse_413.014 das rein Klangliche meinten und damit auf der anderen Seite pse_413.015 das Wesen der Sprache verfehlten, da sie nicht nur Klang ist. pse_413.016 In diesem schöpferischen Spiel mit der Sprache lebt die alte pse_413.017 Sprachmagie auf: daß man mit den Worten der Sprache pse_413.018 nicht nur die Dinge benennt, sondern sie in seine Gewalt pse_413.019 bekommt, sie hat oder bannt. Nur besteht in moderner Lyrik pse_413.020 wieder die Gefahr, daß man zu sehr nur die Wirkungen der pse_413.021 Sprachlautungen sucht. Freilich werden so die tiefen Werte pse_413.022 und Wirkungen der Lautungen wieder lebendig, wird die pse_413.023 Sprache bereichert und zugleich das Menschliche betont. pse_413.024 Denn in den Werten der Lautungen wirkt eindeutig das pse_413.025 Menschliche. Aber wenn der Sinn zu Sinnlosigkeit wird, pse_413.026 wenn Lautgebilde geformt werden, die keine Worte mehr pse_413.027 sind oder nur noch an bekannte Worte anklingen, dann wird pse_413.028 eben die Frage wieder brennend, ob das noch Sprache ist, pse_413.029 und damit auch: noch Dichtung.
pse_413.030 Wir kommen damit zu einer Technik in moderner Dichtung pse_413.031 überhaupt, die aber besonders in der Lyrik auffällt: die pse_413.032 Montage. Zunächst meinte Benn damit das Aneinanderfügen pse_413.033 von dichtesten Bildern, aus deren Zusammenwirken sich erst pse_413.034 der Gesamtgehalt ergibt. Zum Beispiel:
pse_413.035
Ein Wort --, ein Glanz, ein Flug, ein Feuer,pse_413.036 ein Flammenruf, ein Sternenstrich --,pse_413.037 und wieder Dunkel, ungeheuer,pse_413.038 im leeren Raum um Welt und Ich.
pse_413.001 gesetzt sind, sondern man will aus der Sprache Neues pse_413.002 herausholen. Mit anderen Worten: die Sprache soll ihrer pse_413.003 ökonomisierenden Verflachung enthoben werden. Das ist pse_413.004 eine sehr bedeutsame Seite der modernen Lyrik. So merkwürdig pse_413.005 ihre Versuche oft sein mögen, sie steht da in einer pse_413.006 großen Tradition, der alle großen Lyriker angehören: Sprache pse_413.007 als geheimnisvolle und schöpferische Kraft. Das versucht auf pse_413.008 ihre Weise die poésie pure der Franzosen. Mallarmé meint pse_413.009 damit die Reinheit der Wesenserfassung durch die Sprache, pse_413.010 die Befreiung von allen alltäglich-ökonomisierten Beimengungen. pse_413.011 Ein Beispiel der Phantasie in der Sprache statt jeglicher pse_413.012 Art von Mitteilung. Die Gefahr beginnt dort, wo nun pse_413.013 Dichter — noch nicht Mallarmé — in diesem Wesenhaften pse_413.014 das rein Klangliche meinten und damit auf der anderen Seite pse_413.015 das Wesen der Sprache verfehlten, da sie nicht nur Klang ist. pse_413.016 In diesem schöpferischen Spiel mit der Sprache lebt die alte pse_413.017 Sprachmagie auf: daß man mit den Worten der Sprache pse_413.018 nicht nur die Dinge benennt, sondern sie in seine Gewalt pse_413.019 bekommt, sie hat oder bannt. Nur besteht in moderner Lyrik pse_413.020 wieder die Gefahr, daß man zu sehr nur die Wirkungen der pse_413.021 Sprachlautungen sucht. Freilich werden so die tiefen Werte pse_413.022 und Wirkungen der Lautungen wieder lebendig, wird die pse_413.023 Sprache bereichert und zugleich das Menschliche betont. pse_413.024 Denn in den Werten der Lautungen wirkt eindeutig das pse_413.025 Menschliche. Aber wenn der Sinn zu Sinnlosigkeit wird, pse_413.026 wenn Lautgebilde geformt werden, die keine Worte mehr pse_413.027 sind oder nur noch an bekannte Worte anklingen, dann wird pse_413.028 eben die Frage wieder brennend, ob das noch Sprache ist, pse_413.029 und damit auch: noch Dichtung.
pse_413.030 Wir kommen damit zu einer Technik in moderner Dichtung pse_413.031 überhaupt, die aber besonders in der Lyrik auffällt: die pse_413.032 Montage. Zunächst meinte Benn damit das Aneinanderfügen pse_413.033 von dichtesten Bildern, aus deren Zusammenwirken sich erst pse_413.034 der Gesamtgehalt ergibt. Zum Beispiel:
pse_413.035
Ein Wort —, ein Glanz, ein Flug, ein Feuer,pse_413.036 ein Flammenruf, ein Sternenstrich —,pse_413.037 und wieder Dunkel, ungeheuer,pse_413.038 im leeren Raum um Welt und Ich.
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gesetzt sind, sondern man will aus der Sprache Neues pse_413.002
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ökonomisierenden Verflachung enthoben werden. Das ist pse_413.004
eine sehr bedeutsame Seite der modernen Lyrik. So merkwürdig pse_413.005
ihre Versuche oft sein mögen, sie steht da in einer pse_413.006
großen Tradition, der alle großen Lyriker angehören: Sprache pse_413.007
als geheimnisvolle und schöpferische Kraft. Das versucht auf pse_413.008
ihre Weise die poésie pure der Franzosen. Mallarmé meint pse_413.009
damit die Reinheit der Wesenserfassung durch die Sprache, pse_413.010
die Befreiung von allen alltäglich-ökonomisierten Beimengungen. pse_413.011
Ein Beispiel der Phantasie in der Sprache statt jeglicher pse_413.012
Art von Mitteilung. Die Gefahr beginnt dort, wo nun pse_413.013
Dichter — noch nicht Mallarmé — in diesem Wesenhaften pse_413.014
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Sprachlautungen sucht. Freilich werden so die tiefen Werte pse_413.022
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eben die Frage wieder brennend, ob das noch Sprache ist, pse_413.029
und damit auch: noch Dichtung.
pse_413.030
Wir kommen damit zu einer Technik in moderner Dichtung pse_413.031
überhaupt, die aber besonders in der Lyrik auffällt: die pse_413.032
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von dichtesten Bildern, aus deren Zusammenwirken sich erst pse_413.034
der Gesamtgehalt ergibt. Zum Beispiel:
pse_413.035
Ein Wort —, ein Glanz, ein Flug, ein Feuer, pse_413.036
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im leeren Raum um Welt und Ich.
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/429>, abgerufen am 22.11.2024.
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