pse_317.001 IV pse_317.002 GESAMTBLICK UND WERTUNG
pse_317.003 Vielschichtigkeit der Dichtung
pse_317.004 Die bisherige Betrachtung der Dichtung hat eine große pse_317.005 Vielseitigkeit der Gesichtspunkte gezeigt, von denen aus sich pse_317.006 die Eigenart der Dichtung offenbart. Zur übersichtlichen pse_317.007 Ordnung der Seiten, von denen aus wir die Dichtung betrachten, pse_317.008 haben wir zuerst mehr den Gehalt, dann die Gestalt pse_317.009 einer Dichtung beobachtet. Vom Gehalt aus haben sich pse_317.010 vier Punkte ergeben: 1. Welchen Bezug die Dichtung zur pse_317.011 außersprachlichen Wirklichkeit hat, welchen Ausschnitt sie pse_317.012 gibt, mit welcher Einstellung, wie sie diesen Ausschnitt umformt pse_317.013 und neu gestaltet. 2. Wie sie die jeder Dichtung eigene pse_317.014 Verwesentlichung des Gestalteten leistet, also zum Dauernden, pse_317.015 Tiefen, zum Wesen vordringt. 3. Wie das Menschliche pse_317.016 sich in der Dichtung auswirkt, da ja doch jede Dichtung das pse_317.017 Werk eines menschlichen Schöpfers ist, von dessen Art sie pse_317.018 sich nie ganz trennen kann. 4. Welche menschlich-dichterische pse_317.019 Weltauffassung in der Dichtung geprägt ist. Von der Gestaltung pse_317.020 her haben wir zuerst die sprachkünstlerischen Kräfte pse_317.021 dargestellt: von den vielen einzelnen Elementen, in denen pse_317.022 sich schon künstlerische Möglichkeiten zeigen, über die Stilkräfte pse_317.023 und ihre mannigfaltige Verflechtung, wo erst die Elemente pse_317.024 zu wirken beginnen, bis zu den Stilarten, in denen sich pse_317.025 erst die stilistische Eigengeprägtheit einer Dichtung zeigt, pse_317.026 hat sich uns die ganze Verflochtenheit und der Reichtum pse_317.027 künstlerischer Werte der Sprache gezeigt, ohne die Dichtung pse_317.028 nicht sein kann. Aber die Sprachkunst genügt nicht. Der Aufbau pse_317.029 einer Dichtung in seinen Gliedern und Kräften, und wie pse_317.030 er sich in der Bindung der Glieder und in ihrer gegenseitigen pse_317.031 Gespanntheit entfaltet, ist ebenso wichtig. Dazu treten die pse_317.032 Gestaltungsebenen und ihre Mischungen, auf denen sich eine pse_317.033 Dichtung bewegt, und endlich die Gestaltungsformen, wie
pse_317.001 IV pse_317.002 GESAMTBLICK UND WERTUNG
pse_317.003 Vielschichtigkeit der Dichtung
pse_317.004 Die bisherige Betrachtung der Dichtung hat eine große pse_317.005 Vielseitigkeit der Gesichtspunkte gezeigt, von denen aus sich pse_317.006 die Eigenart der Dichtung offenbart. Zur übersichtlichen pse_317.007 Ordnung der Seiten, von denen aus wir die Dichtung betrachten, pse_317.008 haben wir zuerst mehr den Gehalt, dann die Gestalt pse_317.009 einer Dichtung beobachtet. Vom Gehalt aus haben sich pse_317.010 vier Punkte ergeben: 1. Welchen Bezug die Dichtung zur pse_317.011 außersprachlichen Wirklichkeit hat, welchen Ausschnitt sie pse_317.012 gibt, mit welcher Einstellung, wie sie diesen Ausschnitt umformt pse_317.013 und neu gestaltet. 2. Wie sie die jeder Dichtung eigene pse_317.014 Verwesentlichung des Gestalteten leistet, also zum Dauernden, pse_317.015 Tiefen, zum Wesen vordringt. 3. Wie das Menschliche pse_317.016 sich in der Dichtung auswirkt, da ja doch jede Dichtung das pse_317.017 Werk eines menschlichen Schöpfers ist, von dessen Art sie pse_317.018 sich nie ganz trennen kann. 4. Welche menschlich-dichterische pse_317.019 Weltauffassung in der Dichtung geprägt ist. Von der Gestaltung pse_317.020 her haben wir zuerst die sprachkünstlerischen Kräfte pse_317.021 dargestellt: von den vielen einzelnen Elementen, in denen pse_317.022 sich schon künstlerische Möglichkeiten zeigen, über die Stilkräfte pse_317.023 und ihre mannigfaltige Verflechtung, wo erst die Elemente pse_317.024 zu wirken beginnen, bis zu den Stilarten, in denen sich pse_317.025 erst die stilistische Eigengeprägtheit einer Dichtung zeigt, pse_317.026 hat sich uns die ganze Verflochtenheit und der Reichtum pse_317.027 künstlerischer Werte der Sprache gezeigt, ohne die Dichtung pse_317.028 nicht sein kann. Aber die Sprachkunst genügt nicht. Der Aufbau pse_317.029 einer Dichtung in seinen Gliedern und Kräften, und wie pse_317.030 er sich in der Bindung der Glieder und in ihrer gegenseitigen pse_317.031 Gespanntheit entfaltet, ist ebenso wichtig. Dazu treten die pse_317.032 Gestaltungsebenen und ihre Mischungen, auf denen sich eine pse_317.033 Dichtung bewegt, und endlich die Gestaltungsformen, wie
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GESAMTBLICK UND WERTUNG pse_317.003
Vielschichtigkeit der Dichtung pse_317.004
Die bisherige Betrachtung der Dichtung hat eine große pse_317.005
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die Eigenart der Dichtung offenbart. Zur übersichtlichen pse_317.007
Ordnung der Seiten, von denen aus wir die Dichtung betrachten, pse_317.008
haben wir zuerst mehr den Gehalt, dann die Gestalt pse_317.009
einer Dichtung beobachtet. Vom Gehalt aus haben sich pse_317.010
vier Punkte ergeben: 1. Welchen Bezug die Dichtung zur pse_317.011
außersprachlichen Wirklichkeit hat, welchen Ausschnitt sie pse_317.012
gibt, mit welcher Einstellung, wie sie diesen Ausschnitt umformt pse_317.013
und neu gestaltet. 2. Wie sie die jeder Dichtung eigene pse_317.014
Verwesentlichung des Gestalteten leistet, also zum Dauernden, pse_317.015
Tiefen, zum Wesen vordringt. 3. Wie das Menschliche pse_317.016
sich in der Dichtung auswirkt, da ja doch jede Dichtung das pse_317.017
Werk eines menschlichen Schöpfers ist, von dessen Art sie pse_317.018
sich nie ganz trennen kann. 4. Welche menschlich-dichterische pse_317.019
Weltauffassung in der Dichtung geprägt ist. Von der Gestaltung pse_317.020
her haben wir zuerst die sprachkünstlerischen Kräfte pse_317.021
dargestellt: von den vielen einzelnen Elementen, in denen pse_317.022
sich schon künstlerische Möglichkeiten zeigen, über die Stilkräfte pse_317.023
und ihre mannigfaltige Verflechtung, wo erst die Elemente pse_317.024
zu wirken beginnen, bis zu den Stilarten, in denen sich pse_317.025
erst die stilistische Eigengeprägtheit einer Dichtung zeigt, pse_317.026
hat sich uns die ganze Verflochtenheit und der Reichtum pse_317.027
künstlerischer Werte der Sprache gezeigt, ohne die Dichtung pse_317.028
nicht sein kann. Aber die Sprachkunst genügt nicht. Der Aufbau pse_317.029
einer Dichtung in seinen Gliedern und Kräften, und wie pse_317.030
er sich in der Bindung der Glieder und in ihrer gegenseitigen pse_317.031
Gespanntheit entfaltet, ist ebenso wichtig. Dazu treten die pse_317.032
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. E317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/333>, abgerufen am 22.11.2024.
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