In diesem Weltbild liegt auch der Sprachstil des Barock begründet. pse_314.002 In der Spannung von Diesseits und Jenseits ist einerseits pse_314.003 das Statische, anderseits auch die dauernde Bewegung pse_314.004 begründet, in der die Spannung ihre dynamische Kraft entfaltet. pse_314.005 Auch der immer wiederkehrende Stilzug der Antithese pse_314.006 gestaltet die weltanschauliche Gespanntheit. Der Mensch pse_314.007 steht in diesem Kosmos als der Ergriffene, er erlebt die Allmacht pse_314.008 und Größe Gottes, die Buntheit der Welt: daher die pse_314.009 großen Worte, das Rauschhafte, das Gewaltige. In der Verskunst pse_314.010 des Barock kommen ebenfalls die beiden Elemente des pse_314.011 Statischen und des Dynamischen zum Ausdruck: in der strengen pse_314.012 Form des Alexandriners und der scharf abschließenden pse_314.013 des Epigramms das in sich Ruhende, in den großen Reihenbildungen pse_314.014 und der Wucht der vom Vorgangswort getragenen pse_314.015 Bewegung das Dynamische. Das Rauschhafte und Überwältigende pse_314.016 im strengen Maß ist der Zug des Barock, wo sich pse_314.017 Manierismus am wenigsten aufdrängen will. Der gleiche Zug pse_314.018 der Spannung zwischen zwei Gegensätzen zeigt sich auch im pse_314.019 Aufbau. Auf der einen Seite sind barocke Dichtungen von pse_314.020 strenger Architektur, rational durchdacht, in der Handlungsfülle pse_314.021 besonders der Romane so konstruiert, daß alles aufgeht pse_314.022 und sich löst trotz aller Verwicklungen, Verkleidungen, Verkennungen: pse_314.023 ein Riesenapparat, der klaglos funktioniert wie pse_314.024 das Planetensystem nach den Gesetzen, die Kepler damals pse_314.025 entdeckt hat. Aber auf der anderen Seite wird diese Konstruktion pse_314.026 verborgen im Prachtmantel der Handlungsfülle, pse_314.027 der aufwühlenden Vorgänge, dem scheinbar planlosen Hin pse_314.028 und Her zwischen den Personen. So geht eine dauernde pse_314.029 mächtige Bewegung durch das Ganze solcher großer Dichtungen. pse_314.030 Und doch auch hier das Statische: dadurch wird es pse_314.031 erreicht, daß jeder Teil, besonders im Dasein der dargestellten pse_314.032 und handelnden Menschen, weniger Glied einer fortlaufenden pse_314.033 Kette ist als vielmehr immer in bestimmtem Bezug zum pse_314.034 Jenseits gebracht wird.
pse_314.035 Ganz anders als Manierismus und Barock ist die romantischepse_314.036 Gestaltungsform. Das Romantische bietet so viele Seiten in pse_314.037 der künstlerischen Gestaltung, daß man kaum imstande ist, pse_314.038 eine Einheit in der schillernden Buntheit zu erkennen. Vielleicht
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In diesem Weltbild liegt auch der Sprachstil des Barock begründet. pse_314.002 In der Spannung von Diesseits und Jenseits ist einerseits pse_314.003 das Statische, anderseits auch die dauernde Bewegung pse_314.004 begründet, in der die Spannung ihre dynamische Kraft entfaltet. pse_314.005 Auch der immer wiederkehrende Stilzug der Antithese pse_314.006 gestaltet die weltanschauliche Gespanntheit. Der Mensch pse_314.007 steht in diesem Kosmos als der Ergriffene, er erlebt die Allmacht pse_314.008 und Größe Gottes, die Buntheit der Welt: daher die pse_314.009 großen Worte, das Rauschhafte, das Gewaltige. In der Verskunst pse_314.010 des Barock kommen ebenfalls die beiden Elemente des pse_314.011 Statischen und des Dynamischen zum Ausdruck: in der strengen pse_314.012 Form des Alexandriners und der scharf abschließenden pse_314.013 des Epigramms das in sich Ruhende, in den großen Reihenbildungen pse_314.014 und der Wucht der vom Vorgangswort getragenen pse_314.015 Bewegung das Dynamische. Das Rauschhafte und Überwältigende pse_314.016 im strengen Maß ist der Zug des Barock, wo sich pse_314.017 Manierismus am wenigsten aufdrängen will. Der gleiche Zug pse_314.018 der Spannung zwischen zwei Gegensätzen zeigt sich auch im pse_314.019 Aufbau. Auf der einen Seite sind barocke Dichtungen von pse_314.020 strenger Architektur, rational durchdacht, in der Handlungsfülle pse_314.021 besonders der Romane so konstruiert, daß alles aufgeht pse_314.022 und sich löst trotz aller Verwicklungen, Verkleidungen, Verkennungen: pse_314.023 ein Riesenapparat, der klaglos funktioniert wie pse_314.024 das Planetensystem nach den Gesetzen, die Kepler damals pse_314.025 entdeckt hat. Aber auf der anderen Seite wird diese Konstruktion pse_314.026 verborgen im Prachtmantel der Handlungsfülle, pse_314.027 der aufwühlenden Vorgänge, dem scheinbar planlosen Hin pse_314.028 und Her zwischen den Personen. So geht eine dauernde pse_314.029 mächtige Bewegung durch das Ganze solcher großer Dichtungen. pse_314.030 Und doch auch hier das Statische: dadurch wird es pse_314.031 erreicht, daß jeder Teil, besonders im Dasein der dargestellten pse_314.032 und handelnden Menschen, weniger Glied einer fortlaufenden pse_314.033 Kette ist als vielmehr immer in bestimmtem Bezug zum pse_314.034 Jenseits gebracht wird.
pse_314.035 Ganz anders als Manierismus und Barock ist die romantischepse_314.036 Gestaltungsform. Das Romantische bietet so viele Seiten in pse_314.037 der künstlerischen Gestaltung, daß man kaum imstande ist, pse_314.038 eine Einheit in der schillernden Buntheit zu erkennen. Vielleicht
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Auch der immer wiederkehrende Stilzug der Antithese pse_314.006
gestaltet die weltanschauliche Gespanntheit. Der Mensch pse_314.007
steht in diesem Kosmos als der Ergriffene, er erlebt die Allmacht pse_314.008
und Größe Gottes, die Buntheit der Welt: daher die pse_314.009
großen Worte, das Rauschhafte, das Gewaltige. In der Verskunst pse_314.010
des Barock kommen ebenfalls die beiden Elemente des pse_314.011
Statischen und des Dynamischen zum Ausdruck: in der strengen pse_314.012
Form des Alexandriners und der scharf abschließenden pse_314.013
des Epigramms das in sich Ruhende, in den großen Reihenbildungen pse_314.014
und der Wucht der vom Vorgangswort getragenen pse_314.015
Bewegung das Dynamische. Das Rauschhafte und Überwältigende pse_314.016
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Manierismus am wenigsten aufdrängen will. Der gleiche Zug pse_314.018
der Spannung zwischen zwei Gegensätzen zeigt sich auch im pse_314.019
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strenger Architektur, rational durchdacht, in der Handlungsfülle pse_314.021
besonders der Romane so konstruiert, daß alles aufgeht pse_314.022
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ein Riesenapparat, der klaglos funktioniert wie pse_314.024
das Planetensystem nach den Gesetzen, die Kepler damals pse_314.025
entdeckt hat. Aber auf der anderen Seite wird diese Konstruktion pse_314.026
verborgen im Prachtmantel der Handlungsfülle, pse_314.027
der aufwühlenden Vorgänge, dem scheinbar planlosen Hin pse_314.028
und Her zwischen den Personen. So geht eine dauernde pse_314.029
mächtige Bewegung durch das Ganze solcher großer Dichtungen. pse_314.030
Und doch auch hier das Statische: dadurch wird es pse_314.031
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pse_314.035
Ganz anders als Manierismus und Barock ist die romantische pse_314.036
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/330>, abgerufen am 22.11.2024.
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