pse_093.001 Was an diesen Versen angedeutet worden ist, könnte an pse_093.002 vielen anderen auch gezeigt werden. Viele Sprachgebilde pse_093.003 ließen noch weitere Stilzüge des Menschlichen deutlich pse_093.004 werden. Etwa der menschliche Wert der "ich"- und "du"- pse_093.005 Formen, die immer sofort das Menschliche in einem Redenden pse_093.006 und einem Angeredeten verdeutlichen; in der Epik tritt pse_093.007 dazu dann noch der Standpunkt des Erzählers, der vielfach pse_093.008 eben als menschliches Wesen in seinem Erzählen das Erzählte pse_093.009 in eine bestimmte Atmosphäre taucht. Das Drama ist ja dann pse_093.010 schon aus seinem Wesen heraus ganz in eine menschliche pse_093.011 Stimmung getaucht. Und gerade im modernsten Drama pse_093.012 finden wir häufig Züge, die auch den Dichter als die gestaltende pse_093.013 Persönlichkeit ahnen lassen.
pse_093.014 Wir können zusammenfassen. In der künstlerischen Gestaltung pse_093.015 einer Dichtung wird Menschliches lebendig und pse_093.016 greifbar, so daß Dichtung nie bloßes, un-menschliches Ding pse_093.017 ist. Auch dort, wo groteske Fratzen alles beherrschen, spürt pse_093.018 man den Schauder oder das kalte Grinsen eines Menschen mitbeben. pse_093.019 Man kann umgekehrt sagen, daß nur da eine bedeutsame pse_093.020 künstlerische Form erwächst, wo ein starkes Persönlichkeitsbewußtsein pse_093.021 am Werk ist. Dichtung ist also immer auch pse_093.022 Ausdruck eines Menschlichen; erst dieses gibt ihr das Leben pse_093.023 und die tiefe Wirksamkeit. Aus der inneren Dynamik des pse_093.024 schöpferischen Menschen geht die Bewegung über in das pse_093.025 Kunstwerk; das Leben der Verba, der Fluß und die Kraft des pse_093.026 Rhythmus, die Dynamik des Satzablaufs, das alles sind Züge pse_093.027 am Werk, in denen menschliches Leben spürbar ist. Im Ablauf pse_093.028 und Aufbau einer Dichtung ist der schöpferische Wille spürbar, pse_093.029 und zwar in seinen verschiedensten Schattierungen. Man pse_093.030 stelle die "Räuber" neben die "Iphigenie", die Prometheushymne pse_093.031 neben das Mondlied, den "Michael Kohlhaas" neben pse_093.032 die "Brigitta". Damit erst entsteht die Geschlossenheit des pse_093.033 Kunstwerks. "Was dem Kunstwerk die innere Durchsichtigkeit pse_093.034 gibt, so daß alle Zusammenhänge und die Einheit des pse_093.035 Ganzen sichtbar werden, ist nicht die Verwandlung der Welt pse_093.036 noch die Wallung der Seele, sondern die innere Gerichtetheit pse_093.037 des schaffenden Geistes. Von einer unsichtbaren Lichtquelle pse_093.038 her wird alles Geschehen so beleuchtet, werden die Wertakzente
pse_093.001 Was an diesen Versen angedeutet worden ist, könnte an pse_093.002 vielen anderen auch gezeigt werden. Viele Sprachgebilde pse_093.003 ließen noch weitere Stilzüge des Menschlichen deutlich pse_093.004 werden. Etwa der menschliche Wert der »ich«- und »du«- pse_093.005 Formen, die immer sofort das Menschliche in einem Redenden pse_093.006 und einem Angeredeten verdeutlichen; in der Epik tritt pse_093.007 dazu dann noch der Standpunkt des Erzählers, der vielfach pse_093.008 eben als menschliches Wesen in seinem Erzählen das Erzählte pse_093.009 in eine bestimmte Atmosphäre taucht. Das Drama ist ja dann pse_093.010 schon aus seinem Wesen heraus ganz in eine menschliche pse_093.011 Stimmung getaucht. Und gerade im modernsten Drama pse_093.012 finden wir häufig Züge, die auch den Dichter als die gestaltende pse_093.013 Persönlichkeit ahnen lassen.
pse_093.014 Wir können zusammenfassen. In der künstlerischen Gestaltung pse_093.015 einer Dichtung wird Menschliches lebendig und pse_093.016 greifbar, so daß Dichtung nie bloßes, un-menschliches Ding pse_093.017 ist. Auch dort, wo groteske Fratzen alles beherrschen, spürt pse_093.018 man den Schauder oder das kalte Grinsen eines Menschen mitbeben. pse_093.019 Man kann umgekehrt sagen, daß nur da eine bedeutsame pse_093.020 künstlerische Form erwächst, wo ein starkes Persönlichkeitsbewußtsein pse_093.021 am Werk ist. Dichtung ist also immer auch pse_093.022 Ausdruck eines Menschlichen; erst dieses gibt ihr das Leben pse_093.023 und die tiefe Wirksamkeit. Aus der inneren Dynamik des pse_093.024 schöpferischen Menschen geht die Bewegung über in das pse_093.025 Kunstwerk; das Leben der Verba, der Fluß und die Kraft des pse_093.026 Rhythmus, die Dynamik des Satzablaufs, das alles sind Züge pse_093.027 am Werk, in denen menschliches Leben spürbar ist. Im Ablauf pse_093.028 und Aufbau einer Dichtung ist der schöpferische Wille spürbar, pse_093.029 und zwar in seinen verschiedensten Schattierungen. Man pse_093.030 stelle die »Räuber« neben die »Iphigenie«, die Prometheushymne pse_093.031 neben das Mondlied, den »Michael Kohlhaas« neben pse_093.032 die »Brigitta«. Damit erst entsteht die Geschlossenheit des pse_093.033 Kunstwerks. »Was dem Kunstwerk die innere Durchsichtigkeit pse_093.034 gibt, so daß alle Zusammenhänge und die Einheit des pse_093.035 Ganzen sichtbar werden, ist nicht die Verwandlung der Welt pse_093.036 noch die Wallung der Seele, sondern die innere Gerichtetheit pse_093.037 des schaffenden Geistes. Von einer unsichtbaren Lichtquelle pse_093.038 her wird alles Geschehen so beleuchtet, werden die Wertakzente
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ließen noch weitere Stilzüge des Menschlichen deutlich pse_093.004
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Formen, die immer sofort das Menschliche in einem Redenden pse_093.006
und einem Angeredeten verdeutlichen; in der Epik tritt pse_093.007
dazu dann noch der Standpunkt des Erzählers, der vielfach pse_093.008
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Wir können zusammenfassen. In der künstlerischen Gestaltung pse_093.015
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/109>, abgerufen am 22.11.2024.
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