Scriver, Christian: Das Verlohrne und wiedergefundene Schäfflein. Magdeburg, 1672.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

der Sohn durch der Prediger Zureden gewonnen/ grosse
Reu über seine Boßheit spüren ließ; Sie ließ den Sand/
welcher sein Blut auff fangen solte/ auff den Marckt füh-
ren/ kauffte ein roth Tuch/ darauff er knien solte/ bestellte
seinen Sarck/ Todten-Geräthe/ und Leichbegängniß; Der
Mißthäter alß er für Gericht stehet/ sein Endurtheil zu em-
pfahen/ bezeuget grosses Leid über seine Gottlosigkeit/ mit
vielen Thränen/ bittet hefftig umb sein Leben/ und erbeut sich
mit einem Schiff in Jndien zu gehen/ daß weder seine Mut-
ter/ noch sonst jemand in seiner Vater-Stadt ichts mehr von
ihm hören solte/ das häuffig umbstehende Volck/ und son-
derlich die Frauen und Jungfrauen werden zum Mitleiden
beweget/ fahen an mit ihm zu weinen/ und/ weil dorten die
Bürgerschafft das Endurtheil schöpffen muß/ bewegen sie
die Männer/ daß ihm das Leben geschencket wird/ doch mit
dem Zusatz/ daß er seinem Versprechen nach nimmermehr
sich seiner Vater-Stadt nähern solte. Die Mutter betrü-
bet sich hertzlich hierüber/ und spricht: Sie sehe/ daß ihn der
gerechte GOtt eines so guten Todes nicht werthachte/ der
Sohn machet sich davon/ und bleibet sieben Jahr aussen daß
man von ihm nichts gewust/ nach Verfliessung derselben
findet er sich in der Nähe wieder/ und weil er viel Diebstahl
begangen/ und über das Schweinstelen/ in der Stadt Gebiet/
ergriffen worden/ geräth er abermahl in der Obrigkeit Hän-
den/ und wird an den Galgen gehenckt/ da denn die Mutter
nie aus ihres Hauses Hinterthür sehen können/ daß ihr nicht
were dis traurige Bild zu Gesichte kommen/ und dis war
zweiffels frey/ die göttliche Straffe wegen der üblen Erzie-
hung dieses ihres Sohns/ und dieser muste mit seinem Ex-
empel lehren/ daß kein unbußfertiger böser Mensch dem gött-
lichen Gericht entlauffen kan.

§. 9. & 12.

der Sohn durch der Prediger Zureden gewonnen/ groſſe
Reu uͤber ſeine Boßheit ſpuͤren ließ; Sie ließ den Sand/
welcher ſein Blut auff fangen ſolte/ auff den Marckt fuͤh-
ren/ kauffte ein roth Tuch/ darauff er knien ſolte/ beſtellte
ſeinen Sarck/ Todten-Geraͤthe/ und Leichbegaͤngniß; Der
Mißthaͤter alß er fuͤr Gericht ſtehet/ ſein Endurtheil zu em-
pfahen/ bezeuget groſſes Leid uͤber ſeine Gottloſigkeit/ mit
vielen Thraͤnen/ bittet hefftig umb ſein Leben/ und erbeut ſich
mit einem Schiff in Jndien zu gehen/ daß weder ſeine Mut-
ter/ noch ſonſt jemand in ſeiner Vater-Stadt ichts mehr von
ihm hoͤren ſolte/ das haͤuffig umbſtehende Volck/ und ſon-
derlich die Frauen und Jungfrauen werden zum Mitleiden
beweget/ fahen an mit ihm zu weinen/ und/ weil dorten die
Buͤrgerſchafft das Endurtheil ſchoͤpffen muß/ bewegen ſie
die Maͤnner/ daß ihm das Leben geſchencket wird/ doch mit
dem Zuſatz/ daß er ſeinem Verſprechen nach nimmermehr
ſich ſeiner Vater-Stadt naͤhern ſolte. Die Mutter betruͤ-
bet ſich hertzlich hieruͤber/ und ſpricht: Sie ſehe/ daß ihn der
gerechte GOtt eines ſo guten Todes nicht werthachte/ der
Sohn machet ſich davon/ und bleibet ſieben Jahr auſſen daß
man von ihm nichts gewuſt/ nach Verflieſſung derſelben
findet er ſich in der Naͤhe wieder/ und weil er viel Diebſtahl
begangen/ und uͤber das Schweinſtelen/ in der Stadt Gebiet/
ergriffen worden/ geraͤth er abermahl in der Obrigkeit Haͤn-
den/ und wird an den Galgen gehenckt/ da denn die Mutter
nie aus ihres Hauſes Hinterthuͤr ſehen koͤnnen/ daß ihr nicht
were dis traurige Bild zu Geſichte kommen/ und dis war
zweiffels frey/ die goͤttliche Straffe wegen der uͤblen Erzie-
hung dieſes ihres Sohns/ und dieſer muſte mit ſeinem Ex-
empel lehren/ daß kein unbußfertiger boͤſeꝛ Menſch dem goͤtt-
lichen Gericht entlauffen kan.

§. 9. & 12.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <p><pb facs="#f0205"/>
der Sohn durch der Prediger Zureden gewonnen/ gro&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Reu u&#x0364;ber &#x017F;eine Boßheit &#x017F;pu&#x0364;ren ließ; Sie ließ den Sand/<lb/>
welcher &#x017F;ein Blut auff fangen &#x017F;olte/ auff den Marckt fu&#x0364;h-<lb/>
ren/ kauffte ein roth Tuch/ darauff er knien &#x017F;olte/ be&#x017F;tellte<lb/>
&#x017F;einen Sarck/ Todten-Gera&#x0364;the/ und Leichbega&#x0364;ngniß; Der<lb/>
Mißtha&#x0364;ter alß er fu&#x0364;r Gericht &#x017F;tehet/ &#x017F;ein Endurtheil zu em-<lb/>
pfahen/ bezeuget gro&#x017F;&#x017F;es Leid u&#x0364;ber &#x017F;eine Gottlo&#x017F;igkeit/ mit<lb/>
vielen Thra&#x0364;nen/ bittet hefftig umb &#x017F;ein Leben/ und erbeut &#x017F;ich<lb/>
mit einem Schiff in Jndien zu gehen/ daß weder &#x017F;eine Mut-<lb/>
ter/ noch &#x017F;on&#x017F;t jemand in &#x017F;einer Vater-Stadt ichts mehr von<lb/>
ihm ho&#x0364;ren &#x017F;olte/ das ha&#x0364;uffig umb&#x017F;tehende Volck/ und &#x017F;on-<lb/>
derlich die Frauen und Jungfrauen werden zum Mitleiden<lb/>
beweget/ fahen an mit ihm zu weinen/ und/ weil dorten die<lb/>
Bu&#x0364;rger&#x017F;chafft das Endurtheil &#x017F;cho&#x0364;pffen muß/ bewegen &#x017F;ie<lb/>
die Ma&#x0364;nner/ daß ihm das Leben ge&#x017F;chencket wird/ doch mit<lb/>
dem Zu&#x017F;atz/ daß er &#x017F;einem Ver&#x017F;prechen nach nimmermehr<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;einer Vater-Stadt na&#x0364;hern &#x017F;olte. Die Mutter betru&#x0364;-<lb/>
bet &#x017F;ich hertzlich hieru&#x0364;ber/ und &#x017F;pricht: Sie &#x017F;ehe/ daß ihn der<lb/>
gerechte GOtt eines &#x017F;o guten Todes nicht werthachte/ der<lb/>
Sohn machet &#x017F;ich davon/ und bleibet &#x017F;ieben Jahr au&#x017F;&#x017F;en daß<lb/>
man von ihm nichts gewu&#x017F;t/ nach Verflie&#x017F;&#x017F;ung der&#x017F;elben<lb/>
findet er &#x017F;ich in der Na&#x0364;he wieder/ und weil er viel Dieb&#x017F;tahl<lb/>
begangen/ und u&#x0364;ber das Schwein&#x017F;telen/ in der Stadt Gebiet/<lb/>
ergriffen worden/ gera&#x0364;th er abermahl in der Obrigkeit Ha&#x0364;n-<lb/>
den/ und wird an den Galgen gehenckt/ da denn die Mutter<lb/>
nie aus ihres Hau&#x017F;es Hinterthu&#x0364;r &#x017F;ehen ko&#x0364;nnen/ daß ihr nicht<lb/>
were dis traurige Bild zu Ge&#x017F;ichte kommen/ und dis war<lb/>
zweiffels frey/ die go&#x0364;ttliche Straffe wegen der u&#x0364;blen Erzie-<lb/>
hung die&#x017F;es ihres Sohns/ und die&#x017F;er mu&#x017F;te mit &#x017F;einem Ex-<lb/>
empel lehren/ daß kein unbußfertiger bo&#x0364;&#x017F;e&#xA75B; Men&#x017F;ch dem go&#x0364;tt-<lb/>
lichen Gericht entlauffen kan.</p>
            </div><lb/>
            <fw type="catch" place="bottom">§. 9. &amp; 12.</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[0205] der Sohn durch der Prediger Zureden gewonnen/ groſſe Reu uͤber ſeine Boßheit ſpuͤren ließ; Sie ließ den Sand/ welcher ſein Blut auff fangen ſolte/ auff den Marckt fuͤh- ren/ kauffte ein roth Tuch/ darauff er knien ſolte/ beſtellte ſeinen Sarck/ Todten-Geraͤthe/ und Leichbegaͤngniß; Der Mißthaͤter alß er fuͤr Gericht ſtehet/ ſein Endurtheil zu em- pfahen/ bezeuget groſſes Leid uͤber ſeine Gottloſigkeit/ mit vielen Thraͤnen/ bittet hefftig umb ſein Leben/ und erbeut ſich mit einem Schiff in Jndien zu gehen/ daß weder ſeine Mut- ter/ noch ſonſt jemand in ſeiner Vater-Stadt ichts mehr von ihm hoͤren ſolte/ das haͤuffig umbſtehende Volck/ und ſon- derlich die Frauen und Jungfrauen werden zum Mitleiden beweget/ fahen an mit ihm zu weinen/ und/ weil dorten die Buͤrgerſchafft das Endurtheil ſchoͤpffen muß/ bewegen ſie die Maͤnner/ daß ihm das Leben geſchencket wird/ doch mit dem Zuſatz/ daß er ſeinem Verſprechen nach nimmermehr ſich ſeiner Vater-Stadt naͤhern ſolte. Die Mutter betruͤ- bet ſich hertzlich hieruͤber/ und ſpricht: Sie ſehe/ daß ihn der gerechte GOtt eines ſo guten Todes nicht werthachte/ der Sohn machet ſich davon/ und bleibet ſieben Jahr auſſen daß man von ihm nichts gewuſt/ nach Verflieſſung derſelben findet er ſich in der Naͤhe wieder/ und weil er viel Diebſtahl begangen/ und uͤber das Schweinſtelen/ in der Stadt Gebiet/ ergriffen worden/ geraͤth er abermahl in der Obrigkeit Haͤn- den/ und wird an den Galgen gehenckt/ da denn die Mutter nie aus ihres Hauſes Hinterthuͤr ſehen koͤnnen/ daß ihr nicht were dis traurige Bild zu Geſichte kommen/ und dis war zweiffels frey/ die goͤttliche Straffe wegen der uͤblen Erzie- hung dieſes ihres Sohns/ und dieſer muſte mit ſeinem Ex- empel lehren/ daß kein unbußfertiger boͤſeꝛ Menſch dem goͤtt- lichen Gericht entlauffen kan. §. 9. & 12.

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/scriver_schaefflein_1672
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/scriver_schaefflein_1672/205
Zitationshilfe:	Scriver, Christian: Das Verlohrne und wiedergefundene Schäfflein. Magdeburg, 1672, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scriver_schaefflein_1672/205>, abgerufen am 21.11.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.