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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

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Fahrräder. -- Draisinen.
einander verstellte Kurbeln, mit deren Hilfe die Räder bewegt werden konnten.
Die Lenkung des Leitrades erfolgte durch zwei Fußtritte, welche durch Seile mit
einem kleinen horizontalen Balken verbunden waren, der auf der Achse des Leit-
rades saß. Trat man das rechte Pedal, so wurde das Rad nach rechts gelenkt,
trat man das linke Pedal, so erfolgte eine Lenkung nach dieser Seite.

In der Prioritätsfrage bezüglich der Erfindung des Zweirades als principiell
entscheidende Constructionstype wird auch der Instrumentenmacher Philipp Moritz
aus Schweinfurt genannt, der Anfangs der Fünfzigerjahre ein derartiges Fahrrad
baute. Genannt wird ferner ein englischer Wagenbauer Namens G. Johnson,
der an der Drais'schen Maschine die erste wichtige Verbesserung machte, und zwar

[Abbildung] Fig. 682.

Das "Hobby-Horse" (1818).

durch directe Verbindung der Lenkstange mit der Achse des Vorderrades, womit
eine Lenkbarkeit des Fahrzeuges erzielt wurde, die im Princip noch heute bei
unseren Fahrrädern besteht. Nach dieser Neuerung trat eine große Pause in der
Thätigkeit für die Nutzbarmachung des Fahrrades ein, bis 1862 zu Paris ein
Arbeiter des Mechanikers Michaux, Namens Lallement, im Verein mit seinem
Meister an die Construction eines Fahrrades ging, das im Jahre 1868 in die
Oeffentlichkeit gelangte. Diese Vehikel erhielten unter der Bezeichnung "Belocipede"
die erste größere Verbreitung. Sie waren ganz aus Holz gefertigt und hatten nur
die allernothwendigsten metallenen Bestandtheile, wie Schrauben, Achsen u. s. w.

In den nächstfolgenden Jahren wurde Michaux mit den Gebrüdern Ollivier,
mit denen er sich associirt hatte, in schwere Processe verwickelt, was den Untergang
dieser kaum erst erstandenen Industrie schon nach zwei Jahren zur Folge hatte.
Nun bemächtigten sich die Engländer und Amerikaner der Industrie des Fahr-

Fahrräder. — Draiſinen.
einander verſtellte Kurbeln, mit deren Hilfe die Räder bewegt werden konnten.
Die Lenkung des Leitrades erfolgte durch zwei Fußtritte, welche durch Seile mit
einem kleinen horizontalen Balken verbunden waren, der auf der Achſe des Leit-
rades ſaß. Trat man das rechte Pedal, ſo wurde das Rad nach rechts gelenkt,
trat man das linke Pedal, ſo erfolgte eine Lenkung nach dieſer Seite.

In der Prioritätsfrage bezüglich der Erfindung des Zweirades als principiell
entſcheidende Conſtructionstype wird auch der Inſtrumentenmacher Philipp Moritz
aus Schweinfurt genannt, der Anfangs der Fünfzigerjahre ein derartiges Fahrrad
baute. Genannt wird ferner ein engliſcher Wagenbauer Namens G. Johnſon,
der an der Drais'ſchen Maſchine die erſte wichtige Verbeſſerung machte, und zwar

[Abbildung] Fig. 682.

Das »Hobby-Horſe« (1818).

durch directe Verbindung der Lenkſtange mit der Achſe des Vorderrades, womit
eine Lenkbarkeit des Fahrzeuges erzielt wurde, die im Princip noch heute bei
unſeren Fahrrädern beſteht. Nach dieſer Neuerung trat eine große Pauſe in der
Thätigkeit für die Nutzbarmachung des Fahrrades ein, bis 1862 zu Paris ein
Arbeiter des Mechanikers Michaux, Namens Lallement, im Verein mit ſeinem
Meiſter an die Conſtruction eines Fahrrades ging, das im Jahre 1868 in die
Oeffentlichkeit gelangte. Dieſe Vehikel erhielten unter der Bezeichnung »Belocipède«
die erſte größere Verbreitung. Sie waren ganz aus Holz gefertigt und hatten nur
die allernothwendigſten metallenen Beſtandtheile, wie Schrauben, Achſen u. ſ. w.

In den nächſtfolgenden Jahren wurde Michaux mit den Gebrüdern Ollivier,
mit denen er ſich aſſociirt hatte, in ſchwere Proceſſe verwickelt, was den Untergang
dieſer kaum erſt erſtandenen Induſtrie ſchon nach zwei Jahren zur Folge hatte.
Nun bemächtigten ſich die Engländer und Amerikaner der Induſtrie des Fahr-

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[821/0903] Fahrräder. — Draiſinen. einander verſtellte Kurbeln, mit deren Hilfe die Räder bewegt werden konnten. Die Lenkung des Leitrades erfolgte durch zwei Fußtritte, welche durch Seile mit einem kleinen horizontalen Balken verbunden waren, der auf der Achſe des Leit- rades ſaß. Trat man das rechte Pedal, ſo wurde das Rad nach rechts gelenkt, trat man das linke Pedal, ſo erfolgte eine Lenkung nach dieſer Seite. In der Prioritätsfrage bezüglich der Erfindung des Zweirades als principiell entſcheidende Conſtructionstype wird auch der Inſtrumentenmacher Philipp Moritz aus Schweinfurt genannt, der Anfangs der Fünfzigerjahre ein derartiges Fahrrad baute. Genannt wird ferner ein engliſcher Wagenbauer Namens G. Johnſon, der an der Drais'ſchen Maſchine die erſte wichtige Verbeſſerung machte, und zwar [Abbildung Fig. 682. Das »Hobby-Horſe« (1818).] durch directe Verbindung der Lenkſtange mit der Achſe des Vorderrades, womit eine Lenkbarkeit des Fahrzeuges erzielt wurde, die im Princip noch heute bei unſeren Fahrrädern beſteht. Nach dieſer Neuerung trat eine große Pauſe in der Thätigkeit für die Nutzbarmachung des Fahrrades ein, bis 1862 zu Paris ein Arbeiter des Mechanikers Michaux, Namens Lallement, im Verein mit ſeinem Meiſter an die Conſtruction eines Fahrrades ging, das im Jahre 1868 in die Oeffentlichkeit gelangte. Dieſe Vehikel erhielten unter der Bezeichnung »Belocipède« die erſte größere Verbreitung. Sie waren ganz aus Holz gefertigt und hatten nur die allernothwendigſten metallenen Beſtandtheile, wie Schrauben, Achſen u. ſ. w. In den nächſtfolgenden Jahren wurde Michaux mit den Gebrüdern Ollivier, mit denen er ſich aſſociirt hatte, in ſchwere Proceſſe verwickelt, was den Untergang dieſer kaum erſt erſtandenen Induſtrie ſchon nach zwei Jahren zur Folge hatte. Nun bemächtigten ſich die Engländer und Amerikaner der Induſtrie des Fahr-

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 821. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/903>, abgerufen am 23.11.2024.