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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

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Erster Abschnitt.
niedrigen, hintereinander liegenden Rädern, über denen mit Hilfe sattelförmiger
Stützen ein Holzbalken mit einem gabelförmigen Sitz angebracht war. Der Fahrer
ritt auf diesem Sattel und bewegte das Fahrzeug durch wechselseitiges Abstoßen
der Füße vom Boden vorwärts. Drais modificirte sein Fahrzeug in mehrfacher
Weise, er brachte zwei Sitze hintereinander an (also die Urform des Tandem),
und machte sie vertical verstellbar, so daß Personen verschiedener Körpergröße die
Laufmaschine benützen konnten. Er construirte es auch mit drei und vier Rädern,
mit je einem Sitze unter der vorderen und hinteren Achse und mit einer Vor-
richtung zum Anspannen eines Pferdes. Er versah es mit einem leichten Segel,
um günstigen Wind verwerthen zu können, und schmückte es mit Sonnenschirm
und Laternen.

[Abbildung] Fig. 681.

Karl v. Drais' "Laufmaschine" aus dem Jahre 1818.

Die ersten Verbesserungen
an dem Urtypus des Belocipeds
machte der Engländer Knight
mit seinem "Hobby-Horse"
(Steckenpferd) benannten Fahr-
apparat, der in Fig. 682 ab-
gebildet ist. Die größere Leichtig-
keit der Construction, die größere
Bequemlichkeit des Sitzes und
der Steuervorrichtung ermög-
lichten in diesem Falle den Fahrer vermuthlich, sich zeitweilig, ohne Benützung der
Füße, tragen zu lassen. Der Draisine in ihrer Urform kam nämlich der Uebelstand
zu, daß man mit ihr zwar doppelt so schnell vorwärts kam als zu Fuß, aber auch
doppelt ermüdete. Bei der größeren Stabilität, welche dem Knight'schen Vehikel
zukam, mochte vielleicht der Gedanke entstanden sein, ersteren nach ertheilter Ge-
schwindigkeit mit Trittkurbeln weiter zu treiben.

Der erste Constructeur unseres Zweirades mußte also mindestens das sehr
alte "Rennrad" gekannt haben. Diese Ansicht wird durch die Form unterstützt,
in welcher der Fahrapparat unter der Bezeichnung "Boneshaker" in der ersten
Hälfte der Sechzigerjahre von Paris nach Amerika kam, wo es von E. A. Cowper
mit zwei wesentlichen Verbesserungen versehen wurde: mit der an aus Draht
gefertigten Speichen angehängten Nabe und dem massiven Gummireifen. Indeß
kann auch Cowper nicht als Erfinder des eigentlichen Zweirades gelten. Denn
in Amerika hatte sich schon Ende der Dreißigerjahre aus dem Drais'schen Lauf-
rad der Urtypus des nachmaligen Belocipedes herausgebildet, und zwar in der
Gestalt, wie sie in Fig. 683 veranschaulicht ist. Dieses von seinem Erfinder
M. Revis "Manumotive" genannte Vehikel war wie folgt gebaut: Auf der Achse
zweier großer, aber leicht gebauter Räder war ein Holzbalken aufgehängt, der an
einem Ende einen Sitz trug, am anderen Ende mit einem kleinen Rade, dem
Leitrade verbunden war. An der Achse der Treibräder befanden sich zwei gegen-

Erſter Abſchnitt.
niedrigen, hintereinander liegenden Rädern, über denen mit Hilfe ſattelförmiger
Stützen ein Holzbalken mit einem gabelförmigen Sitz angebracht war. Der Fahrer
ritt auf dieſem Sattel und bewegte das Fahrzeug durch wechſelſeitiges Abſtoßen
der Füße vom Boden vorwärts. Drais modificirte ſein Fahrzeug in mehrfacher
Weiſe, er brachte zwei Sitze hintereinander an (alſo die Urform des Tandem),
und machte ſie vertical verſtellbar, ſo daß Perſonen verſchiedener Körpergröße die
Laufmaſchine benützen konnten. Er conſtruirte es auch mit drei und vier Rädern,
mit je einem Sitze unter der vorderen und hinteren Achſe und mit einer Vor-
richtung zum Anſpannen eines Pferdes. Er verſah es mit einem leichten Segel,
um günſtigen Wind verwerthen zu können, und ſchmückte es mit Sonnenſchirm
und Laternen.

[Abbildung] Fig. 681.

Karl v. Drais' »Laufmaſchine« aus dem Jahre 1818.

Die erſten Verbeſſerungen
an dem Urtypus des Belocipeds
machte der Engländer Knight
mit ſeinem »Hobby-Horſe«
(Steckenpferd) benannten Fahr-
apparat, der in Fig. 682 ab-
gebildet iſt. Die größere Leichtig-
keit der Conſtruction, die größere
Bequemlichkeit des Sitzes und
der Steuervorrichtung ermög-
lichten in dieſem Falle den Fahrer vermuthlich, ſich zeitweilig, ohne Benützung der
Füße, tragen zu laſſen. Der Draiſine in ihrer Urform kam nämlich der Uebelſtand
zu, daß man mit ihr zwar doppelt ſo ſchnell vorwärts kam als zu Fuß, aber auch
doppelt ermüdete. Bei der größeren Stabilität, welche dem Knight'ſchen Vehikel
zukam, mochte vielleicht der Gedanke entſtanden ſein, erſteren nach ertheilter Ge-
ſchwindigkeit mit Trittkurbeln weiter zu treiben.

Der erſte Conſtructeur unſeres Zweirades mußte alſo mindeſtens das ſehr
alte »Rennrad« gekannt haben. Dieſe Anſicht wird durch die Form unterſtützt,
in welcher der Fahrapparat unter der Bezeichnung »Boneshaker« in der erſten
Hälfte der Sechzigerjahre von Paris nach Amerika kam, wo es von E. A. Cowper
mit zwei weſentlichen Verbeſſerungen verſehen wurde: mit der an aus Draht
gefertigten Speichen angehängten Nabe und dem maſſiven Gummireifen. Indeß
kann auch Cowper nicht als Erfinder des eigentlichen Zweirades gelten. Denn
in Amerika hatte ſich ſchon Ende der Dreißigerjahre aus dem Drais'ſchen Lauf-
rad der Urtypus des nachmaligen Belocipedes herausgebildet, und zwar in der
Geſtalt, wie ſie in Fig. 683 veranſchaulicht iſt. Dieſes von ſeinem Erfinder
M. Revis »Manumotive« genannte Vehikel war wie folgt gebaut: Auf der Achſe
zweier großer, aber leicht gebauter Räder war ein Holzbalken aufgehängt, der an
einem Ende einen Sitz trug, am anderen Ende mit einem kleinen Rade, dem
Leitrade verbunden war. An der Achſe der Treibräder befanden ſich zwei gegen-

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[820/0902] Erſter Abſchnitt. niedrigen, hintereinander liegenden Rädern, über denen mit Hilfe ſattelförmiger Stützen ein Holzbalken mit einem gabelförmigen Sitz angebracht war. Der Fahrer ritt auf dieſem Sattel und bewegte das Fahrzeug durch wechſelſeitiges Abſtoßen der Füße vom Boden vorwärts. Drais modificirte ſein Fahrzeug in mehrfacher Weiſe, er brachte zwei Sitze hintereinander an (alſo die Urform des Tandem), und machte ſie vertical verſtellbar, ſo daß Perſonen verſchiedener Körpergröße die Laufmaſchine benützen konnten. Er conſtruirte es auch mit drei und vier Rädern, mit je einem Sitze unter der vorderen und hinteren Achſe und mit einer Vor- richtung zum Anſpannen eines Pferdes. Er verſah es mit einem leichten Segel, um günſtigen Wind verwerthen zu können, und ſchmückte es mit Sonnenſchirm und Laternen. [Abbildung Fig. 681. Karl v. Drais' »Laufmaſchine« aus dem Jahre 1818.] Die erſten Verbeſſerungen an dem Urtypus des Belocipeds machte der Engländer Knight mit ſeinem »Hobby-Horſe« (Steckenpferd) benannten Fahr- apparat, der in Fig. 682 ab- gebildet iſt. Die größere Leichtig- keit der Conſtruction, die größere Bequemlichkeit des Sitzes und der Steuervorrichtung ermög- lichten in dieſem Falle den Fahrer vermuthlich, ſich zeitweilig, ohne Benützung der Füße, tragen zu laſſen. Der Draiſine in ihrer Urform kam nämlich der Uebelſtand zu, daß man mit ihr zwar doppelt ſo ſchnell vorwärts kam als zu Fuß, aber auch doppelt ermüdete. Bei der größeren Stabilität, welche dem Knight'ſchen Vehikel zukam, mochte vielleicht der Gedanke entſtanden ſein, erſteren nach ertheilter Ge- ſchwindigkeit mit Trittkurbeln weiter zu treiben. Der erſte Conſtructeur unſeres Zweirades mußte alſo mindeſtens das ſehr alte »Rennrad« gekannt haben. Dieſe Anſicht wird durch die Form unterſtützt, in welcher der Fahrapparat unter der Bezeichnung »Boneshaker« in der erſten Hälfte der Sechzigerjahre von Paris nach Amerika kam, wo es von E. A. Cowper mit zwei weſentlichen Verbeſſerungen verſehen wurde: mit der an aus Draht gefertigten Speichen angehängten Nabe und dem maſſiven Gummireifen. Indeß kann auch Cowper nicht als Erfinder des eigentlichen Zweirades gelten. Denn in Amerika hatte ſich ſchon Ende der Dreißigerjahre aus dem Drais'ſchen Lauf- rad der Urtypus des nachmaligen Belocipedes herausgebildet, und zwar in der Geſtalt, wie ſie in Fig. 683 veranſchaulicht iſt. Dieſes von ſeinem Erfinder M. Revis »Manumotive« genannte Vehikel war wie folgt gebaut: Auf der Achſe zweier großer, aber leicht gebauter Räder war ein Holzbalken aufgehängt, der an einem Ende einen Sitz trug, am anderen Ende mit einem kleinen Rade, dem Leitrade verbunden war. An der Achſe der Treibräder befanden ſich zwei gegen-

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 820. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/902>, abgerufen am 23.11.2024.