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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

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Erster Abschnitt.

Das Charakteristische an der modernen Schiffsarmirung ist die Verwendung
weniger, aber sehr schwerer Geschütze, sowie verschiedener kleinerer Typen für
specielle seetaktische Zwecke. Wie man früher dem Gegner die Breitseite zuzukehren
suchte, um die in langer Reihe in Batterien und in Etagen (Decken) übereinander
aufgestellten zahlreichen Geschütze zu voller Wirkung kommen zu lassen, so kehrt
man heute dem Feinde den Bug oder das Heck zu. Die Seitenwand ist eine zu
große, nicht leicht zu fehlende Zielfläche. Die Bekleidung der Seiten- und Thurm-
wände mit einem Panzer erfordert Geschütze mit einer sehr großen Durchschlags-
kraft der Geschosse. Man wählt daher die Kaliber der Geschütze so groß, daß ihre
Geschosse im Stande sind, auf allen Gefechtsentfernungen einen Panzer zu durch-
schlagen. Mit dem Kaliber wächst aber auch das Gewicht der Geschütze und ihrer
Munition, so daß, wie leicht begreiflich, die Anzahl so schwerer Kanonen eine
beschränkte ist. In der Regel sind es vier, welche paarweise auf Drehscheiben in zwei
Thürmen vor und hinter den Schloten stehen.

Die Schiffsgeschütze erreichten innerhalb kurzer Zeit ungeheuere Dimensionen.
Den Anfang machte die italienische Marine, indem für die "Italia" je zwei auf
zwei Drehscheiben placirte Kanonen von 43 Centimeter Caliber und 103 Tonnen
Rohrgewicht als Hauptarmirung gewählt wurden. Diese Geschütze sind von Arm-
strong
gefertigt und bestehen aus einem von schmiedeeisernen Ringen umgebenen
Stahlrohre. Entgegen den von Armstrong für die beiden älteren Panzerkolosse der
italienischen Marine "Duilio" und "Dandolo" gelieferten Vorderladegeschütze von
45 Centimeter Caliber, sind die der "Italia" Hinterlader. Von der Größe dieser
Ungethüme geben die nachstehenden Daten eine Vorstellung. Das Rohr hat eine
Länge von nahezu 12 Meter; der Laderaum hat, um die 1000 Kilogramm schwere
Granate und die Pulverladung von 375 Kilogramm aufnehmen zu können, eine
Länge von 2.6 Meter und einen Durchmesser von 48 Centimeter. Da die Ge-
schütze zu beiden Seiten des Drehzapfens der Plattform stehen, so ist es noth-
wendig, daß beide gleichzeitig abgefeuert werden. Dies geschieht deshalb mittelst
elektrischer Zündung durch einen Druck auf einen Knopf.

Schon im Frühjahre 1879 hatte die Krupp'sche Fabrik eine 40 Centimeter-
Kanone von 25 Meter Länge und einem Gewicht von 72 Tonnen hergestellt. Die
Schießversuche wurden mit 778 Kilogramm schweren Panzergranaten mit 220 Kilo-
gramm Ladung angestellt; sie ergaben eine Anfangsgeschwindigkeit von 519 Meter
und eine lebendige Kraft von 10.684 Metertonnen. Bald darauf ging man indessen
zu 35 Caliber langen Kanonen über, und es war kein Grund vorhanden, von
dem als zutreffend erkannten Grundsatze die 40 Centimeter-Kanone auszuschließen.
Man war überzeugt, daß dieselbe die von Armstrong für die italienische Marine
gelieferten 100 Tonnen-Geschütze von 45 und 43 Centimeter Caliber an Wirkung
übertreffen würden. Dazu kommt, daß eines der Riesengeschütze des "Duilio"
zersprang, was die italienische Regierung veranlaßte, bei Krupp eine Anzahl seiner
35 Caliber langen 40 Centimeter-Geschütze zu bestellen. Mitte des Jahres 1885

Erſter Abſchnitt.

Das Charakteriſtiſche an der modernen Schiffsarmirung iſt die Verwendung
weniger, aber ſehr ſchwerer Geſchütze, ſowie verſchiedener kleinerer Typen für
ſpecielle ſeetaktiſche Zwecke. Wie man früher dem Gegner die Breitſeite zuzukehren
ſuchte, um die in langer Reihe in Batterien und in Etagen (Decken) übereinander
aufgeſtellten zahlreichen Geſchütze zu voller Wirkung kommen zu laſſen, ſo kehrt
man heute dem Feinde den Bug oder das Heck zu. Die Seitenwand iſt eine zu
große, nicht leicht zu fehlende Zielfläche. Die Bekleidung der Seiten- und Thurm-
wände mit einem Panzer erfordert Geſchütze mit einer ſehr großen Durchſchlags-
kraft der Geſchoſſe. Man wählt daher die Kaliber der Geſchütze ſo groß, daß ihre
Geſchoſſe im Stande ſind, auf allen Gefechtsentfernungen einen Panzer zu durch-
ſchlagen. Mit dem Kaliber wächſt aber auch das Gewicht der Geſchütze und ihrer
Munition, ſo daß, wie leicht begreiflich, die Anzahl ſo ſchwerer Kanonen eine
beſchränkte iſt. In der Regel ſind es vier, welche paarweiſe auf Drehſcheiben in zwei
Thürmen vor und hinter den Schloten ſtehen.

Die Schiffsgeſchütze erreichten innerhalb kurzer Zeit ungeheuere Dimenſionen.
Den Anfang machte die italieniſche Marine, indem für die »Italia« je zwei auf
zwei Drehſcheiben placirte Kanonen von 43 Centimeter Caliber und 103 Tonnen
Rohrgewicht als Hauptarmirung gewählt wurden. Dieſe Geſchütze ſind von Arm-
ſtrong
gefertigt und beſtehen aus einem von ſchmiedeeiſernen Ringen umgebenen
Stahlrohre. Entgegen den von Armſtrong für die beiden älteren Panzerkoloſſe der
italieniſchen Marine »Duilio« und »Dandolo« gelieferten Vorderladegeſchütze von
45 Centimeter Caliber, ſind die der »Italia« Hinterlader. Von der Größe dieſer
Ungethüme geben die nachſtehenden Daten eine Vorſtellung. Das Rohr hat eine
Länge von nahezu 12 Meter; der Laderaum hat, um die 1000 Kilogramm ſchwere
Granate und die Pulverladung von 375 Kilogramm aufnehmen zu können, eine
Länge von 2‧6 Meter und einen Durchmeſſer von 48 Centimeter. Da die Ge-
ſchütze zu beiden Seiten des Drehzapfens der Plattform ſtehen, ſo iſt es noth-
wendig, daß beide gleichzeitig abgefeuert werden. Dies geſchieht deshalb mittelſt
elektriſcher Zündung durch einen Druck auf einen Knopf.

Schon im Frühjahre 1879 hatte die Krupp'ſche Fabrik eine 40 Centimeter-
Kanone von 25 Meter Länge und einem Gewicht von 72 Tonnen hergeſtellt. Die
Schießverſuche wurden mit 778 Kilogramm ſchweren Panzergranaten mit 220 Kilo-
gramm Ladung angeſtellt; ſie ergaben eine Anfangsgeſchwindigkeit von 519 Meter
und eine lebendige Kraft von 10.684 Metertonnen. Bald darauf ging man indeſſen
zu 35 Caliber langen Kanonen über, und es war kein Grund vorhanden, von
dem als zutreffend erkannten Grundſatze die 40 Centimeter-Kanone auszuſchließen.
Man war überzeugt, daß dieſelbe die von Armſtrong für die italieniſche Marine
gelieferten 100 Tonnen-Geſchütze von 45 und 43 Centimeter Caliber an Wirkung
übertreffen würden. Dazu kommt, daß eines der Rieſengeſchütze des »Duilio«
zerſprang, was die italieniſche Regierung veranlaßte, bei Krupp eine Anzahl ſeiner
35 Caliber langen 40 Centimeter-Geſchütze zu beſtellen. Mitte des Jahres 1885

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[712/0786] Erſter Abſchnitt. Das Charakteriſtiſche an der modernen Schiffsarmirung iſt die Verwendung weniger, aber ſehr ſchwerer Geſchütze, ſowie verſchiedener kleinerer Typen für ſpecielle ſeetaktiſche Zwecke. Wie man früher dem Gegner die Breitſeite zuzukehren ſuchte, um die in langer Reihe in Batterien und in Etagen (Decken) übereinander aufgeſtellten zahlreichen Geſchütze zu voller Wirkung kommen zu laſſen, ſo kehrt man heute dem Feinde den Bug oder das Heck zu. Die Seitenwand iſt eine zu große, nicht leicht zu fehlende Zielfläche. Die Bekleidung der Seiten- und Thurm- wände mit einem Panzer erfordert Geſchütze mit einer ſehr großen Durchſchlags- kraft der Geſchoſſe. Man wählt daher die Kaliber der Geſchütze ſo groß, daß ihre Geſchoſſe im Stande ſind, auf allen Gefechtsentfernungen einen Panzer zu durch- ſchlagen. Mit dem Kaliber wächſt aber auch das Gewicht der Geſchütze und ihrer Munition, ſo daß, wie leicht begreiflich, die Anzahl ſo ſchwerer Kanonen eine beſchränkte iſt. In der Regel ſind es vier, welche paarweiſe auf Drehſcheiben in zwei Thürmen vor und hinter den Schloten ſtehen. Die Schiffsgeſchütze erreichten innerhalb kurzer Zeit ungeheuere Dimenſionen. Den Anfang machte die italieniſche Marine, indem für die »Italia« je zwei auf zwei Drehſcheiben placirte Kanonen von 43 Centimeter Caliber und 103 Tonnen Rohrgewicht als Hauptarmirung gewählt wurden. Dieſe Geſchütze ſind von Arm- ſtrong gefertigt und beſtehen aus einem von ſchmiedeeiſernen Ringen umgebenen Stahlrohre. Entgegen den von Armſtrong für die beiden älteren Panzerkoloſſe der italieniſchen Marine »Duilio« und »Dandolo« gelieferten Vorderladegeſchütze von 45 Centimeter Caliber, ſind die der »Italia« Hinterlader. Von der Größe dieſer Ungethüme geben die nachſtehenden Daten eine Vorſtellung. Das Rohr hat eine Länge von nahezu 12 Meter; der Laderaum hat, um die 1000 Kilogramm ſchwere Granate und die Pulverladung von 375 Kilogramm aufnehmen zu können, eine Länge von 2‧6 Meter und einen Durchmeſſer von 48 Centimeter. Da die Ge- ſchütze zu beiden Seiten des Drehzapfens der Plattform ſtehen, ſo iſt es noth- wendig, daß beide gleichzeitig abgefeuert werden. Dies geſchieht deshalb mittelſt elektriſcher Zündung durch einen Druck auf einen Knopf. Schon im Frühjahre 1879 hatte die Krupp'ſche Fabrik eine 40 Centimeter- Kanone von 25 Meter Länge und einem Gewicht von 72 Tonnen hergeſtellt. Die Schießverſuche wurden mit 778 Kilogramm ſchweren Panzergranaten mit 220 Kilo- gramm Ladung angeſtellt; ſie ergaben eine Anfangsgeſchwindigkeit von 519 Meter und eine lebendige Kraft von 10.684 Metertonnen. Bald darauf ging man indeſſen zu 35 Caliber langen Kanonen über, und es war kein Grund vorhanden, von dem als zutreffend erkannten Grundſatze die 40 Centimeter-Kanone auszuſchließen. Man war überzeugt, daß dieſelbe die von Armſtrong für die italieniſche Marine gelieferten 100 Tonnen-Geſchütze von 45 und 43 Centimeter Caliber an Wirkung übertreffen würden. Dazu kommt, daß eines der Rieſengeſchütze des »Duilio« zerſprang, was die italieniſche Regierung veranlaßte, bei Krupp eine Anzahl ſeiner 35 Caliber langen 40 Centimeter-Geſchütze zu beſtellen. Mitte des Jahres 1885

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 712. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/786>, abgerufen am 23.11.2024.