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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

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Erster Abschnitt.
und an Stelle des vergänglichen und schweren Tauwerkes sind Drahtkabel ange-
wendet. Die Masten sind außerordentlich hoch; der Großmast mißt vom Kiel bis
Spitze 64 Meter, und es dürfte eine solche Höhe bis jetzt noch nicht erreicht
worden sein. Der Durchmesser desselben am Deck ist 0.8 Meter. Das Segelareal
umfaßt insgesammt 4700 Quadratmeter.

Wenden wir nun unsere Blicke nach der neuen Welt. In Nordamerika nahm
der Schiffbau, bedingt durch die eigenartigen hydrographischen Verhältnisse, eine
Entwickelung, die zunächst nur binnenländischen Interessen diente. Die amerika-
schen Bestrebungen nahmen von Anbeginn her die Richtung landeinwärts, von
Osten nach Westen. Dorthin geht auch die Richtung jener zahlreichen sehr bedeutenden
Nebenströme des Mississippi, und diese waren es, welche zu Beginn unseres Jahr-
hunderts zuerst von Flußdampfern befahren wurden. Am "stillen" Ohio wollte
Fitch sein Grab haben. Heute waltet dort das reichste Leben, und die riesigen
Dampfer, welche jenem ersten gebrechlichen Fahrzeugen gefolgt sind, steuern zum
Mississippi hinab, nach St. Louis, der "Metropole des Westens", wo an den
Uferstrecken ganze Flotten jener gigantischen Stromungethüme sich drängen, welche
die Reichthümer der Unionsstaaten auf dem Wasserwege der See zuführen.

Der Mississippi ist fast seiner ganzen Länge nach für Dampfer fahrbar.
Seine eigentliche Bedeutung erhält er unterhalb seiner in der Nähe der Haupt-
stadt von Minnesota, St. Paul, gelegenen Wasserfälle. Bis dahin, von der Mün-
dung gerechnet, sind es etwa 3000 englische Meilen. Der Oberlauf, in einer Länge
von 200 englischen Meilen, ist nur für kleinere Dampfer beschiffbar. Die großen
schwimmenden Paläste, welche von St. Paul ab verkehren, haben mitunter ganz
außergewöhnliche Dimensionen. Ein solcher Dampfer strebt mit seinen gewaltigen
Etagen, mit seinen Magazinen, Passagiersalons und sonstigen Räumlichkeiten nicht
nach der Tiefe, sondern in die Höhe. Einmal leck, ist das Fahrzeug fast augen-
blicklich verloren. Der Laderaum unterhalb der ersten Etage eines solchen Riesen
kann 6000 Ballen Baumwolle aufnehmen.

Die technische Physiognomie der amerikanischen Flußdampfer ergiebt sich nach
dem Vorgebrachten von selbst. Die Wasserverhältnisse machen es räthlich, den Tief-
gang der Dampfer 2 Meter nicht überschreiten zu lassen. Aber 1000 bis 1500 Fahr-
gäste und noch 100 Tonnen Frachtgut sollte ein solches Schiff aufnehmen können.
Das setzt einen flachen Boden voraus, der sich, zur Begünstigung der Fahr-
geschwindigkeit, vorne und hinten bogenförmig erhebt; der Bug theilt also nicht
das Wasser, sondern er "reitet" über dasselbe, wie der Amerikaner sagt. Die
Schiffe haben bis zu 130 Meter Länge, gegen 10 Meter Breite im Rumpf, aber
nur 2.5--3.5 Meter Raumtiefe. Darüber erhebt sich dann ein mehrstöckiger
Aufbau, der zu beiden Seiten mit breiten Galerien über die Bordwände über-
greift, so daß die Radkanten, ohne vorzukehren, in den Aufbau eingegliedert sind.

Wenn nun auch der Schiffsboden aus starken Bohlen hergestellt ist, war es
doch nöthig, zur Längsversteifung an jeder Bordwand die bis zu 7 Meter dieselben

Erſter Abſchnitt.
und an Stelle des vergänglichen und ſchweren Tauwerkes ſind Drahtkabel ange-
wendet. Die Maſten ſind außerordentlich hoch; der Großmaſt mißt vom Kiel bis
Spitze 64 Meter, und es dürfte eine ſolche Höhe bis jetzt noch nicht erreicht
worden ſein. Der Durchmeſſer desſelben am Deck iſt 0‧8 Meter. Das Segelareal
umfaßt insgeſammt 4700 Quadratmeter.

Wenden wir nun unſere Blicke nach der neuen Welt. In Nordamerika nahm
der Schiffbau, bedingt durch die eigenartigen hydrographiſchen Verhältniſſe, eine
Entwickelung, die zunächſt nur binnenländiſchen Intereſſen diente. Die amerika-
ſchen Beſtrebungen nahmen von Anbeginn her die Richtung landeinwärts, von
Oſten nach Weſten. Dorthin geht auch die Richtung jener zahlreichen ſehr bedeutenden
Nebenſtröme des Miſſiſſippi, und dieſe waren es, welche zu Beginn unſeres Jahr-
hunderts zuerſt von Flußdampfern befahren wurden. Am »ſtillen« Ohio wollte
Fitch ſein Grab haben. Heute waltet dort das reichſte Leben, und die rieſigen
Dampfer, welche jenem erſten gebrechlichen Fahrzeugen gefolgt ſind, ſteuern zum
Miſſiſſippi hinab, nach St. Louis, der »Metropole des Weſtens«, wo an den
Uferſtrecken ganze Flotten jener gigantiſchen Stromungethüme ſich drängen, welche
die Reichthümer der Unionsſtaaten auf dem Waſſerwege der See zuführen.

Der Miſſiſſippi iſt faſt ſeiner ganzen Länge nach für Dampfer fahrbar.
Seine eigentliche Bedeutung erhält er unterhalb ſeiner in der Nähe der Haupt-
ſtadt von Minneſota, St. Paul, gelegenen Waſſerfälle. Bis dahin, von der Mün-
dung gerechnet, ſind es etwa 3000 engliſche Meilen. Der Oberlauf, in einer Länge
von 200 engliſchen Meilen, iſt nur für kleinere Dampfer beſchiffbar. Die großen
ſchwimmenden Paläſte, welche von St. Paul ab verkehren, haben mitunter ganz
außergewöhnliche Dimenſionen. Ein ſolcher Dampfer ſtrebt mit ſeinen gewaltigen
Etagen, mit ſeinen Magazinen, Paſſagierſalons und ſonſtigen Räumlichkeiten nicht
nach der Tiefe, ſondern in die Höhe. Einmal leck, iſt das Fahrzeug faſt augen-
blicklich verloren. Der Laderaum unterhalb der erſten Etage eines ſolchen Rieſen
kann 6000 Ballen Baumwolle aufnehmen.

Die techniſche Phyſiognomie der amerikaniſchen Flußdampfer ergiebt ſich nach
dem Vorgebrachten von ſelbſt. Die Waſſerverhältniſſe machen es räthlich, den Tief-
gang der Dampfer 2 Meter nicht überſchreiten zu laſſen. Aber 1000 bis 1500 Fahr-
gäſte und noch 100 Tonnen Frachtgut ſollte ein ſolches Schiff aufnehmen können.
Das ſetzt einen flachen Boden voraus, der ſich, zur Begünſtigung der Fahr-
geſchwindigkeit, vorne und hinten bogenförmig erhebt; der Bug theilt alſo nicht
das Waſſer, ſondern er »reitet« über dasſelbe, wie der Amerikaner ſagt. Die
Schiffe haben bis zu 130 Meter Länge, gegen 10 Meter Breite im Rumpf, aber
nur 2‧5—3‧5 Meter Raumtiefe. Darüber erhebt ſich dann ein mehrſtöckiger
Aufbau, der zu beiden Seiten mit breiten Galerien über die Bordwände über-
greift, ſo daß die Radkanten, ohne vorzukehren, in den Aufbau eingegliedert ſind.

Wenn nun auch der Schiffsboden aus ſtarken Bohlen hergeſtellt iſt, war es
doch nöthig, zur Längsverſteifung an jeder Bordwand die bis zu 7 Meter dieſelben

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[414/0462] Erſter Abſchnitt. und an Stelle des vergänglichen und ſchweren Tauwerkes ſind Drahtkabel ange- wendet. Die Maſten ſind außerordentlich hoch; der Großmaſt mißt vom Kiel bis Spitze 64 Meter, und es dürfte eine ſolche Höhe bis jetzt noch nicht erreicht worden ſein. Der Durchmeſſer desſelben am Deck iſt 0‧8 Meter. Das Segelareal umfaßt insgeſammt 4700 Quadratmeter. Wenden wir nun unſere Blicke nach der neuen Welt. In Nordamerika nahm der Schiffbau, bedingt durch die eigenartigen hydrographiſchen Verhältniſſe, eine Entwickelung, die zunächſt nur binnenländiſchen Intereſſen diente. Die amerika- ſchen Beſtrebungen nahmen von Anbeginn her die Richtung landeinwärts, von Oſten nach Weſten. Dorthin geht auch die Richtung jener zahlreichen ſehr bedeutenden Nebenſtröme des Miſſiſſippi, und dieſe waren es, welche zu Beginn unſeres Jahr- hunderts zuerſt von Flußdampfern befahren wurden. Am »ſtillen« Ohio wollte Fitch ſein Grab haben. Heute waltet dort das reichſte Leben, und die rieſigen Dampfer, welche jenem erſten gebrechlichen Fahrzeugen gefolgt ſind, ſteuern zum Miſſiſſippi hinab, nach St. Louis, der »Metropole des Weſtens«, wo an den Uferſtrecken ganze Flotten jener gigantiſchen Stromungethüme ſich drängen, welche die Reichthümer der Unionsſtaaten auf dem Waſſerwege der See zuführen. Der Miſſiſſippi iſt faſt ſeiner ganzen Länge nach für Dampfer fahrbar. Seine eigentliche Bedeutung erhält er unterhalb ſeiner in der Nähe der Haupt- ſtadt von Minneſota, St. Paul, gelegenen Waſſerfälle. Bis dahin, von der Mün- dung gerechnet, ſind es etwa 3000 engliſche Meilen. Der Oberlauf, in einer Länge von 200 engliſchen Meilen, iſt nur für kleinere Dampfer beſchiffbar. Die großen ſchwimmenden Paläſte, welche von St. Paul ab verkehren, haben mitunter ganz außergewöhnliche Dimenſionen. Ein ſolcher Dampfer ſtrebt mit ſeinen gewaltigen Etagen, mit ſeinen Magazinen, Paſſagierſalons und ſonſtigen Räumlichkeiten nicht nach der Tiefe, ſondern in die Höhe. Einmal leck, iſt das Fahrzeug faſt augen- blicklich verloren. Der Laderaum unterhalb der erſten Etage eines ſolchen Rieſen kann 6000 Ballen Baumwolle aufnehmen. Die techniſche Phyſiognomie der amerikaniſchen Flußdampfer ergiebt ſich nach dem Vorgebrachten von ſelbſt. Die Waſſerverhältniſſe machen es räthlich, den Tief- gang der Dampfer 2 Meter nicht überſchreiten zu laſſen. Aber 1000 bis 1500 Fahr- gäſte und noch 100 Tonnen Frachtgut ſollte ein ſolches Schiff aufnehmen können. Das ſetzt einen flachen Boden voraus, der ſich, zur Begünſtigung der Fahr- geſchwindigkeit, vorne und hinten bogenförmig erhebt; der Bug theilt alſo nicht das Waſſer, ſondern er »reitet« über dasſelbe, wie der Amerikaner ſagt. Die Schiffe haben bis zu 130 Meter Länge, gegen 10 Meter Breite im Rumpf, aber nur 2‧5—3‧5 Meter Raumtiefe. Darüber erhebt ſich dann ein mehrſtöckiger Aufbau, der zu beiden Seiten mit breiten Galerien über die Bordwände über- greift, ſo daß die Radkanten, ohne vorzukehren, in den Aufbau eingegliedert ſind. Wenn nun auch der Schiffsboden aus ſtarken Bohlen hergeſtellt iſt, war es doch nöthig, zur Längsverſteifung an jeder Bordwand die bis zu 7 Meter dieſelben

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/462>, abgerufen am 22.11.2024.