Vereingten Staaten, Frankreich, Deutschland und Japan treiben vorwärts. Der Unternehmungs- und Erfindungsgeist des Westens paart sich mit der beharrlichen Arbeit des Ostens, neue Triumphe der Schiffbaukunst zu erreichen. Vor 20 Jahren würde Jeder als hoffnungsloser Pessimist verlacht worden sein, der prophezeit hätte, daß Deutschland am Ende des 19. Jahrhunderts in schweren Maschinen, und überhaupt in Eisenwaaren, England theilweise überflügeln würde, was schon heute als unangenehme Thatsache anerkannt werden muß. In Berücksichtigung einer solchen Lection würde es widersinnig sein, behaupten zu wollen, daß wir (England) einem hervorragenden Industriezweige, dem Schiffbau, uns darauf verlassen können, stets den ersten Platz einzunehmen. Es liegt absolut kein genügender Grund vor, weshalb Deutschland, das uns in einigen Zweigen der Eisen- und Stahlindustrie schon vorausgeeilt ist, nicht ebensogut im Stande sein sollte, auch in der Schiffbau- technik uns zu erreichen. ... Der Schiffbau gehört zu den verwickeltsten und schwersten Künsten. Es ist jedoch bereits erwiesen, daß deutscher Unternehmungsgeist im Stande ist, den höchsten Anforderungen Genüge zu leisten u. s. w."
Trotz dieses ehrenden Zeugnisses ist nicht zu leugnen, daß die deutsche Schiffbauindustrie noch vielfach von England abhängig ist. Nicht nur werden Jahr für Jahr viele große und größte Schiffe seitens der deutschen Rhedereien englischen Werften in Auftrag gegeben, sondern es sind zugleich auch die einheimischen Werften bezüglich des Schiffbaumateriales an England gewiesen. Dies erklärt sich zum Theil daraus, daß die Auftraggeber es zumeist sehr eilig mit der Fertigstellung neuer Schiffe haben, und in solchen Fällen sind sie in den meisten Fällen an englische Etablissements, denen die denkbar größte Leistungsfähigkeit zukommt, angewiesen. England verfügt eben über die umfangreichste Werftindustrie; so herrscht beispiels- weise am Clyde allein eine Thätigkeit, deren Leistung in einem einzigen Monat derjenigen eines ganzen Jahres auf allen deutschen Werften zusammengenommen entspricht. Das will denn doch etwas sagen. Es giebt am Clyde einige 30 Werften, darunter solche (z. B. Fairfield) von ganz enormer Ausdehnung. Alle diese Werften haben ihr Schiffbaumateriale sozusagen vor der Thüre, wodurch sehr ins Gewicht fallende Ersparnisse an Zeit und Fracht erzielt werden können, die wieder auf den Herstellungspreis von in Auftrag genommenen Schiffen rückwirken.
Alles in Allem: Die deutsche Stahlerzeugung übertrifft zwar schon jetzt die englische, doch ist das ausländische Material, bei gleicher oder fast gleicher Güte, weit billiger. Von welcher Wichtigkeit dieser Umstand auf den Schiffbau ist, ergiebt sich aus der nachfolgenden Zusammenstellung. Es liefen in Großbritannien Handels- schiffe vom Stapel mit einem Gesammttonnengehalte von:
1,194.784 Tonnen im Jahre 1892 mit etwa 526.000 Tonnen Stahl
887.000 " " " 1893 " " 386.000 " "
1,080.419 " " " 1894 " " 475.000 " "
1,074.870 " " " 1895 " " 473.000 " "
1,316.906 " " " 1896 " " 579.000 " "
Erſter Abſchnitt.
Vereingten Staaten, Frankreich, Deutſchland und Japan treiben vorwärts. Der Unternehmungs- und Erfindungsgeiſt des Weſtens paart ſich mit der beharrlichen Arbeit des Oſtens, neue Triumphe der Schiffbaukunſt zu erreichen. Vor 20 Jahren würde Jeder als hoffnungsloſer Peſſimiſt verlacht worden ſein, der prophezeit hätte, daß Deutſchland am Ende des 19. Jahrhunderts in ſchweren Maſchinen, und überhaupt in Eiſenwaaren, England theilweiſe überflügeln würde, was ſchon heute als unangenehme Thatſache anerkannt werden muß. In Berückſichtigung einer ſolchen Lection würde es widerſinnig ſein, behaupten zu wollen, daß wir (England) einem hervorragenden Induſtriezweige, dem Schiffbau, uns darauf verlaſſen können, ſtets den erſten Platz einzunehmen. Es liegt abſolut kein genügender Grund vor, weshalb Deutſchland, das uns in einigen Zweigen der Eiſen- und Stahlinduſtrie ſchon vorausgeeilt iſt, nicht ebenſogut im Stande ſein ſollte, auch in der Schiffbau- technik uns zu erreichen. ... Der Schiffbau gehört zu den verwickeltſten und ſchwerſten Künſten. Es iſt jedoch bereits erwieſen, daß deutſcher Unternehmungsgeiſt im Stande iſt, den höchſten Anforderungen Genüge zu leiſten u. ſ. w.«
Trotz dieſes ehrenden Zeugniſſes iſt nicht zu leugnen, daß die deutſche Schiffbauinduſtrie noch vielfach von England abhängig iſt. Nicht nur werden Jahr für Jahr viele große und größte Schiffe ſeitens der deutſchen Rhedereien engliſchen Werften in Auftrag gegeben, ſondern es ſind zugleich auch die einheimiſchen Werften bezüglich des Schiffbaumateriales an England gewieſen. Dies erklärt ſich zum Theil daraus, daß die Auftraggeber es zumeiſt ſehr eilig mit der Fertigſtellung neuer Schiffe haben, und in ſolchen Fällen ſind ſie in den meiſten Fällen an engliſche Etabliſſements, denen die denkbar größte Leiſtungsfähigkeit zukommt, angewieſen. England verfügt eben über die umfangreichſte Werftinduſtrie; ſo herrſcht beiſpiels- weiſe am Clyde allein eine Thätigkeit, deren Leiſtung in einem einzigen Monat derjenigen eines ganzen Jahres auf allen deutſchen Werften zuſammengenommen entſpricht. Das will denn doch etwas ſagen. Es giebt am Clyde einige 30 Werften, darunter ſolche (z. B. Fairfield) von ganz enormer Ausdehnung. Alle dieſe Werften haben ihr Schiffbaumateriale ſozuſagen vor der Thüre, wodurch ſehr ins Gewicht fallende Erſparniſſe an Zeit und Fracht erzielt werden können, die wieder auf den Herſtellungspreis von in Auftrag genommenen Schiffen rückwirken.
Alles in Allem: Die deutſche Stahlerzeugung übertrifft zwar ſchon jetzt die engliſche, doch iſt das ausländiſche Material, bei gleicher oder faſt gleicher Güte, weit billiger. Von welcher Wichtigkeit dieſer Umſtand auf den Schiffbau iſt, ergiebt ſich aus der nachfolgenden Zuſammenſtellung. Es liefen in Großbritannien Handels- ſchiffe vom Stapel mit einem Geſammttonnengehalte von:
1,194.784 Tonnen im Jahre 1892 mit etwa 526.000 Tonnen Stahl
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Erſter Abſchnitt.
Vereingten Staaten, Frankreich, Deutſchland und Japan treiben vorwärts. Der
Unternehmungs- und Erfindungsgeiſt des Weſtens paart ſich mit der beharrlichen
Arbeit des Oſtens, neue Triumphe der Schiffbaukunſt zu erreichen. Vor 20 Jahren
würde Jeder als hoffnungsloſer Peſſimiſt verlacht worden ſein, der prophezeit hätte,
daß Deutſchland am Ende des 19. Jahrhunderts in ſchweren Maſchinen, und
überhaupt in Eiſenwaaren, England theilweiſe überflügeln würde, was ſchon heute
als unangenehme Thatſache anerkannt werden muß. In Berückſichtigung einer
ſolchen Lection würde es widerſinnig ſein, behaupten zu wollen, daß wir (England)
einem hervorragenden Induſtriezweige, dem Schiffbau, uns darauf verlaſſen können,
ſtets den erſten Platz einzunehmen. Es liegt abſolut kein genügender Grund vor,
weshalb Deutſchland, das uns in einigen Zweigen der Eiſen- und Stahlinduſtrie
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Künſten. Es iſt jedoch bereits erwieſen, daß deutſcher Unternehmungsgeiſt im Stande
iſt, den höchſten Anforderungen Genüge zu leiſten u. ſ. w.«
Trotz dieſes ehrenden Zeugniſſes iſt nicht zu leugnen, daß die deutſche
Schiffbauinduſtrie noch vielfach von England abhängig iſt. Nicht nur werden Jahr
für Jahr viele große und größte Schiffe ſeitens der deutſchen Rhedereien engliſchen
Werften in Auftrag gegeben, ſondern es ſind zugleich auch die einheimiſchen Werften
bezüglich des Schiffbaumateriales an England gewieſen. Dies erklärt ſich zum Theil
daraus, daß die Auftraggeber es zumeiſt ſehr eilig mit der Fertigſtellung neuer
Schiffe haben, und in ſolchen Fällen ſind ſie in den meiſten Fällen an engliſche
Etabliſſements, denen die denkbar größte Leiſtungsfähigkeit zukommt, angewieſen.
England verfügt eben über die umfangreichſte Werftinduſtrie; ſo herrſcht beiſpiels-
weiſe am Clyde allein eine Thätigkeit, deren Leiſtung in einem einzigen Monat
derjenigen eines ganzen Jahres auf allen deutſchen Werften zuſammengenommen
entſpricht. Das will denn doch etwas ſagen. Es giebt am Clyde einige 30 Werften,
darunter ſolche (z. B. Fairfield) von ganz enormer Ausdehnung. Alle dieſe Werften
haben ihr Schiffbaumateriale ſozuſagen vor der Thüre, wodurch ſehr ins Gewicht
fallende Erſparniſſe an Zeit und Fracht erzielt werden können, die wieder auf den
Herſtellungspreis von in Auftrag genommenen Schiffen rückwirken.
Alles in Allem: Die deutſche Stahlerzeugung übertrifft zwar ſchon jetzt die
engliſche, doch iſt das ausländiſche Material, bei gleicher oder faſt gleicher Güte,
weit billiger. Von welcher Wichtigkeit dieſer Umſtand auf den Schiffbau iſt, ergiebt
ſich aus der nachfolgenden Zuſammenſtellung. Es liefen in Großbritannien Handels-
ſchiffe vom Stapel mit einem Geſammttonnengehalte von:
1,194.784 Tonnen im Jahre 1892 mit etwa 526.000 Tonnen Stahl
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/458>, abgerufen am 22.11.2024.
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