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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

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Erster Abschnitt.

Das nächste Werk, dem unser Besuch gilt, ist der sogenannte Schmelzbau,
die Heimstätte des berühmten Krupp'schen Tiegelstahles oder "Gußstahles" schlecht-
weg. Es ist ein gewaltiger Raum, den wir vor uns haben, ähnlich einer Kathedrale
durch hohe eiserne Säulen in drei Schiffe getheilt, deren mittleres den eigentlichen
Gießraum bildet. Hier zieht sich der ganzen Länge nach der 4 Meter breite Gieß-
canal, längs welchem fahrbare Krahne zur Arbeit bereit stehen. Die beiden Seiten-
schiffe bieten ausreichend Platz für alle nothwendigen Hantirungen. Der Gußcanal
dient zur Aufnahme der Formen für die zu gießenden Stahlblöcke, deren größte
das enorme Gewicht von 50 Tonnen erreichen. Die Form hat die Gestalt eines
mäßig sich verjüngenden stumpfen Hohlkegels und ruht mit der breiten Fläche auf
der Sohle des Canales. Er ist aus Gußeisen und so stark dimensionirt, daß sein
Gewicht kaum hinter demjenigen der aufzunehmenden Gußmasse zurücksteht.

Sobald die Form bereitgestellt ist, wird sie mit Eisenplatten, welche nur zwei
Löcher frei lassen, bedeckt. Zu diesen Oeffnungen führen beiderseits in der Achse der
Halle und des Canales je eine Gußrinne, dazu bestimmt, die Form mit der Gieß-
masse zu füllen. Die Schmelzöfen, welche diese letztere liefern, flankiren die Halle.
Zur Seite eines jeden solchen Schmelzofens befindet sich ein Glühofen, in welchem
die Tiegel vorgewärmt werden. Das Füllen derselben mit dem kalten Rohmaterial
findet in einem Nebenraume statt. Hier werden mittelst einer eigens zu diesem
Zwecke hergerichteten Walze die Stäbe aus Rohstahl in kleine Stücke zerbrochen,
was sich dem Besucher durch das eigenthümliche knackende Geräusch kundgiebt. Die
Stücke werden, in bestimmten Gewichtsmengen und nach Qualität geordnet, in die
Tiegel gebracht, welche sodann mittelst einer Förderanlage (Schienen und Lauf-
rollen) zu den Ofenkammern befördert werden. Jeder Tiegel erhält einen Deckel,
welcher an zwei Stellen durchlocht ist. Die dem Rande zu gelegene Oeffnung dient
als Ausguß, die andere, mehr nach der Mitte hin angebrachte, zur Beobachtung
des Schmelzprocesses.

Die Schmelzöfen werden mit Generatorgas geheizt, zu welchem Zwecke in
der Krupp'schen Fabrik über 60 Gaserzeuger in Thätigkeit sind. Die Gase sind
bereits auf 1000° vorgewärmt, wenn sie in die Oefen gelangen. Die Beschickung
derselben mit den bereitgestellten Tiegeln erfolgt mittelst langer, ausbalancirter
Zangen, welche es dem Schmelzer gestatten, in ausreichend großer Entfernung von
dem Gluthherde zu hantiren. In gleicher Weise werden die Tiegel aus den Oefen
genommen, wenn der Schmelzproceß beendet ist. Nachdem das letztere geschehen,
stehen zwei Leute bereit, welche jeden aus dem Ofen kommenden Tiegel mit der
Hängezange fassen und ihn rasch an die Ofenecke befördern. Hier wird jeder Tiegel
von je einem Gießerpaar übernommen, d. h. mit einer zweigriffigen Zange festge-
klemmt und nach der Gießrinne getragen. Die Entleerung geschieht durch das er-
wähnte Randloch, aus welchem der Stahl dünnflüssig abfließt. Paarweise folgen
die Gießer einander, und ebenso regelmäßig und mit größter Präcision spielen sich
alle übrigen Hantirungen ab. Aber gerade diese Ordnung überrascht den Besucher,

Erſter Abſchnitt.

Das nächſte Werk, dem unſer Beſuch gilt, iſt der ſogenannte Schmelzbau,
die Heimſtätte des berühmten Krupp'ſchen Tiegelſtahles oder »Gußſtahles« ſchlecht-
weg. Es iſt ein gewaltiger Raum, den wir vor uns haben, ähnlich einer Kathedrale
durch hohe eiſerne Säulen in drei Schiffe getheilt, deren mittleres den eigentlichen
Gießraum bildet. Hier zieht ſich der ganzen Länge nach der 4 Meter breite Gieß-
canal, längs welchem fahrbare Krahne zur Arbeit bereit ſtehen. Die beiden Seiten-
ſchiffe bieten ausreichend Platz für alle nothwendigen Hantirungen. Der Gußcanal
dient zur Aufnahme der Formen für die zu gießenden Stahlblöcke, deren größte
das enorme Gewicht von 50 Tonnen erreichen. Die Form hat die Geſtalt eines
mäßig ſich verjüngenden ſtumpfen Hohlkegels und ruht mit der breiten Fläche auf
der Sohle des Canales. Er iſt aus Gußeiſen und ſo ſtark dimenſionirt, daß ſein
Gewicht kaum hinter demjenigen der aufzunehmenden Gußmaſſe zurückſteht.

Sobald die Form bereitgeſtellt iſt, wird ſie mit Eiſenplatten, welche nur zwei
Löcher frei laſſen, bedeckt. Zu dieſen Oeffnungen führen beiderſeits in der Achſe der
Halle und des Canales je eine Gußrinne, dazu beſtimmt, die Form mit der Gieß-
maſſe zu füllen. Die Schmelzöfen, welche dieſe letztere liefern, flankiren die Halle.
Zur Seite eines jeden ſolchen Schmelzofens befindet ſich ein Glühofen, in welchem
die Tiegel vorgewärmt werden. Das Füllen derſelben mit dem kalten Rohmaterial
findet in einem Nebenraume ſtatt. Hier werden mittelſt einer eigens zu dieſem
Zwecke hergerichteten Walze die Stäbe aus Rohſtahl in kleine Stücke zerbrochen,
was ſich dem Beſucher durch das eigenthümliche knackende Geräuſch kundgiebt. Die
Stücke werden, in beſtimmten Gewichtsmengen und nach Qualität geordnet, in die
Tiegel gebracht, welche ſodann mittelſt einer Förderanlage (Schienen und Lauf-
rollen) zu den Ofenkammern befördert werden. Jeder Tiegel erhält einen Deckel,
welcher an zwei Stellen durchlocht iſt. Die dem Rande zu gelegene Oeffnung dient
als Ausguß, die andere, mehr nach der Mitte hin angebrachte, zur Beobachtung
des Schmelzproceſſes.

Die Schmelzöfen werden mit Generatorgas geheizt, zu welchem Zwecke in
der Krupp'ſchen Fabrik über 60 Gaserzeuger in Thätigkeit ſind. Die Gaſe ſind
bereits auf 1000° vorgewärmt, wenn ſie in die Oefen gelangen. Die Beſchickung
derſelben mit den bereitgeſtellten Tiegeln erfolgt mittelſt langer, ausbalancirter
Zangen, welche es dem Schmelzer geſtatten, in ausreichend großer Entfernung von
dem Gluthherde zu hantiren. In gleicher Weiſe werden die Tiegel aus den Oefen
genommen, wenn der Schmelzproceß beendet iſt. Nachdem das letztere geſchehen,
ſtehen zwei Leute bereit, welche jeden aus dem Ofen kommenden Tiegel mit der
Hängezange faſſen und ihn raſch an die Ofenecke befördern. Hier wird jeder Tiegel
von je einem Gießerpaar übernommen, d. h. mit einer zweigriffigen Zange feſtge-
klemmt und nach der Gießrinne getragen. Die Entleerung geſchieht durch das er-
wähnte Randloch, aus welchem der Stahl dünnflüſſig abfließt. Paarweiſe folgen
die Gießer einander, und ebenſo regelmäßig und mit größter Präciſion ſpielen ſich
alle übrigen Hantirungen ab. Aber gerade dieſe Ordnung überraſcht den Beſucher,

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[140/0166] Erſter Abſchnitt. Das nächſte Werk, dem unſer Beſuch gilt, iſt der ſogenannte Schmelzbau, die Heimſtätte des berühmten Krupp'ſchen Tiegelſtahles oder »Gußſtahles« ſchlecht- weg. Es iſt ein gewaltiger Raum, den wir vor uns haben, ähnlich einer Kathedrale durch hohe eiſerne Säulen in drei Schiffe getheilt, deren mittleres den eigentlichen Gießraum bildet. Hier zieht ſich der ganzen Länge nach der 4 Meter breite Gieß- canal, längs welchem fahrbare Krahne zur Arbeit bereit ſtehen. Die beiden Seiten- ſchiffe bieten ausreichend Platz für alle nothwendigen Hantirungen. Der Gußcanal dient zur Aufnahme der Formen für die zu gießenden Stahlblöcke, deren größte das enorme Gewicht von 50 Tonnen erreichen. Die Form hat die Geſtalt eines mäßig ſich verjüngenden ſtumpfen Hohlkegels und ruht mit der breiten Fläche auf der Sohle des Canales. Er iſt aus Gußeiſen und ſo ſtark dimenſionirt, daß ſein Gewicht kaum hinter demjenigen der aufzunehmenden Gußmaſſe zurückſteht. Sobald die Form bereitgeſtellt iſt, wird ſie mit Eiſenplatten, welche nur zwei Löcher frei laſſen, bedeckt. Zu dieſen Oeffnungen führen beiderſeits in der Achſe der Halle und des Canales je eine Gußrinne, dazu beſtimmt, die Form mit der Gieß- maſſe zu füllen. Die Schmelzöfen, welche dieſe letztere liefern, flankiren die Halle. Zur Seite eines jeden ſolchen Schmelzofens befindet ſich ein Glühofen, in welchem die Tiegel vorgewärmt werden. Das Füllen derſelben mit dem kalten Rohmaterial findet in einem Nebenraume ſtatt. Hier werden mittelſt einer eigens zu dieſem Zwecke hergerichteten Walze die Stäbe aus Rohſtahl in kleine Stücke zerbrochen, was ſich dem Beſucher durch das eigenthümliche knackende Geräuſch kundgiebt. Die Stücke werden, in beſtimmten Gewichtsmengen und nach Qualität geordnet, in die Tiegel gebracht, welche ſodann mittelſt einer Förderanlage (Schienen und Lauf- rollen) zu den Ofenkammern befördert werden. Jeder Tiegel erhält einen Deckel, welcher an zwei Stellen durchlocht iſt. Die dem Rande zu gelegene Oeffnung dient als Ausguß, die andere, mehr nach der Mitte hin angebrachte, zur Beobachtung des Schmelzproceſſes. Die Schmelzöfen werden mit Generatorgas geheizt, zu welchem Zwecke in der Krupp'ſchen Fabrik über 60 Gaserzeuger in Thätigkeit ſind. Die Gaſe ſind bereits auf 1000° vorgewärmt, wenn ſie in die Oefen gelangen. Die Beſchickung derſelben mit den bereitgeſtellten Tiegeln erfolgt mittelſt langer, ausbalancirter Zangen, welche es dem Schmelzer geſtatten, in ausreichend großer Entfernung von dem Gluthherde zu hantiren. In gleicher Weiſe werden die Tiegel aus den Oefen genommen, wenn der Schmelzproceß beendet iſt. Nachdem das letztere geſchehen, ſtehen zwei Leute bereit, welche jeden aus dem Ofen kommenden Tiegel mit der Hängezange faſſen und ihn raſch an die Ofenecke befördern. Hier wird jeder Tiegel von je einem Gießerpaar übernommen, d. h. mit einer zweigriffigen Zange feſtge- klemmt und nach der Gießrinne getragen. Die Entleerung geſchieht durch das er- wähnte Randloch, aus welchem der Stahl dünnflüſſig abfließt. Paarweiſe folgen die Gießer einander, und ebenſo regelmäßig und mit größter Präciſion ſpielen ſich alle übrigen Hantirungen ab. Aber gerade dieſe Ordnung überraſcht den Beſucher,

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/166>, abgerufen am 22.11.2024.