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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Etschmiadsin, der Patriarchensitz.
dem Bewußtsein und der Macht eines unfehlbaren Ausübers göttlichen
Rechtes und göttlichen Willens. In jener Zeit, die noch in die
letzten abgelaufenen Jahrzehnte fällt, hatte ein Besuch des arme-
nischen Kirchenhauptes stets das Gepräge einer officiellen Audienz,
wobei jener, auf seinem schimmernden Throne sitzend, von zahl-
losen assistirenden Episkopen und Mönchen, die vor ihm das
Kniee beugten, umgeben war1.

An Etschmiadsin und St. Gregorios, der in hohem Greisenalter
in Erzingian (westwärts von Erzerum in Hoch-Armenien) starb und
dortselbst auch sein Grab gefunden hatte (in einer der natürlichen
Katakomben des Sepuh-Berges), knüpfte sich eine der bewegtesten
Epochen der Geschichte Armeniens. Als die Parthermacht in
Vorder-Asien gebrochen war und eine neue Dynastie sich des per-
sischen Thrones bemächtigt hatte, tauchte in Armenien plötzlich
ein thatendurstiger Arsaciden-Sprößling, Prinz Khosrew, auf,
der sofort gegen den Stifter der neuen Sassaniden-Dynastie,
Ardeschir-Babakhan, ins Feld rückte. Es war das letzte Auf-
flackern der alt-armenischen Unabhängigkeit. Leider ward der
Untergang des Arsaciden-Hauses durch einen ganz gewöhnlichen
Meuchelmord sehr unrühmlich herbeigeführt, denn Anag, ein an-
derer Arsacidenprinz und Schützling Ardeschirs, trat als Partei-
gänger für die Sassaniden auf und half mit diesen das frühere
Königshaus ausrotten, ohne zu bedenken, daß er in seinem eigenen
Fleisch und Blute wühlte2. Aus diesem allgemeinen Blutbade
vermochten die armenischen Parteigänger nur die beiden Kinder
Khosrews, Tiridat und seine Schwester Khosrewi-Tukht (wörtlich:
Khosrews Tochter) zu retten, welche so rasch wie möglich nach
Rom gebracht wurden. Dreißig Jahre währte der Aufenthalt
Tiridats in der Weltstadt am Tiber, dann kehrte er, wie schon
oben berichtet wurde, nicht unerheblich von Seite der Römer
unterstützt, in seine Heimat zurück, um die Sassaniden zu ver-
treiben und den Thron seiner Väter wieder in Besitz zu nehmen.

Erst von Dertad-Medz (das ist Tiridates II.) werden größere
Thaten gemeldet und in der armenischen Geschichte wird seiner

1 Macintosh bei K. Koch, "Die kaukas. Länder", 274.
2 St. Martin, "Mem. s. l'Arm.", I, a. a. O.

Etſchmiadſin, der Patriarchenſitz.
dem Bewußtſein und der Macht eines unfehlbaren Ausübers göttlichen
Rechtes und göttlichen Willens. In jener Zeit, die noch in die
letzten abgelaufenen Jahrzehnte fällt, hatte ein Beſuch des arme-
niſchen Kirchenhauptes ſtets das Gepräge einer officiellen Audienz,
wobei jener, auf ſeinem ſchimmernden Throne ſitzend, von zahl-
loſen aſſiſtirenden Episkopen und Mönchen, die vor ihm das
Kniee beugten, umgeben war1.

An Etſchmiadſin und St. Gregorios, der in hohem Greiſenalter
in Erzingian (weſtwärts von Erzerum in Hoch-Armenien) ſtarb und
dortſelbſt auch ſein Grab gefunden hatte (in einer der natürlichen
Katakomben des Sepuh-Berges), knüpfte ſich eine der bewegteſten
Epochen der Geſchichte Armeniens. Als die Parthermacht in
Vorder-Aſien gebrochen war und eine neue Dynaſtie ſich des per-
ſiſchen Thrones bemächtigt hatte, tauchte in Armenien plötzlich
ein thatendurſtiger Arſaciden-Sprößling, Prinz Khosrew, auf,
der ſofort gegen den Stifter der neuen Saſſaniden-Dynaſtie,
Ardeſchir-Babakhan, ins Feld rückte. Es war das letzte Auf-
flackern der alt-armeniſchen Unabhängigkeit. Leider ward der
Untergang des Arſaciden-Hauſes durch einen ganz gewöhnlichen
Meuchelmord ſehr unrühmlich herbeigeführt, denn Anag, ein an-
derer Arſacidenprinz und Schützling Ardeſchirs, trat als Partei-
gänger für die Saſſaniden auf und half mit dieſen das frühere
Königshaus ausrotten, ohne zu bedenken, daß er in ſeinem eigenen
Fleiſch und Blute wühlte2. Aus dieſem allgemeinen Blutbade
vermochten die armeniſchen Parteigänger nur die beiden Kinder
Khosrews, Tiridat und ſeine Schweſter Khosrewi-Tukht (wörtlich:
Khosrews Tochter) zu retten, welche ſo raſch wie möglich nach
Rom gebracht wurden. Dreißig Jahre währte der Aufenthalt
Tiridats in der Weltſtadt am Tiber, dann kehrte er, wie ſchon
oben berichtet wurde, nicht unerheblich von Seite der Römer
unterſtützt, in ſeine Heimat zurück, um die Saſſaniden zu ver-
treiben und den Thron ſeiner Väter wieder in Beſitz zu nehmen.

Erſt von Dertad-Medz (das iſt Tiridates II.) werden größere
Thaten gemeldet und in der armeniſchen Geſchichte wird ſeiner

1 Macintoſh bei K. Koch, „Die kaukaſ. Länder“, 274.
2 St. Martin, „Mém. s. l’Arm.“, I, a. a. O.
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[37/0069] Etſchmiadſin, der Patriarchenſitz. dem Bewußtſein und der Macht eines unfehlbaren Ausübers göttlichen Rechtes und göttlichen Willens. In jener Zeit, die noch in die letzten abgelaufenen Jahrzehnte fällt, hatte ein Beſuch des arme- niſchen Kirchenhauptes ſtets das Gepräge einer officiellen Audienz, wobei jener, auf ſeinem ſchimmernden Throne ſitzend, von zahl- loſen aſſiſtirenden Episkopen und Mönchen, die vor ihm das Kniee beugten, umgeben war 1. An Etſchmiadſin und St. Gregorios, der in hohem Greiſenalter in Erzingian (weſtwärts von Erzerum in Hoch-Armenien) ſtarb und dortſelbſt auch ſein Grab gefunden hatte (in einer der natürlichen Katakomben des Sepuh-Berges), knüpfte ſich eine der bewegteſten Epochen der Geſchichte Armeniens. Als die Parthermacht in Vorder-Aſien gebrochen war und eine neue Dynaſtie ſich des per- ſiſchen Thrones bemächtigt hatte, tauchte in Armenien plötzlich ein thatendurſtiger Arſaciden-Sprößling, Prinz Khosrew, auf, der ſofort gegen den Stifter der neuen Saſſaniden-Dynaſtie, Ardeſchir-Babakhan, ins Feld rückte. Es war das letzte Auf- flackern der alt-armeniſchen Unabhängigkeit. Leider ward der Untergang des Arſaciden-Hauſes durch einen ganz gewöhnlichen Meuchelmord ſehr unrühmlich herbeigeführt, denn Anag, ein an- derer Arſacidenprinz und Schützling Ardeſchirs, trat als Partei- gänger für die Saſſaniden auf und half mit dieſen das frühere Königshaus ausrotten, ohne zu bedenken, daß er in ſeinem eigenen Fleiſch und Blute wühlte 2. Aus dieſem allgemeinen Blutbade vermochten die armeniſchen Parteigänger nur die beiden Kinder Khosrews, Tiridat und ſeine Schweſter Khosrewi-Tukht (wörtlich: Khosrews Tochter) zu retten, welche ſo raſch wie möglich nach Rom gebracht wurden. Dreißig Jahre währte der Aufenthalt Tiridats in der Weltſtadt am Tiber, dann kehrte er, wie ſchon oben berichtet wurde, nicht unerheblich von Seite der Römer unterſtützt, in ſeine Heimat zurück, um die Saſſaniden zu ver- treiben und den Thron ſeiner Väter wieder in Beſitz zu nehmen. Erſt von Dertad-Medz (das iſt Tiridates II.) werden größere Thaten gemeldet und in der armeniſchen Geſchichte wird ſeiner 1 Macintoſh bei K. Koch, „Die kaukaſ. Länder“, 274. 2 St. Martin, „Mém. s. l’Arm.“, I, a. a. O.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/69>, abgerufen am 25.11.2024.