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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Einleitende Bemerkungen.
in die großen Forts im Nordosten -- die überdies durch die
Bürgermiliz vertheidigt wurden -- eingedrungen, und zwar ohne
besonders hartnäckigen Kampf. Als dann früh Morgens die
eigentliche Besatzungstruppe jenseit des Flusses und innerhalb
eines ganzen Kranzes starker Forts die russischen Flaggen auf
den Wällen der östlichen Fortificationen erblickte, hielt sie die
Capitulation für perfect und räumte ohne Kampf ihre Positionen.
Später über den Irrthum aufgeklärt, machte sie allerdings den
Versuch durchzubrechen, woran sie jedoch von den übrigen russischen
Cernirungs-Abtheilungen verhindert wurde. Der türkische Verlust
in dieser Affaire betrug vier Paschas, 22,000 Mann an Gefangenen,
dann 350 Geschütze, 6000 Zelte und 18,000 Gewehre. Die
Russen büßten bei dem Sturme 2700, die Türken 5000 Mann
an Todten und Verwundeten ein.

Der mit gewohnter Strenge hereingebrochene Winter hatte
alle Operationen zum Stillstande gebracht. Die Türken schickten
sich an, Erzerum zu vertheidigen, und wiesen auch mehrere An-
griffe auf die Außenwerke der Festung ab, im Uebrigen aber be-
schränkten sich die Russen mehr auf eine Beobachtung des Platzes,
sowie auf eine mälige Cernirung desselben, da sie ohne schwere
Belagerungsgeschütze an einen gewaltsamen Angriff nicht denken
konnten. Diese aber mitten im Winter über die verschneiten
Gebirge und Pässe zu schaffen, erwies sich nur zu bald als eine
absolute Unmöglichkeit. Die unerwarteten Erfolge der Russen
auf dem europäischen Kriegsschauplatze, die mehrfachen Balkan-
Uebergänge trotz Eis und Schnee, der Einzug der Armee des
Großfürsten Nicolaus in Adrianopel und die Offensive eines
Theiles derselben mitten im Winter gegen Constantinopel, waren
auch für den Verlauf des Feldzuges in Armenien von Ent-
scheidung. Am 1. Februar trat ein einmonatlicher Waffenstill-
stand in Europa und Asien in Kraft und am 3. März (n. St.)
ward der russisch-türkische Friedensvertrag zu San Stefano bei
Constantinopel unterzeichnet.

Nach Artikel XIX (Alinea b) dieses Vertrages erfolgte eine
Abtretung armenischer Gebietstheile an Rußland, die wie folgt
umschrieben wurden: Die neue Grenzlinie läuft, die Küste des
Schwarzen Meeres verlassend, dem Kamm der Berge entlang,
welche die Zuflüsse des Flusses Choppa von jenen des Tschuruk

Einleitende Bemerkungen.
in die großen Forts im Nordoſten — die überdies durch die
Bürgermiliz vertheidigt wurden — eingedrungen, und zwar ohne
beſonders hartnäckigen Kampf. Als dann früh Morgens die
eigentliche Beſatzungstruppe jenſeit des Fluſſes und innerhalb
eines ganzen Kranzes ſtarker Forts die ruſſiſchen Flaggen auf
den Wällen der öſtlichen Fortificationen erblickte, hielt ſie die
Capitulation für perfect und räumte ohne Kampf ihre Poſitionen.
Später über den Irrthum aufgeklärt, machte ſie allerdings den
Verſuch durchzubrechen, woran ſie jedoch von den übrigen ruſſiſchen
Cernirungs-Abtheilungen verhindert wurde. Der türkiſche Verluſt
in dieſer Affaire betrug vier Paſchas, 22,000 Mann an Gefangenen,
dann 350 Geſchütze, 6000 Zelte und 18,000 Gewehre. Die
Ruſſen büßten bei dem Sturme 2700, die Türken 5000 Mann
an Todten und Verwundeten ein.

Der mit gewohnter Strenge hereingebrochene Winter hatte
alle Operationen zum Stillſtande gebracht. Die Türken ſchickten
ſich an, Erzerum zu vertheidigen, und wieſen auch mehrere An-
griffe auf die Außenwerke der Feſtung ab, im Uebrigen aber be-
ſchränkten ſich die Ruſſen mehr auf eine Beobachtung des Platzes,
ſowie auf eine mälige Cernirung deſſelben, da ſie ohne ſchwere
Belagerungsgeſchütze an einen gewaltſamen Angriff nicht denken
konnten. Dieſe aber mitten im Winter über die verſchneiten
Gebirge und Päſſe zu ſchaffen, erwies ſich nur zu bald als eine
abſolute Unmöglichkeit. Die unerwarteten Erfolge der Ruſſen
auf dem europäiſchen Kriegsſchauplatze, die mehrfachen Balkan-
Uebergänge trotz Eis und Schnee, der Einzug der Armee des
Großfürſten Nicolaus in Adrianopel und die Offenſive eines
Theiles derſelben mitten im Winter gegen Conſtantinopel, waren
auch für den Verlauf des Feldzuges in Armenien von Ent-
ſcheidung. Am 1. Februar trat ein einmonatlicher Waffenſtill-
ſtand in Europa und Aſien in Kraft und am 3. März (n. St.)
ward der ruſſiſch-türkiſche Friedensvertrag zu San Stefano bei
Conſtantinopel unterzeichnet.

Nach Artikel XIX (Alinea b) dieſes Vertrages erfolgte eine
Abtretung armeniſcher Gebietstheile an Rußland, die wie folgt
umſchrieben wurden: Die neue Grenzlinie läuft, die Küſte des
Schwarzen Meeres verlaſſend, dem Kamm der Berge entlang,
welche die Zuflüſſe des Fluſſes Choppa von jenen des Tſchuruk

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[XXVI/0030] Einleitende Bemerkungen. in die großen Forts im Nordoſten — die überdies durch die Bürgermiliz vertheidigt wurden — eingedrungen, und zwar ohne beſonders hartnäckigen Kampf. Als dann früh Morgens die eigentliche Beſatzungstruppe jenſeit des Fluſſes und innerhalb eines ganzen Kranzes ſtarker Forts die ruſſiſchen Flaggen auf den Wällen der öſtlichen Fortificationen erblickte, hielt ſie die Capitulation für perfect und räumte ohne Kampf ihre Poſitionen. Später über den Irrthum aufgeklärt, machte ſie allerdings den Verſuch durchzubrechen, woran ſie jedoch von den übrigen ruſſiſchen Cernirungs-Abtheilungen verhindert wurde. Der türkiſche Verluſt in dieſer Affaire betrug vier Paſchas, 22,000 Mann an Gefangenen, dann 350 Geſchütze, 6000 Zelte und 18,000 Gewehre. Die Ruſſen büßten bei dem Sturme 2700, die Türken 5000 Mann an Todten und Verwundeten ein. Der mit gewohnter Strenge hereingebrochene Winter hatte alle Operationen zum Stillſtande gebracht. Die Türken ſchickten ſich an, Erzerum zu vertheidigen, und wieſen auch mehrere An- griffe auf die Außenwerke der Feſtung ab, im Uebrigen aber be- ſchränkten ſich die Ruſſen mehr auf eine Beobachtung des Platzes, ſowie auf eine mälige Cernirung deſſelben, da ſie ohne ſchwere Belagerungsgeſchütze an einen gewaltſamen Angriff nicht denken konnten. Dieſe aber mitten im Winter über die verſchneiten Gebirge und Päſſe zu ſchaffen, erwies ſich nur zu bald als eine abſolute Unmöglichkeit. Die unerwarteten Erfolge der Ruſſen auf dem europäiſchen Kriegsſchauplatze, die mehrfachen Balkan- Uebergänge trotz Eis und Schnee, der Einzug der Armee des Großfürſten Nicolaus in Adrianopel und die Offenſive eines Theiles derſelben mitten im Winter gegen Conſtantinopel, waren auch für den Verlauf des Feldzuges in Armenien von Ent- ſcheidung. Am 1. Februar trat ein einmonatlicher Waffenſtill- ſtand in Europa und Aſien in Kraft und am 3. März (n. St.) ward der ruſſiſch-türkiſche Friedensvertrag zu San Stefano bei Conſtantinopel unterzeichnet. Nach Artikel XIX (Alinea b) dieſes Vertrages erfolgte eine Abtretung armeniſcher Gebietstheile an Rußland, die wie folgt umſchrieben wurden: Die neue Grenzlinie läuft, die Küſte des Schwarzen Meeres verlaſſend, dem Kamm der Berge entlang, welche die Zuflüſſe des Fluſſes Choppa von jenen des Tſchuruk

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. XXVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/30>, abgerufen am 25.11.2024.