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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Anhang. Anatolische Fragmente.
erloschenen Vulkane Kleinasiens, bedecken. Dieser Bergriese erhebt
sich mit seiner Schneehaube als einziger, regelmäßiger Kegel in
die klare Bläue des anatolischen Himmels empor.

Von Newschehr ists übrigens nur ein Katzensprung zum
hochgehaltenen Wallfahrtsorte Hadschi-Begtasch. Keine Cultur,
kein Leben regt sich in dieser traurigen Wüste. Der wellenförmige
Weideboden nimmt eine scheinbar endlose Ausdehnung gegen
Osten, nur hin und wieder unterbrochen von den schwarzen
Kegelzelten der Kurden, welche in der Nähe des Wallfahrtsortes
gute Beute wittern. Um so großartiger ist der Rundblick nach
Süden hin. In stiller Majestät treten da vorerst aus der weiten
Plateau-Landschaft die Kegelberge Argäus und Hassan Dagh in
den Blick, hin und wieder umkränzt von üppigen Gärten; dahinter
wieder streckenweise baumlose Ebene, die im äußersten Hintergrunde
durch den verschwimmenden Gebirgswall des Taurus und Anti-
Taurus ihren Abschluß findet. Ein gut bewaffnetes Auge würde
auch in gerade südlicher Richtung eine gewaltige Unterbrechung
der Gebirgsmasse, eine großartige Kluft in ihr erblicken. Es
ist der einzige wegsamen Paß im südöstlichen Taurus, die soge-
nannte "eilicische Pforte", ein stummer Zeuge der welterschütterndsten
Völkerzüge aller Jahrtausende. Durch ihn zogen bereits die
Assyrier hinauf, als sie jenseits am mittelländischen Gestade Thar-
sus gegründet hatten; Alexanders Heer stieg dort zum Cydnus
und Issus hinab, die Schaaren der Saracenen und Seldschuken
in entgegengesetzter Richtung, nach jenem Gebiete herauf, das
wir soeben durchwandert haben. Auch die Mongolen und Tar-
taren, sowie die Kreuzfahrer haben immer nur diesen Paß benützt.
Zuletzt war es das Heer Ibrahim Paschas, das hier seinen
Weg nach Konja und Kjutachia fand. Es ist derselbe Weg, den

ermattet zu Boden sank und erst am folgenden Morgen im Stande war,
sich mühsam nach Ewerek zurückzuschleppen, worauf man ihn in sein Haus
zu Endirlük begleitete, wo er schon nach 3 Tagen den Folgen der An-
strengung erlag ... Am Nord- und Ostfuße des Argäus liegen allent-
halben die schönen Häuser und Gärten der armenischen Bewohner aus
der Umgebung von Kaisarie. Die Turkmenen sind friedlich; gleichwohl
plündern die kriegerischen Afscharen von den östlichen Bergen aus häufig
alle Dörfer bis zu den Thoren der Stadt. (Vgl. P. v. Tschichatscheff,
"Routen in Klein-Asien", Pet. Ergänzghft. Nr. 20, S. 12 u. 38.)

Anhang. Anatoliſche Fragmente.
erloſchenen Vulkane Kleinaſiens, bedecken. Dieſer Bergrieſe erhebt
ſich mit ſeiner Schneehaube als einziger, regelmäßiger Kegel in
die klare Bläue des anatoliſchen Himmels empor.

Von Newſchehr iſts übrigens nur ein Katzenſprung zum
hochgehaltenen Wallfahrtsorte Hadſchi-Begtaſch. Keine Cultur,
kein Leben regt ſich in dieſer traurigen Wüſte. Der wellenförmige
Weideboden nimmt eine ſcheinbar endloſe Ausdehnung gegen
Oſten, nur hin und wieder unterbrochen von den ſchwarzen
Kegelzelten der Kurden, welche in der Nähe des Wallfahrtsortes
gute Beute wittern. Um ſo großartiger iſt der Rundblick nach
Süden hin. In ſtiller Majeſtät treten da vorerſt aus der weiten
Plateau-Landſchaft die Kegelberge Argäus und Haſſan Dagh in
den Blick, hin und wieder umkränzt von üppigen Gärten; dahinter
wieder ſtreckenweiſe baumloſe Ebene, die im äußerſten Hintergrunde
durch den verſchwimmenden Gebirgswall des Taurus und Anti-
Taurus ihren Abſchluß findet. Ein gut bewaffnetes Auge würde
auch in gerade ſüdlicher Richtung eine gewaltige Unterbrechung
der Gebirgsmaſſe, eine großartige Kluft in ihr erblicken. Es
iſt der einzige wegſamen Paß im ſüdöſtlichen Taurus, die ſoge-
nannte „eiliciſche Pforte“, ein ſtummer Zeuge der welterſchütterndſten
Völkerzüge aller Jahrtauſende. Durch ihn zogen bereits die
Aſſyrier hinauf, als ſie jenſeits am mittelländiſchen Geſtade Thar-
ſus gegründet hatten; Alexanders Heer ſtieg dort zum Cydnus
und Iſſus hinab, die Schaaren der Saracenen und Seldſchuken
in entgegengeſetzter Richtung, nach jenem Gebiete herauf, das
wir ſoeben durchwandert haben. Auch die Mongolen und Tar-
taren, ſowie die Kreuzfahrer haben immer nur dieſen Paß benützt.
Zuletzt war es das Heer Ibrahim Paſchas, das hier ſeinen
Weg nach Konja und Kjutachia fand. Es iſt derſelbe Weg, den

ermattet zu Boden ſank und erſt am folgenden Morgen im Stande war,
ſich mühſam nach Ewerek zurückzuſchleppen, worauf man ihn in ſein Haus
zu Endirlük begleitete, wo er ſchon nach 3 Tagen den Folgen der An-
ſtrengung erlag … Am Nord- und Oſtfuße des Argäus liegen allent-
halben die ſchönen Häuſer und Gärten der armeniſchen Bewohner aus
der Umgebung von Kaiſarie. Die Turkmenen ſind friedlich; gleichwohl
plündern die kriegeriſchen Afſcharen von den öſtlichen Bergen aus häufig
alle Dörfer bis zu den Thoren der Stadt. (Vgl. P. v. Tſchichatſcheff,
„Routen in Klein-Aſien“, Pet. Ergänzghft. Nr. 20, S. 12 u. 38.)
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[186/0218] Anhang. Anatoliſche Fragmente. erloſchenen Vulkane Kleinaſiens, bedecken. Dieſer Bergrieſe erhebt ſich mit ſeiner Schneehaube als einziger, regelmäßiger Kegel in die klare Bläue des anatoliſchen Himmels empor. Von Newſchehr iſts übrigens nur ein Katzenſprung zum hochgehaltenen Wallfahrtsorte Hadſchi-Begtaſch. Keine Cultur, kein Leben regt ſich in dieſer traurigen Wüſte. Der wellenförmige Weideboden nimmt eine ſcheinbar endloſe Ausdehnung gegen Oſten, nur hin und wieder unterbrochen von den ſchwarzen Kegelzelten der Kurden, welche in der Nähe des Wallfahrtsortes gute Beute wittern. Um ſo großartiger iſt der Rundblick nach Süden hin. In ſtiller Majeſtät treten da vorerſt aus der weiten Plateau-Landſchaft die Kegelberge Argäus und Haſſan Dagh in den Blick, hin und wieder umkränzt von üppigen Gärten; dahinter wieder ſtreckenweiſe baumloſe Ebene, die im äußerſten Hintergrunde durch den verſchwimmenden Gebirgswall des Taurus und Anti- Taurus ihren Abſchluß findet. Ein gut bewaffnetes Auge würde auch in gerade ſüdlicher Richtung eine gewaltige Unterbrechung der Gebirgsmaſſe, eine großartige Kluft in ihr erblicken. Es iſt der einzige wegſamen Paß im ſüdöſtlichen Taurus, die ſoge- nannte „eiliciſche Pforte“, ein ſtummer Zeuge der welterſchütterndſten Völkerzüge aller Jahrtauſende. Durch ihn zogen bereits die Aſſyrier hinauf, als ſie jenſeits am mittelländiſchen Geſtade Thar- ſus gegründet hatten; Alexanders Heer ſtieg dort zum Cydnus und Iſſus hinab, die Schaaren der Saracenen und Seldſchuken in entgegengeſetzter Richtung, nach jenem Gebiete herauf, das wir ſoeben durchwandert haben. Auch die Mongolen und Tar- taren, ſowie die Kreuzfahrer haben immer nur dieſen Paß benützt. Zuletzt war es das Heer Ibrahim Paſchas, das hier ſeinen Weg nach Konja und Kjutachia fand. Es iſt derſelbe Weg, den 2 2 ermattet zu Boden ſank und erſt am folgenden Morgen im Stande war, ſich mühſam nach Ewerek zurückzuſchleppen, worauf man ihn in ſein Haus zu Endirlük begleitete, wo er ſchon nach 3 Tagen den Folgen der An- ſtrengung erlag … Am Nord- und Oſtfuße des Argäus liegen allent- halben die ſchönen Häuſer und Gärten der armeniſchen Bewohner aus der Umgebung von Kaiſarie. Die Turkmenen ſind friedlich; gleichwohl plündern die kriegeriſchen Afſcharen von den öſtlichen Bergen aus häufig alle Dörfer bis zu den Thoren der Stadt. (Vgl. P. v. Tſchichatſcheff, „Routen in Klein-Aſien“, Pet. Ergänzghft. Nr. 20, S. 12 u. 38.)

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/218>, abgerufen am 22.11.2024.