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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Smyrna.
Sonne leuchtet ihrem Lebenspfade, und wenn die Abenddämme-
rung durch die blutrothen Granatbaumblüthen bricht, oder die
dichten Oleanderkronen in duftigem Blaßroth erglühen macht,
erzählt Einer oder der Andere von vergangenen Tagen, oder
von Hedjas' glühendem Boden, wo das Heiligthum ihres Glau-
bens, die Kaaba, von Tausenden von Engeln bewacht wird.
Ja, beim Gemurmel der zahlreichen Quellen ringsum, vermissen
sie nicht einmal den Wunderbrunnen Zemzem 1.

Da wir nun schon einmal bei Bunarbaschi sind, so wollen
wir auch einen Blick auf das näher zu Smyrna liegende Bur-
nabat werfen. Wie jenes so ganz das Gepräge eines ächten
morgenländischen Asyls trägt, ist dieses nichts anderes, als eine
verzweifelt symmetrische Aneinanderreihung moderner Bauten, in-
mitten der weiten, sonnigen aber reizlosen Ebene. Hier liegen
die "Sommerfrischen" der Europäer. Wohl gibt es Matten
ringsum, auf denen vereinzelte Baumgruppen die ermüdende
Einförmigkeit unterbrechen, ja, sogar Gärtchen hinter den schmuck-
losen, europäisch nüchternen Gebäudefacaden, aber dies Alles hat
einen nur zweifelhaften Werth. Zudem liegt Burnabat an der
Karawanenstraße nach Manissa und der aufgewirbelte Staub
von Tausenden von Tragthieren, darunter namentlich viel Ka-
meelen, kann unmöglich zur Annehmlichkeit des Ortes beitragen.
Auch die Ebene ringsum ist eigentlich nur ein Tummelplatz zahl-
loser Pferde-, Büffel- und Kameelheerden ... An derselben
Stelle, wo einst die blühenden jonischen Niederlassungen standen,
findet man heute meist nur einschichtige Häuser. Und dennoch
ist diese Ebene nicht ohne Eindruck. Mit ihrer malerischen Um-
rahmung von kahlen Bergeshäuptern und dem tiefblauen Golf
im Westen, ist sie großartiger, als irgend ein Territorium um
Constantinopel. Der Geist vermag hier nicht müßig zu ver-
bleiben, wo ihn so zahlreiche Reminiscenzen in die Vergangen-
heit zurückführen. Assyrier, Jonier, Lydier, Macedonier, Römer,
Byzantiner, Osmanen und Tartaren haben diese Stätte bewohnt

1 Umsoweniger, als sie daheim das Getränk Gottes nicht zu bezahlen
brauchen, wie die pflichteifrigen Pilger im Moscheehofe zu Mekka, denen
oft, ob zu großer Armuth, selbst ein Labetrunk aus dem Wunderquell ein
unerschwinglicher Luxus bleibt. (Vgl. v. Maltzan, "Meine Wallfahrt nach
Mekka", II, 28, 101.)

Smyrna.
Sonne leuchtet ihrem Lebenspfade, und wenn die Abenddämme-
rung durch die blutrothen Granatbaumblüthen bricht, oder die
dichten Oleanderkronen in duftigem Blaßroth erglühen macht,
erzählt Einer oder der Andere von vergangenen Tagen, oder
von Hedjas’ glühendem Boden, wo das Heiligthum ihres Glau-
bens, die Kaaba, von Tauſenden von Engeln bewacht wird.
Ja, beim Gemurmel der zahlreichen Quellen ringsum, vermiſſen
ſie nicht einmal den Wunderbrunnen Zemzem 1.

Da wir nun ſchon einmal bei Bunarbaſchi ſind, ſo wollen
wir auch einen Blick auf das näher zu Smyrna liegende Bur-
nabat werfen. Wie jenes ſo ganz das Gepräge eines ächten
morgenländiſchen Aſyls trägt, iſt dieſes nichts anderes, als eine
verzweifelt ſymmetriſche Aneinanderreihung moderner Bauten, in-
mitten der weiten, ſonnigen aber reizloſen Ebene. Hier liegen
die „Sommerfriſchen“ der Europäer. Wohl gibt es Matten
ringsum, auf denen vereinzelte Baumgruppen die ermüdende
Einförmigkeit unterbrechen, ja, ſogar Gärtchen hinter den ſchmuck-
loſen, europäiſch nüchternen Gebäudefaçaden, aber dies Alles hat
einen nur zweifelhaften Werth. Zudem liegt Burnabat an der
Karawanenſtraße nach Maniſſa und der aufgewirbelte Staub
von Tauſenden von Tragthieren, darunter namentlich viel Ka-
meelen, kann unmöglich zur Annehmlichkeit des Ortes beitragen.
Auch die Ebene ringsum iſt eigentlich nur ein Tummelplatz zahl-
loſer Pferde-, Büffel- und Kameelheerden … An derſelben
Stelle, wo einſt die blühenden joniſchen Niederlaſſungen ſtanden,
findet man heute meiſt nur einſchichtige Häuſer. Und dennoch
iſt dieſe Ebene nicht ohne Eindruck. Mit ihrer maleriſchen Um-
rahmung von kahlen Bergeshäuptern und dem tiefblauen Golf
im Weſten, iſt ſie großartiger, als irgend ein Territorium um
Conſtantinopel. Der Geiſt vermag hier nicht müßig zu ver-
bleiben, wo ihn ſo zahlreiche Reminiscenzen in die Vergangen-
heit zurückführen. Aſſyrier, Jonier, Lydier, Macedonier, Römer,
Byzantiner, Osmanen und Tartaren haben dieſe Stätte bewohnt

1 Umſoweniger, als ſie daheim das Getränk Gottes nicht zu bezahlen
brauchen, wie die pflichteifrigen Pilger im Moſcheehofe zu Mekka, denen
oft, ob zu großer Armuth, ſelbſt ein Labetrunk aus dem Wunderquell ein
unerſchwinglicher Luxus bleibt. (Vgl. v. Maltzan, „Meine Wallfahrt nach
Mekka“, II, 28, 101.)
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[175/0207] Smyrna. Sonne leuchtet ihrem Lebenspfade, und wenn die Abenddämme- rung durch die blutrothen Granatbaumblüthen bricht, oder die dichten Oleanderkronen in duftigem Blaßroth erglühen macht, erzählt Einer oder der Andere von vergangenen Tagen, oder von Hedjas’ glühendem Boden, wo das Heiligthum ihres Glau- bens, die Kaaba, von Tauſenden von Engeln bewacht wird. Ja, beim Gemurmel der zahlreichen Quellen ringsum, vermiſſen ſie nicht einmal den Wunderbrunnen Zemzem 1. Da wir nun ſchon einmal bei Bunarbaſchi ſind, ſo wollen wir auch einen Blick auf das näher zu Smyrna liegende Bur- nabat werfen. Wie jenes ſo ganz das Gepräge eines ächten morgenländiſchen Aſyls trägt, iſt dieſes nichts anderes, als eine verzweifelt ſymmetriſche Aneinanderreihung moderner Bauten, in- mitten der weiten, ſonnigen aber reizloſen Ebene. Hier liegen die „Sommerfriſchen“ der Europäer. Wohl gibt es Matten ringsum, auf denen vereinzelte Baumgruppen die ermüdende Einförmigkeit unterbrechen, ja, ſogar Gärtchen hinter den ſchmuck- loſen, europäiſch nüchternen Gebäudefaçaden, aber dies Alles hat einen nur zweifelhaften Werth. Zudem liegt Burnabat an der Karawanenſtraße nach Maniſſa und der aufgewirbelte Staub von Tauſenden von Tragthieren, darunter namentlich viel Ka- meelen, kann unmöglich zur Annehmlichkeit des Ortes beitragen. Auch die Ebene ringsum iſt eigentlich nur ein Tummelplatz zahl- loſer Pferde-, Büffel- und Kameelheerden … An derſelben Stelle, wo einſt die blühenden joniſchen Niederlaſſungen ſtanden, findet man heute meiſt nur einſchichtige Häuſer. Und dennoch iſt dieſe Ebene nicht ohne Eindruck. Mit ihrer maleriſchen Um- rahmung von kahlen Bergeshäuptern und dem tiefblauen Golf im Weſten, iſt ſie großartiger, als irgend ein Territorium um Conſtantinopel. Der Geiſt vermag hier nicht müßig zu ver- bleiben, wo ihn ſo zahlreiche Reminiscenzen in die Vergangen- heit zurückführen. Aſſyrier, Jonier, Lydier, Macedonier, Römer, Byzantiner, Osmanen und Tartaren haben dieſe Stätte bewohnt 1 Umſoweniger, als ſie daheim das Getränk Gottes nicht zu bezahlen brauchen, wie die pflichteifrigen Pilger im Moſcheehofe zu Mekka, denen oft, ob zu großer Armuth, ſelbſt ein Labetrunk aus dem Wunderquell ein unerſchwinglicher Luxus bleibt. (Vgl. v. Maltzan, „Meine Wallfahrt nach Mekka“, II, 28, 101.)

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/207>, abgerufen am 28.04.2024.