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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Anhang. Anatolische Fragmente.
bloße akademische Jeremiade, wenn wir der zerstörten griechischen
Kunstschöpfungen gedenken, sondern eine verzweifelte Logik, da
neben den byzantinischen und alt-hellenischen Trümmern eben
auch jene der Osmanen früherer Jahrhunderte liegen. Auf
diesem Volke lastet somit nur mehr der Fluch, nicht nur fremde
Culturdenkmale von den Territorien, die es seit sechs Jahrhun-
derten inne hat, spurlos verschwinden gemacht, sondern seine
eigenen Werke dem Verfalle überliefert zu haben, um kommenden
Geschlechtern jede Erinnerung an das "Einst" zu benehmen.
Gegen derartige Thatsachen, die sich dem ernsten Forscher und
dem vorurtheilsfreien Reisenden in der Türkei, namentlich in der
asiatischen, allerorts aufdrängen, nützt aber am Ende weder ein Con-
ferenz-Protokoll, noch eine geistreichthuende politische Doctrin,
die sich nur darin gefällt, sich in ihren eigenen Phrasen zu
spiegeln ...

Auch weiterhin auf unserer Wanderung längs der bithy-
nischen Küste würden wir überall nur auf die Spuren crassester
Barbarei und Verwahrlosung der eigenen historischen Denkmale
stoßen, so zu Brussa, der Moscheen-geschmückten Stadt, am
Nordhange des Olymp, begraben im Grün der Kastanien und
Cypressen. Hier sind selbst die Prachtdome der ersten glorreichen
Sultane dem Einsturz nahe, während viele Dutzende von
Moscheen heute vollends nur mehr Schutthaufen repräsentiren.
Dafür aber gewahrt das Auge auch hier hin und wieder seld-
schukidischem Architekturschmuck, wie an der Moschee Mohammed I.,
mit der prächtigen Marmorterrasse und dem bunten Getäfel an
der Außenseite 1, ein wahres Meisterwerk orientalischer Kunst 2.
Aber auch Brussa ist nur eine Oase. Weiterhin am Mamara-
Gestade stoßen wir auf den Hafenort Mudania, mit seinen mo-
dernen Eisenbahnbauten weiter Muhalitsch, einst ein vielgenannter
Verbannungsort der katholischen Albanesen, wo sich schon vor
dreißig Jahren ähnliche Jammerbilder abspielten 3, gleich jenen,
an welchen die letztjährigen Orientereignisse so reich waren. Das
Meer erlöst uns vor weiteren ähnlichen Eindrücken und west-

1 Texier, "Asie mineure", a. a. O. p. 66.
2 Braun, a. a. O.
3 Ed. Michelsen, "Die Reformperiode d. Türkei", (1835--1855).

Anhang. Anatoliſche Fragmente.
bloße akademiſche Jeremiade, wenn wir der zerſtörten griechiſchen
Kunſtſchöpfungen gedenken, ſondern eine verzweifelte Logik, da
neben den byzantiniſchen und alt-helleniſchen Trümmern eben
auch jene der Osmanen früherer Jahrhunderte liegen. Auf
dieſem Volke laſtet ſomit nur mehr der Fluch, nicht nur fremde
Culturdenkmale von den Territorien, die es ſeit ſechs Jahrhun-
derten inne hat, ſpurlos verſchwinden gemacht, ſondern ſeine
eigenen Werke dem Verfalle überliefert zu haben, um kommenden
Geſchlechtern jede Erinnerung an das „Einſt“ zu benehmen.
Gegen derartige Thatſachen, die ſich dem ernſten Forſcher und
dem vorurtheilsfreien Reiſenden in der Türkei, namentlich in der
aſiatiſchen, allerorts aufdrängen, nützt aber am Ende weder ein Con-
ferenz-Protokoll, noch eine geiſtreichthuende politiſche Doctrin,
die ſich nur darin gefällt, ſich in ihren eigenen Phraſen zu
ſpiegeln …

Auch weiterhin auf unſerer Wanderung längs der bithy-
niſchen Küſte würden wir überall nur auf die Spuren craſſeſter
Barbarei und Verwahrloſung der eigenen hiſtoriſchen Denkmale
ſtoßen, ſo zu Bruſſa, der Moſcheen-geſchmückten Stadt, am
Nordhange des Olymp, begraben im Grün der Kaſtanien und
Cypreſſen. Hier ſind ſelbſt die Prachtdome der erſten glorreichen
Sultane dem Einſturz nahe, während viele Dutzende von
Moſcheen heute vollends nur mehr Schutthaufen repräſentiren.
Dafür aber gewahrt das Auge auch hier hin und wieder ſeld-
ſchukidiſchem Architekturſchmuck, wie an der Moſchee Mohammed I.,
mit der prächtigen Marmorterraſſe und dem bunten Getäfel an
der Außenſeite 1, ein wahres Meiſterwerk orientaliſcher Kunſt 2.
Aber auch Bruſſa iſt nur eine Oaſe. Weiterhin am Mamara-
Geſtade ſtoßen wir auf den Hafenort Mudania, mit ſeinen mo-
dernen Eiſenbahnbauten weiter Muhalitſch, einſt ein vielgenannter
Verbannungsort der katholiſchen Albaneſen, wo ſich ſchon vor
dreißig Jahren ähnliche Jammerbilder abſpielten 3, gleich jenen,
an welchen die letztjährigen Orientereigniſſe ſo reich waren. Das
Meer erlöſt uns vor weiteren ähnlichen Eindrücken und weſt-

1 Texier, „Asie mineure“, a. a. O. p. 66.
2 Braun, a. a. O.
3 Ed. Michelſen, „Die Reformperiode d. Türkei“, (1835—1855).
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[158/0190] Anhang. Anatoliſche Fragmente. bloße akademiſche Jeremiade, wenn wir der zerſtörten griechiſchen Kunſtſchöpfungen gedenken, ſondern eine verzweifelte Logik, da neben den byzantiniſchen und alt-helleniſchen Trümmern eben auch jene der Osmanen früherer Jahrhunderte liegen. Auf dieſem Volke laſtet ſomit nur mehr der Fluch, nicht nur fremde Culturdenkmale von den Territorien, die es ſeit ſechs Jahrhun- derten inne hat, ſpurlos verſchwinden gemacht, ſondern ſeine eigenen Werke dem Verfalle überliefert zu haben, um kommenden Geſchlechtern jede Erinnerung an das „Einſt“ zu benehmen. Gegen derartige Thatſachen, die ſich dem ernſten Forſcher und dem vorurtheilsfreien Reiſenden in der Türkei, namentlich in der aſiatiſchen, allerorts aufdrängen, nützt aber am Ende weder ein Con- ferenz-Protokoll, noch eine geiſtreichthuende politiſche Doctrin, die ſich nur darin gefällt, ſich in ihren eigenen Phraſen zu ſpiegeln … Auch weiterhin auf unſerer Wanderung längs der bithy- niſchen Küſte würden wir überall nur auf die Spuren craſſeſter Barbarei und Verwahrloſung der eigenen hiſtoriſchen Denkmale ſtoßen, ſo zu Bruſſa, der Moſcheen-geſchmückten Stadt, am Nordhange des Olymp, begraben im Grün der Kaſtanien und Cypreſſen. Hier ſind ſelbſt die Prachtdome der erſten glorreichen Sultane dem Einſturz nahe, während viele Dutzende von Moſcheen heute vollends nur mehr Schutthaufen repräſentiren. Dafür aber gewahrt das Auge auch hier hin und wieder ſeld- ſchukidiſchem Architekturſchmuck, wie an der Moſchee Mohammed I., mit der prächtigen Marmorterraſſe und dem bunten Getäfel an der Außenſeite 1, ein wahres Meiſterwerk orientaliſcher Kunſt 2. Aber auch Bruſſa iſt nur eine Oaſe. Weiterhin am Mamara- Geſtade ſtoßen wir auf den Hafenort Mudania, mit ſeinen mo- dernen Eiſenbahnbauten weiter Muhalitſch, einſt ein vielgenannter Verbannungsort der katholiſchen Albaneſen, wo ſich ſchon vor dreißig Jahren ähnliche Jammerbilder abſpielten 3, gleich jenen, an welchen die letztjährigen Orientereigniſſe ſo reich waren. Das Meer erlöſt uns vor weiteren ähnlichen Eindrücken und weſt- 1 Texier, „Asie mineure“, a. a. O. p. 66. 2 Braun, a. a. O. 3 Ed. Michelſen, „Die Reformperiode d. Türkei“, (1835—1855).

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/190>, abgerufen am 24.11.2024.