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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Osmans Grabstätte.
zumal im Thälchen von Biledschik 1, in dem wir auf unserer
Wanderung unversehens auf das Grab Osmans, des Gründers
der gleichnamigen Dynastie stoßen. Es liegt am Ende des Thales
und wird schon aus der Ferne erblickt, wenn man von Lefkeh
herüberkömmt. Dem Styl und Aussehen nach erinnert das
Denkmal an die gewöhnlichen Sultansgräber in Constantinopel 2.
Auch die Cypressen und immergrünes Buschwerk fehlt dem stillen
Todtenasyle nicht, in welchem die Gebeine Osmans und seines
Vaters Erthogrul nebeneinander ruhen. Neuester Zeit wollte
man auch von einem Grabe Osmans zu Brussa wissen, that-
sächlich wird aber dieses von den Türken selbst nur als ein
Denkmal angesehen.

1 Der Ort ist insoferne von historischer Bedeutung, als von hier aus
die ersten energischen Feindseligkeiten der Osmanen gegen das byzantinische
Reich begannen (1298). Vgl. W. Ainsworth, "Trav. and Res." II, 54.
2 Das imposanteste dieser Mausoleen ist jenes Suleiman des "Präch-
tigen", ein herrliches Bauwerk saracenischen Styles. Stolz, wie sein
Leben und Wirken, mahnt auch dies Monument an den verschollenen
Glanz des ruhmreichsten aller Sultane. Neben dieser Grabstätte ist zu-
nächst jene Mohammeds II. hervorzuheben, eigentlich ein ganzes Gebäude,
von den größten Dimensionen. Nicht weit hievon mahnen uns allerlei
Attribute und zierliche Embleme an ein erlauchtes Frauengrab. Hier
ruht Ailima, eine jener seltenen Zauber-Erscheinungen des Ostens; sie war
die Gattin Murads II. Die in zahlreichen nationalen Poesien fortlebende
Sultanin soll ein Wunder an Schönheit und Gelehrsamkeit gewesen sein,
da aber der zierliche Käfig, der das weibliche Kleinod einschließt, stumm
ist, so mag man den unterschiedlichen Panegyrikern nach Gutdünken Glauben
schenken. Neben der Moschee Bajazids II. liegt eine zweite, in den Tra-
ditionen der Türken hochgeehrte und vielgefeierte Frau, die Mutter des
genannten Sultans, Gül-Bahar, d. i.: "Frühlingsrose". Selim I., der
Eroberer Syriens und Egyptens, der die Janitscharen zuerst über den
Taurus nach den gesegneten Gebieten Mesopotamiens geführt und nach
einem unvergleichlichen Eroberungszuge bis an die Marken des "schwarzen
Continentes" gelangte, dieser grausame, aber tapfere Beherrscher der Os-
manen fand seine Ruhestätte neben der Moschee, der er als ihr Gründer
seinen Namen gegeben. Unter dem geschweiften Dache, über das sich
Platanenkronen beugen, ruht er allein -- wie er im Leben allein ohne
Freunde gestanden ... Im massiven und geräumigen Mausoleum der
Moschee Achmed I. finden wir eine ganze Reihe prächtiger Marmor-
Sarkophage. Hier ruht Osman II., der von den Janitscharen erdrosselt
wurde, und Murad IV., der 1640 eines natürlichen Todes starb; ferner

Osmans Grabſtätte.
zumal im Thälchen von Biledſchik 1, in dem wir auf unſerer
Wanderung unverſehens auf das Grab Osmans, des Gründers
der gleichnamigen Dynaſtie ſtoßen. Es liegt am Ende des Thales
und wird ſchon aus der Ferne erblickt, wenn man von Lefkeh
herüberkömmt. Dem Styl und Ausſehen nach erinnert das
Denkmal an die gewöhnlichen Sultansgräber in Conſtantinopel 2.
Auch die Cypreſſen und immergrünes Buſchwerk fehlt dem ſtillen
Todtenaſyle nicht, in welchem die Gebeine Osmans und ſeines
Vaters Erthogrul nebeneinander ruhen. Neueſter Zeit wollte
man auch von einem Grabe Osmans zu Bruſſa wiſſen, that-
ſächlich wird aber dieſes von den Türken ſelbſt nur als ein
Denkmal angeſehen.

1 Der Ort iſt inſoferne von hiſtoriſcher Bedeutung, als von hier aus
die erſten energiſchen Feindſeligkeiten der Osmanen gegen das byzantiniſche
Reich begannen (1298). Vgl. W. Ainsworth, „Trav. and Res.“ II, 54.
2 Das impoſanteſte dieſer Mauſoleen iſt jenes Suleiman des „Präch-
tigen“, ein herrliches Bauwerk ſaraceniſchen Styles. Stolz, wie ſein
Leben und Wirken, mahnt auch dies Monument an den verſchollenen
Glanz des ruhmreichſten aller Sultane. Neben dieſer Grabſtätte iſt zu-
nächſt jene Mohammeds II. hervorzuheben, eigentlich ein ganzes Gebäude,
von den größten Dimenſionen. Nicht weit hievon mahnen uns allerlei
Attribute und zierliche Embleme an ein erlauchtes Frauengrab. Hier
ruht Ailima, eine jener ſeltenen Zauber-Erſcheinungen des Oſtens; ſie war
die Gattin Murads II. Die in zahlreichen nationalen Poeſien fortlebende
Sultanin ſoll ein Wunder an Schönheit und Gelehrſamkeit geweſen ſein,
da aber der zierliche Käfig, der das weibliche Kleinod einſchließt, ſtumm
iſt, ſo mag man den unterſchiedlichen Panegyrikern nach Gutdünken Glauben
ſchenken. Neben der Moſchee Bajazids II. liegt eine zweite, in den Tra-
ditionen der Türken hochgeehrte und vielgefeierte Frau, die Mutter des
genannten Sultans, Gül-Bahar, d. i.: „Frühlingsroſe“. Selim I., der
Eroberer Syriens und Egyptens, der die Janitſcharen zuerſt über den
Taurus nach den geſegneten Gebieten Meſopotamiens geführt und nach
einem unvergleichlichen Eroberungszuge bis an die Marken des „ſchwarzen
Continentes“ gelangte, dieſer grauſame, aber tapfere Beherrſcher der Os-
manen fand ſeine Ruheſtätte neben der Moſchee, der er als ihr Gründer
ſeinen Namen gegeben. Unter dem geſchweiften Dache, über das ſich
Platanenkronen beugen, ruht er allein — wie er im Leben allein ohne
Freunde geſtanden … Im maſſiven und geräumigen Mauſoleum der
Moſchee Achmed I. finden wir eine ganze Reihe prächtiger Marmor-
Sarkophage. Hier ruht Osman II., der von den Janitſcharen erdroſſelt
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[155/0187] Osmans Grabſtätte. zumal im Thälchen von Biledſchik 1, in dem wir auf unſerer Wanderung unverſehens auf das Grab Osmans, des Gründers der gleichnamigen Dynaſtie ſtoßen. Es liegt am Ende des Thales und wird ſchon aus der Ferne erblickt, wenn man von Lefkeh herüberkömmt. Dem Styl und Ausſehen nach erinnert das Denkmal an die gewöhnlichen Sultansgräber in Conſtantinopel 2. Auch die Cypreſſen und immergrünes Buſchwerk fehlt dem ſtillen Todtenaſyle nicht, in welchem die Gebeine Osmans und ſeines Vaters Erthogrul nebeneinander ruhen. Neueſter Zeit wollte man auch von einem Grabe Osmans zu Bruſſa wiſſen, that- ſächlich wird aber dieſes von den Türken ſelbſt nur als ein Denkmal angeſehen. 1 Der Ort iſt inſoferne von hiſtoriſcher Bedeutung, als von hier aus die erſten energiſchen Feindſeligkeiten der Osmanen gegen das byzantiniſche Reich begannen (1298). Vgl. W. Ainsworth, „Trav. and Res.“ II, 54. 2 Das impoſanteſte dieſer Mauſoleen iſt jenes Suleiman des „Präch- tigen“, ein herrliches Bauwerk ſaraceniſchen Styles. Stolz, wie ſein Leben und Wirken, mahnt auch dies Monument an den verſchollenen Glanz des ruhmreichſten aller Sultane. Neben dieſer Grabſtätte iſt zu- nächſt jene Mohammeds II. hervorzuheben, eigentlich ein ganzes Gebäude, von den größten Dimenſionen. Nicht weit hievon mahnen uns allerlei Attribute und zierliche Embleme an ein erlauchtes Frauengrab. Hier ruht Ailima, eine jener ſeltenen Zauber-Erſcheinungen des Oſtens; ſie war die Gattin Murads II. Die in zahlreichen nationalen Poeſien fortlebende Sultanin ſoll ein Wunder an Schönheit und Gelehrſamkeit geweſen ſein, da aber der zierliche Käfig, der das weibliche Kleinod einſchließt, ſtumm iſt, ſo mag man den unterſchiedlichen Panegyrikern nach Gutdünken Glauben ſchenken. Neben der Moſchee Bajazids II. liegt eine zweite, in den Tra- ditionen der Türken hochgeehrte und vielgefeierte Frau, die Mutter des genannten Sultans, Gül-Bahar, d. i.: „Frühlingsroſe“. Selim I., der Eroberer Syriens und Egyptens, der die Janitſcharen zuerſt über den Taurus nach den geſegneten Gebieten Meſopotamiens geführt und nach einem unvergleichlichen Eroberungszuge bis an die Marken des „ſchwarzen Continentes“ gelangte, dieſer grauſame, aber tapfere Beherrſcher der Os- manen fand ſeine Ruheſtätte neben der Moſchee, der er als ihr Gründer ſeinen Namen gegeben. Unter dem geſchweiften Dache, über das ſich Platanenkronen beugen, ruht er allein — wie er im Leben allein ohne Freunde geſtanden … Im maſſiven und geräumigen Mauſoleum der Moſchee Achmed I. finden wir eine ganze Reihe prächtiger Marmor- Sarkophage. Hier ruht Osman II., der von den Janitſcharen erdroſſelt wurde, und Murad IV., der 1640 eines natürlichen Todes ſtarb; ferner

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/187>, abgerufen am 04.05.2024.