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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Anhang. Anatolische Fragmente.
nichts mehr zu sehen ist. Die Stadt an ihrer Stelle, Eskischehr,
welche sehr bald osmanisches Besitzthum geworden sein dürfte,
mag zweifellos schönere Tage gesehen haben, auf die schon die
Brückenruinen und andere Fragmente hinweisen. Die Gegend
ist aber ziemlich öde, im Westen kahle basaltische Berge mit
spärlichen Baumgruppen, tiefer im Sakaria-Thale weite Sumpf-
flächen mit zahlreichem Vogelwild, ostwärts die bereits oben er-
wähnten endlosen Grasflächen, das Schlachtfeld, auf dem Gottfried
von Bouillon seinen ersten Sieg über die Seldschuken errang 1.
Anderthalb Jahrhunderte später sollte es Conrad allerdings
anders ergehen und sein Heer wurde hier vernichtet, (vermuthlich
im Defile von Lefkeh), wie ja so manches andere der Kreuz-
fahrer im Innern Kleinasiens spurlos verschwand 2.

Bei Eskischehr betreten wir die eigentliche Wiege der Os-
maniden. Alaeddin belehnte Erthogrul mit der Grenzmark,
nahezu zur selben Zeit, als die europäische Ostmark in den Be-
sitz der Habsburger überging. Der Ort, welcher diesem Grenz-
sultanat den Namen gab, ist Inöngü 3, ein elendes Dorf, nicht
ganz fünf Meilen westlich von Eskischehr in einer kleinen Ebene
gelegen. Nackte Felsklippen mit Sepulcralkammern versehen,
umziehen die armselige Niederlassung. In den Felslöchern nisten
Adler und die verfallenen Thürme und Bastionen einer einstigen
Befestigung dienen den Schakalen zum Schlupfwinkel. Von
diesen Ruinen aus vermag man bereits ziemlich deutlich die
Schneewipfel des bithynischen Olymp wahrzunehmen und den
hohen Kammzug des Keschisch-Gebirges, das, gegen Osten mälig
abfallend, auch seinen Pflanzenschmuck, seine Waldbäume und
quellenreichen Thäler verliert. Ja zwischen Inöngü und Sögud,
ein Weg, den wir auf unserer weiteren Wanderung nunmehr
betreten, ist der Boden bereits durchweg vulkanisch, von Basalt-
gängen und Lavazügen durchsetzt und aus den bunten Schlacken
der letzteren sind auch die meisten Häuser des Städtchens Sögud
erbaut. Die Landschaft ist im Ganzen uninteressant, ausge-
nommen die Felsenhöhen und Marmorklippen der Nachbarschaft,

1 Wilken, "Geschichte der Kreuzzüge", I, 154 u. ff.
2 Braun, "Gemld. d. moh. Welt", 367.
3 Hammer-Purgstall, "Gesch. d. osm. Reiches" I, a. a. O.

Anhang. Anatoliſche Fragmente.
nichts mehr zu ſehen iſt. Die Stadt an ihrer Stelle, Eskiſchehr,
welche ſehr bald osmaniſches Beſitzthum geworden ſein dürfte,
mag zweifellos ſchönere Tage geſehen haben, auf die ſchon die
Brückenruinen und andere Fragmente hinweiſen. Die Gegend
iſt aber ziemlich öde, im Weſten kahle baſaltiſche Berge mit
ſpärlichen Baumgruppen, tiefer im Sakaria-Thale weite Sumpf-
flächen mit zahlreichem Vogelwild, oſtwärts die bereits oben er-
wähnten endloſen Grasflächen, das Schlachtfeld, auf dem Gottfried
von Bouillon ſeinen erſten Sieg über die Seldſchuken errang 1.
Anderthalb Jahrhunderte ſpäter ſollte es Conrad allerdings
anders ergehen und ſein Heer wurde hier vernichtet, (vermuthlich
im Defilé von Lefkeh), wie ja ſo manches andere der Kreuz-
fahrer im Innern Kleinaſiens ſpurlos verſchwand 2.

Bei Eskiſchehr betreten wir die eigentliche Wiege der Os-
maniden. Alaeddin belehnte Erthogrul mit der Grenzmark,
nahezu zur ſelben Zeit, als die europäiſche Oſtmark in den Be-
ſitz der Habsburger überging. Der Ort, welcher dieſem Grenz-
ſultanat den Namen gab, iſt Inöngü 3, ein elendes Dorf, nicht
ganz fünf Meilen weſtlich von Eskiſchehr in einer kleinen Ebene
gelegen. Nackte Felsklippen mit Sepulcralkammern verſehen,
umziehen die armſelige Niederlaſſung. In den Felslöchern niſten
Adler und die verfallenen Thürme und Baſtionen einer einſtigen
Befeſtigung dienen den Schakalen zum Schlupfwinkel. Von
dieſen Ruinen aus vermag man bereits ziemlich deutlich die
Schneewipfel des bithyniſchen Olymp wahrzunehmen und den
hohen Kammzug des Keſchiſch-Gebirges, das, gegen Oſten mälig
abfallend, auch ſeinen Pflanzenſchmuck, ſeine Waldbäume und
quellenreichen Thäler verliert. Ja zwiſchen Inöngü und Sögud,
ein Weg, den wir auf unſerer weiteren Wanderung nunmehr
betreten, iſt der Boden bereits durchweg vulkaniſch, von Baſalt-
gängen und Lavazügen durchſetzt und aus den bunten Schlacken
der letzteren ſind auch die meiſten Häuſer des Städtchens Sögud
erbaut. Die Landſchaft iſt im Ganzen unintereſſant, ausge-
nommen die Felſenhöhen und Marmorklippen der Nachbarſchaft,

1 Wilken, „Geſchichte der Kreuzzüge“, I, 154 u. ff.
2 Braun, „Gemld. d. moh. Welt“, 367.
3 Hammer-Purgſtall, „Geſch. d. osm. Reiches“ I, a. a. O.
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[154/0186] Anhang. Anatoliſche Fragmente. nichts mehr zu ſehen iſt. Die Stadt an ihrer Stelle, Eskiſchehr, welche ſehr bald osmaniſches Beſitzthum geworden ſein dürfte, mag zweifellos ſchönere Tage geſehen haben, auf die ſchon die Brückenruinen und andere Fragmente hinweiſen. Die Gegend iſt aber ziemlich öde, im Weſten kahle baſaltiſche Berge mit ſpärlichen Baumgruppen, tiefer im Sakaria-Thale weite Sumpf- flächen mit zahlreichem Vogelwild, oſtwärts die bereits oben er- wähnten endloſen Grasflächen, das Schlachtfeld, auf dem Gottfried von Bouillon ſeinen erſten Sieg über die Seldſchuken errang 1. Anderthalb Jahrhunderte ſpäter ſollte es Conrad allerdings anders ergehen und ſein Heer wurde hier vernichtet, (vermuthlich im Defilé von Lefkeh), wie ja ſo manches andere der Kreuz- fahrer im Innern Kleinaſiens ſpurlos verſchwand 2. Bei Eskiſchehr betreten wir die eigentliche Wiege der Os- maniden. Alaeddin belehnte Erthogrul mit der Grenzmark, nahezu zur ſelben Zeit, als die europäiſche Oſtmark in den Be- ſitz der Habsburger überging. Der Ort, welcher dieſem Grenz- ſultanat den Namen gab, iſt Inöngü 3, ein elendes Dorf, nicht ganz fünf Meilen weſtlich von Eskiſchehr in einer kleinen Ebene gelegen. Nackte Felsklippen mit Sepulcralkammern verſehen, umziehen die armſelige Niederlaſſung. In den Felslöchern niſten Adler und die verfallenen Thürme und Baſtionen einer einſtigen Befeſtigung dienen den Schakalen zum Schlupfwinkel. Von dieſen Ruinen aus vermag man bereits ziemlich deutlich die Schneewipfel des bithyniſchen Olymp wahrzunehmen und den hohen Kammzug des Keſchiſch-Gebirges, das, gegen Oſten mälig abfallend, auch ſeinen Pflanzenſchmuck, ſeine Waldbäume und quellenreichen Thäler verliert. Ja zwiſchen Inöngü und Sögud, ein Weg, den wir auf unſerer weiteren Wanderung nunmehr betreten, iſt der Boden bereits durchweg vulkaniſch, von Baſalt- gängen und Lavazügen durchſetzt und aus den bunten Schlacken der letzteren ſind auch die meiſten Häuſer des Städtchens Sögud erbaut. Die Landſchaft iſt im Ganzen unintereſſant, ausge- nommen die Felſenhöhen und Marmorklippen der Nachbarſchaft, 1 Wilken, „Geſchichte der Kreuzzüge“, I, 154 u. ff. 2 Braun, „Gemld. d. moh. Welt“, 367. 3 Hammer-Purgſtall, „Geſch. d. osm. Reiches“ I, a. a. O.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/186>, abgerufen am 22.11.2024.