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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Ueberblick auf Gesammt-Armenien.
und schließlich ein Jahrhundert später unter den abbassidischen
Chalifen. Alle diese Reiche mit einziger Ausnahme des ersten
persischen hatten ihren Hauptsitz in der herrlichen Stromebene,
welche das Herz West-Asiens mit seinen Schlagadern ausmacht.
Dort lag die Urahnin aller Städte, Babylon, und in seiner
Nähe erhob sich später das parthische und sassanidische Ktesiphon 1
und das arabisch-moslemische Bagdad.

Die geschichtliche und culturhistorische Stellung Armeniens
ergibt sich unmittelbar aus diesen geographischen Verhältnissen;
alle Einwirkungen und aller Einfluß kam entweder von Süden,
oder von Osten, als letztes Glied der Erhebungsmasse Mittel-
asiens. Die Assyrier hatten gar bald durch die großen Fluß-
thäler den Weg ins rauhere armenische Hochland gefunden, vor-
erst ins Becken von Van, später darüber hinaus, wodurch dies
Territorium ehestens in das Verhältniß eines Vasallenstaates
zum großen Weltreiche trat. Die Plastik des Landes, sowie seine
verhältnißmäßig geringeren Hilfsquellen waren gleichwohl Anlaß,
daß die Machtbestrebungen Assyriens sich weniger gegen Norden
hin bethätigten, als vielmehr gegen Nordwesten, in der Richtung
über Nordsyrien zum großen Tauruszuge, hinter dessen Pässen
das weitläufige anatolische Binnenland mit seinen selbstständigen
Reichen und seiner größeren Zugänglichkeit, in Folge der süd-
lichen und westlichen maritimen Begrenzung, die ninivitischen

That liefert dieser Ormuzddiener Nuschirwan den Beweis, daß ein Reich
blühen und gedeihen kann, auch ohne christlich oder mohammedanisch zu
sein. Als Nuschirwan einst krank war, heißt es, und eine Arznei aus
zerstampften Ziegelsteinen eines zerstörten Dorfes seines Reiches ihm ver-
ordnet wurde, kamen die ausgesandten Boten unverrichteter Sache wieder,
denn es gab kein zerstörtes Dorf im damaligen Sassanidenreiche.
1 In dieser Residenz, die nachmals verlassen wurde, fanden die ara-
bischen Eroberer (Saad Ibn Abu Wakkaß) angeblich Schätze von ganz unglaub-
lichem Werthe. Neben dem berühmten Throne war es namentlich ein
colossaler Teppich mit buntschimmerndem Saum, das Paradies vorstellend,
mit Blumen von Edelsteinen und goldenem Laubwerk. Man hatte das
kostbare Beutestück für Omar, den Chalifen, bestimmt, dieser aber, im
Glauben, nicht Alles für sich allein behalten zu sollen, zerschnitt den
Teppich eigenhändig um die einzelnen Stücke zu Medina unter die Parti-
sanen des Islams zu vertheilen. Alis Theil soll hiebei noch immer
10,000 Silberstücke werth gewesen sein (Vgl. Weil, "Geschichte der Chalifen",
I, a. a. O.)

Ueberblick auf Geſammt-Armenien.
und ſchließlich ein Jahrhundert ſpäter unter den abbaſſidiſchen
Chalifen. Alle dieſe Reiche mit einziger Ausnahme des erſten
perſiſchen hatten ihren Hauptſitz in der herrlichen Stromebene,
welche das Herz Weſt-Aſiens mit ſeinen Schlagadern ausmacht.
Dort lag die Urahnin aller Städte, Babylon, und in ſeiner
Nähe erhob ſich ſpäter das parthiſche und ſaſſanidiſche Kteſiphon 1
und das arabiſch-moslemiſche Bagdad.

Die geſchichtliche und culturhiſtoriſche Stellung Armeniens
ergibt ſich unmittelbar aus dieſen geographiſchen Verhältniſſen;
alle Einwirkungen und aller Einfluß kam entweder von Süden,
oder von Oſten, als letztes Glied der Erhebungsmaſſe Mittel-
aſiens. Die Aſſyrier hatten gar bald durch die großen Fluß-
thäler den Weg ins rauhere armeniſche Hochland gefunden, vor-
erſt ins Becken von Van, ſpäter darüber hinaus, wodurch dies
Territorium eheſtens in das Verhältniß eines Vaſallenſtaates
zum großen Weltreiche trat. Die Plaſtik des Landes, ſowie ſeine
verhältnißmäßig geringeren Hilfsquellen waren gleichwohl Anlaß,
daß die Machtbeſtrebungen Aſſyriens ſich weniger gegen Norden
hin bethätigten, als vielmehr gegen Nordweſten, in der Richtung
über Nordſyrien zum großen Tauruszuge, hinter deſſen Päſſen
das weitläufige anatoliſche Binnenland mit ſeinen ſelbſtſtändigen
Reichen und ſeiner größeren Zugänglichkeit, in Folge der ſüd-
lichen und weſtlichen maritimen Begrenzung, die ninivitiſchen

That liefert dieſer Ormuzddiener Nuſchirwan den Beweis, daß ein Reich
blühen und gedeihen kann, auch ohne chriſtlich oder mohammedaniſch zu
ſein. Als Nuſchirwan einſt krank war, heißt es, und eine Arznei aus
zerſtampften Ziegelſteinen eines zerſtörten Dorfes ſeines Reiches ihm ver-
ordnet wurde, kamen die ausgeſandten Boten unverrichteter Sache wieder,
denn es gab kein zerſtörtes Dorf im damaligen Saſſanidenreiche.
1 In dieſer Reſidenz, die nachmals verlaſſen wurde, fanden die ara-
biſchen Eroberer (Saad Ibn Abu Wakkaß) angeblich Schätze von ganz unglaub-
lichem Werthe. Neben dem berühmten Throne war es namentlich ein
coloſſaler Teppich mit buntſchimmerndem Saum, das Paradies vorſtellend,
mit Blumen von Edelſteinen und goldenem Laubwerk. Man hatte das
koſtbare Beuteſtück für Omar, den Chalifen, beſtimmt, dieſer aber, im
Glauben, nicht Alles für ſich allein behalten zu ſollen, zerſchnitt den
Teppich eigenhändig um die einzelnen Stücke zu Medina unter die Parti-
ſanen des Islams zu vertheilen. Alis Theil ſoll hiebei noch immer
10,000 Silberſtücke werth geweſen ſein (Vgl. Weil, „Geſchichte der Chalifen“,
I, a. a. O.)
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[134/0166] Ueberblick auf Geſammt-Armenien. und ſchließlich ein Jahrhundert ſpäter unter den abbaſſidiſchen Chalifen. Alle dieſe Reiche mit einziger Ausnahme des erſten perſiſchen hatten ihren Hauptſitz in der herrlichen Stromebene, welche das Herz Weſt-Aſiens mit ſeinen Schlagadern ausmacht. Dort lag die Urahnin aller Städte, Babylon, und in ſeiner Nähe erhob ſich ſpäter das parthiſche und ſaſſanidiſche Kteſiphon 1 und das arabiſch-moslemiſche Bagdad. Die geſchichtliche und culturhiſtoriſche Stellung Armeniens ergibt ſich unmittelbar aus dieſen geographiſchen Verhältniſſen; alle Einwirkungen und aller Einfluß kam entweder von Süden, oder von Oſten, als letztes Glied der Erhebungsmaſſe Mittel- aſiens. Die Aſſyrier hatten gar bald durch die großen Fluß- thäler den Weg ins rauhere armeniſche Hochland gefunden, vor- erſt ins Becken von Van, ſpäter darüber hinaus, wodurch dies Territorium eheſtens in das Verhältniß eines Vaſallenſtaates zum großen Weltreiche trat. Die Plaſtik des Landes, ſowie ſeine verhältnißmäßig geringeren Hilfsquellen waren gleichwohl Anlaß, daß die Machtbeſtrebungen Aſſyriens ſich weniger gegen Norden hin bethätigten, als vielmehr gegen Nordweſten, in der Richtung über Nordſyrien zum großen Tauruszuge, hinter deſſen Päſſen das weitläufige anatoliſche Binnenland mit ſeinen ſelbſtſtändigen Reichen und ſeiner größeren Zugänglichkeit, in Folge der ſüd- lichen und weſtlichen maritimen Begrenzung, die ninivitiſchen 1 1 In dieſer Reſidenz, die nachmals verlaſſen wurde, fanden die ara- biſchen Eroberer (Saad Ibn Abu Wakkaß) angeblich Schätze von ganz unglaub- lichem Werthe. Neben dem berühmten Throne war es namentlich ein coloſſaler Teppich mit buntſchimmerndem Saum, das Paradies vorſtellend, mit Blumen von Edelſteinen und goldenem Laubwerk. Man hatte das koſtbare Beuteſtück für Omar, den Chalifen, beſtimmt, dieſer aber, im Glauben, nicht Alles für ſich allein behalten zu ſollen, zerſchnitt den Teppich eigenhändig um die einzelnen Stücke zu Medina unter die Parti- ſanen des Islams zu vertheilen. Alis Theil ſoll hiebei noch immer 10,000 Silberſtücke werth geweſen ſein (Vgl. Weil, „Geſchichte der Chalifen“, I, a. a. O.) 1 That liefert dieſer Ormuzddiener Nuſchirwan den Beweis, daß ein Reich blühen und gedeihen kann, auch ohne chriſtlich oder mohammedaniſch zu ſein. Als Nuſchirwan einſt krank war, heißt es, und eine Arznei aus zerſtampften Ziegelſteinen eines zerſtörten Dorfes ſeines Reiches ihm ver- ordnet wurde, kamen die ausgeſandten Boten unverrichteter Sache wieder, denn es gab kein zerſtörtes Dorf im damaligen Saſſanidenreiche.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/166>, abgerufen am 22.11.2024.