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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Die Eufrat-Katarakte.
mächtige Wasserthore in den Eufrat sich ergießt, windet sich dieser
zwischen schroff emporragenden Uferbergen. Aber die Communi-
cation ist hier zwischen beiden Uferlandschaften noch immer möglich
und über Kheban-Maden, in der Mitte der Stromenge gelegen,
führt in die Erzgebirge von Charput sogar ein leidlicher Weg.
Ganz anders unterhalb Malatia, von wo ab eine Strompartie
sich entfaltet, die wol ihres Gleichen sucht. Die schwarzen Basalt-
wände reichen viele hundert Fuß in senkrechtem Anstiege über
das zischende Gewässer, das entweder donnernd über die Fels-
barren stürzt oder als schäumende Wirbel die Klippenblöcke umtost.
Die seitlichen Einblicke in einzelne Bergschluchten sind nicht von
Belang. Erwähnenswerther mag sein, daß es gerade diese
Schluchten sind, welche während der Regenzeit die Felsenbarren
zum Strome befördern und jene gefährlichen Hindernisse erzeugen.
Hiebei bildet der Eufrat unzählige, scharfe Curven und nach jeder
Wendung, nach jedem kaum vorübergegangenen Wassersturze,
schlägt bereits das ferne Gebrause eines anderen Kataraktes ans
betäubte Ohr. Hiebei werden die senkrechten Felswände immer
höher und dunkler Basalt wechselt mit den phantastischen Formen
des Sandsteines, oder es dräuen zerrissene Kalkböschungen in die
Tiefe. Aber selbst diese wilde Wasserwildniß, die kein Kahn durch-
zieht und in der jeder Verkehr erstirbt, ist nicht ohne romantische
Belebung. Hoch in den Lüften, dort, wo die Uferfelsen kantig
ins Hinterland zurücktreten, kleben die Niederlassungen einzelner
Kurdentribus, inmitten spärlicher Vegetation, wahre Schwalben-
nester, von Menschenhand auf den gefährlichen Auslug gepflanzt.
Hier mögen die freiheitslustigen Hochländer wol sicher vor den
Nachstellungen der Türken sein. Anderseits sind die Bewohner
dieser Wildniß freilich mehr, als irgend einer ihrer Bruderstämme
auf der Hände Fleiß angewiesen, denn der Boden mag hier mit
seinen Gaben wol kargen und die abgelegene Localität bietet
wenig Gelegenheit zu Tausch und Handel.

Die Kataraktenstrecke reicht eigentlich nur bis Gerger, einer
uralten Bergposition, wo der eingeengte Strom mehr und mehr
seiner Fesseln ledig wird und im breiteren Rinnsal die syrisch-
mesopotamische Hochstufe durchströmt. Am wildesten und roman-
tischsten ist die Strompartie in der Längenmitte des Defiles, bei
Telek, dort wo der Strom nach hartem Kampfe mit dem ehernen

Die Eufrat-Katarakte.
mächtige Waſſerthore in den Eufrat ſich ergießt, windet ſich dieſer
zwiſchen ſchroff emporragenden Uferbergen. Aber die Communi-
cation iſt hier zwiſchen beiden Uferlandſchaften noch immer möglich
und über Kheban-Maden, in der Mitte der Stromenge gelegen,
führt in die Erzgebirge von Charput ſogar ein leidlicher Weg.
Ganz anders unterhalb Malatia, von wo ab eine Strompartie
ſich entfaltet, die wol ihres Gleichen ſucht. Die ſchwarzen Baſalt-
wände reichen viele hundert Fuß in ſenkrechtem Anſtiege über
das ziſchende Gewäſſer, das entweder donnernd über die Fels-
barren ſtürzt oder als ſchäumende Wirbel die Klippenblöcke umtoſt.
Die ſeitlichen Einblicke in einzelne Bergſchluchten ſind nicht von
Belang. Erwähnenswerther mag ſein, daß es gerade dieſe
Schluchten ſind, welche während der Regenzeit die Felſenbarren
zum Strome befördern und jene gefährlichen Hinderniſſe erzeugen.
Hiebei bildet der Eufrat unzählige, ſcharfe Curven und nach jeder
Wendung, nach jedem kaum vorübergegangenen Waſſerſturze,
ſchlägt bereits das ferne Gebrauſe eines anderen Kataraktes ans
betäubte Ohr. Hiebei werden die ſenkrechten Felswände immer
höher und dunkler Baſalt wechſelt mit den phantaſtiſchen Formen
des Sandſteines, oder es dräuen zerriſſene Kalkböſchungen in die
Tiefe. Aber ſelbſt dieſe wilde Waſſerwildniß, die kein Kahn durch-
zieht und in der jeder Verkehr erſtirbt, iſt nicht ohne romantiſche
Belebung. Hoch in den Lüften, dort, wo die Uferfelſen kantig
ins Hinterland zurücktreten, kleben die Niederlaſſungen einzelner
Kurdentribus, inmitten ſpärlicher Vegetation, wahre Schwalben-
neſter, von Menſchenhand auf den gefährlichen Auslug gepflanzt.
Hier mögen die freiheitsluſtigen Hochländer wol ſicher vor den
Nachſtellungen der Türken ſein. Anderſeits ſind die Bewohner
dieſer Wildniß freilich mehr, als irgend einer ihrer Bruderſtämme
auf der Hände Fleiß angewieſen, denn der Boden mag hier mit
ſeinen Gaben wol kargen und die abgelegene Localität bietet
wenig Gelegenheit zu Tauſch und Handel.

Die Kataraktenſtrecke reicht eigentlich nur bis Gerger, einer
uralten Bergpoſition, wo der eingeengte Strom mehr und mehr
ſeiner Feſſeln ledig wird und im breiteren Rinnſal die ſyriſch-
meſopotamiſche Hochſtufe durchſtrömt. Am wildeſten und roman-
tiſchſten iſt die Strompartie in der Längenmitte des Defilés, bei
Telek, dort wo der Strom nach hartem Kampfe mit dem ehernen

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[127/0159] Die Eufrat-Katarakte. mächtige Waſſerthore in den Eufrat ſich ergießt, windet ſich dieſer zwiſchen ſchroff emporragenden Uferbergen. Aber die Communi- cation iſt hier zwiſchen beiden Uferlandſchaften noch immer möglich und über Kheban-Maden, in der Mitte der Stromenge gelegen, führt in die Erzgebirge von Charput ſogar ein leidlicher Weg. Ganz anders unterhalb Malatia, von wo ab eine Strompartie ſich entfaltet, die wol ihres Gleichen ſucht. Die ſchwarzen Baſalt- wände reichen viele hundert Fuß in ſenkrechtem Anſtiege über das ziſchende Gewäſſer, das entweder donnernd über die Fels- barren ſtürzt oder als ſchäumende Wirbel die Klippenblöcke umtoſt. Die ſeitlichen Einblicke in einzelne Bergſchluchten ſind nicht von Belang. Erwähnenswerther mag ſein, daß es gerade dieſe Schluchten ſind, welche während der Regenzeit die Felſenbarren zum Strome befördern und jene gefährlichen Hinderniſſe erzeugen. Hiebei bildet der Eufrat unzählige, ſcharfe Curven und nach jeder Wendung, nach jedem kaum vorübergegangenen Waſſerſturze, ſchlägt bereits das ferne Gebrauſe eines anderen Kataraktes ans betäubte Ohr. Hiebei werden die ſenkrechten Felswände immer höher und dunkler Baſalt wechſelt mit den phantaſtiſchen Formen des Sandſteines, oder es dräuen zerriſſene Kalkböſchungen in die Tiefe. Aber ſelbſt dieſe wilde Waſſerwildniß, die kein Kahn durch- zieht und in der jeder Verkehr erſtirbt, iſt nicht ohne romantiſche Belebung. Hoch in den Lüften, dort, wo die Uferfelſen kantig ins Hinterland zurücktreten, kleben die Niederlaſſungen einzelner Kurdentribus, inmitten ſpärlicher Vegetation, wahre Schwalben- neſter, von Menſchenhand auf den gefährlichen Auslug gepflanzt. Hier mögen die freiheitsluſtigen Hochländer wol ſicher vor den Nachſtellungen der Türken ſein. Anderſeits ſind die Bewohner dieſer Wildniß freilich mehr, als irgend einer ihrer Bruderſtämme auf der Hände Fleiß angewieſen, denn der Boden mag hier mit ſeinen Gaben wol kargen und die abgelegene Localität bietet wenig Gelegenheit zu Tauſch und Handel. Die Kataraktenſtrecke reicht eigentlich nur bis Gerger, einer uralten Bergpoſition, wo der eingeengte Strom mehr und mehr ſeiner Feſſeln ledig wird und im breiteren Rinnſal die ſyriſch- meſopotamiſche Hochſtufe durchſtrömt. Am wildeſten und roman- tiſchſten iſt die Strompartie in der Längenmitte des Defilés, bei Telek, dort wo der Strom nach hartem Kampfe mit dem ehernen

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/159>, abgerufen am 25.11.2024.