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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Das plastische Totalbild Armeniens. -- Die Hoch-Steppen.
anatolischen Randketten Tschamly-Bol-, Iyldiz- und Kösch-Dagh
inbegriffen, jene stufenförmige Erhebung, die so glücklich mit
einem dreifachen Festungsglacis verglichen worden ist 1. Der
Waldreichthum dieser Gebirge ist namentlich in den östlichen
Gliedern groß und besteht besonders in Buchen, Fichten und
Ulmen. Ganz unvergleichlich anders entfaltet sich aber die Natur
am Nordhange der pontisch-armenischen Küsten- und Randgebirge,
deren gewaltige Gipfel stellenweise noch immer eine imposante
Höhe erreichen. Wir haben der geographischen Situation hier-
selbst in unserem Abschnitte über Lazistan gedacht und haben
nun nur noch hinzuzusetzen, daß der Waldreichthum ein sehr be-
deutender, von Forstcultur aber keine Rede ist. Ja viele Wälder
sind mit der Zeit vollends vernichtet worden 2. Neben den vor-
herrschenden Eichen und Fichten gibt es hier auch Bux- und
Lorbeerbäume, Nuß-, Feigen- und überhaupt Obstbäume; Citronen,
Granaten gedeihen allenthalben, besonders aber Pfirsiche, Kirschen
und Haselnüsse, sowie die pontische Rebe, welche baumartig empor-
wächst, oder als Riesen-Liane die höchsten Stämme sich hinan-
windet, um hoch in den Lüften zu zeitigen 3. Aber schon mit
dem Eintritte und Verfolge des Tschuruk-Thales ists mit dieser
Pracht jählings vorüber und nur wenige Meilen von der Küste,
südlich der Gebirgs-Scheidewand, liegen die ersten waldarmen
Hochlandschaften, nur in den Thalmulden oasenartig durch be-
scheidene Gartencultur belebt.

Einer ganz besonderen Erwähnung bedürfen die armenischen
Hoch-Steppen, die auf den Plateauxflächen begreiflicherweise mit-
unter sehr bedeutende Strecken einnehmen. Der Begriff der
Steppe war lange ein undefinirter, d. h., man konnte weder in

1 v. Moltke bei Ritter, XVIII, 261.
2 Sax, a. a. O., 39.
3 K. Koch, "Wanderungen im Orient", II. (Auch bei Radde, a. a.
O., 20.)
Bei Trapezunt ist die Rebe zwar noch klein und durch das Messer
gezähmt, auf den Höhen aber entwächst sie aller Zucht. Mit kleinbeerigen
Trauben kriecht sie über Felsen, schwingt sich über den Erdspalt und
wuchert unbändigen Triebes noch mitten im Dornbusch. Aber sie buhlt
umsonst; Niemand streckt bei dem Ueberfluß die Hand nach ihren süßen
Früchten aus. (Fallmerayer, "Fragmente aus d. Orient", 94.)

Das plaſtiſche Totalbild Armeniens. — Die Hoch-Steppen.
anatoliſchen Randketten Tſchamly-Bol-, Iyldiz- und Köſch-Dagh
inbegriffen, jene ſtufenförmige Erhebung, die ſo glücklich mit
einem dreifachen Feſtungsglacis verglichen worden iſt 1. Der
Waldreichthum dieſer Gebirge iſt namentlich in den öſtlichen
Gliedern groß und beſteht beſonders in Buchen, Fichten und
Ulmen. Ganz unvergleichlich anders entfaltet ſich aber die Natur
am Nordhange der pontiſch-armeniſchen Küſten- und Randgebirge,
deren gewaltige Gipfel ſtellenweiſe noch immer eine impoſante
Höhe erreichen. Wir haben der geographiſchen Situation hier-
ſelbſt in unſerem Abſchnitte über Laziſtan gedacht und haben
nun nur noch hinzuzuſetzen, daß der Waldreichthum ein ſehr be-
deutender, von Forſtcultur aber keine Rede iſt. Ja viele Wälder
ſind mit der Zeit vollends vernichtet worden 2. Neben den vor-
herrſchenden Eichen und Fichten gibt es hier auch Bux- und
Lorbeerbäume, Nuß-, Feigen- und überhaupt Obſtbäume; Citronen,
Granaten gedeihen allenthalben, beſonders aber Pfirſiche, Kirſchen
und Haſelnüſſe, ſowie die pontiſche Rebe, welche baumartig empor-
wächſt, oder als Rieſen-Liane die höchſten Stämme ſich hinan-
windet, um hoch in den Lüften zu zeitigen 3. Aber ſchon mit
dem Eintritte und Verfolge des Tſchuruk-Thales iſts mit dieſer
Pracht jählings vorüber und nur wenige Meilen von der Küſte,
ſüdlich der Gebirgs-Scheidewand, liegen die erſten waldarmen
Hochlandſchaften, nur in den Thalmulden oaſenartig durch be-
ſcheidene Gartencultur belebt.

Einer ganz beſonderen Erwähnung bedürfen die armeniſchen
Hoch-Steppen, die auf den Plateauxflächen begreiflicherweiſe mit-
unter ſehr bedeutende Strecken einnehmen. Der Begriff der
Steppe war lange ein undefinirter, d. h., man konnte weder in

1 v. Moltke bei Ritter, XVIII, 261.
2 Sax, a. a. O., 39.
3 K. Koch, „Wanderungen im Orient“, II. (Auch bei Radde, a. a.
O., 20.)
Bei Trapezunt iſt die Rebe zwar noch klein und durch das Meſſer
gezähmt, auf den Höhen aber entwächſt ſie aller Zucht. Mit kleinbeerigen
Trauben kriecht ſie über Felſen, ſchwingt ſich über den Erdſpalt und
wuchert unbändigen Triebes noch mitten im Dornbuſch. Aber ſie buhlt
umſonſt; Niemand ſtreckt bei dem Ueberfluß die Hand nach ihren ſüßen
Früchten aus. (Fallmerayer, „Fragmente aus d. Orient“, 94.)
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[123/0155] Das plaſtiſche Totalbild Armeniens. — Die Hoch-Steppen. anatoliſchen Randketten Tſchamly-Bol-, Iyldiz- und Köſch-Dagh inbegriffen, jene ſtufenförmige Erhebung, die ſo glücklich mit einem dreifachen Feſtungsglacis verglichen worden iſt 1. Der Waldreichthum dieſer Gebirge iſt namentlich in den öſtlichen Gliedern groß und beſteht beſonders in Buchen, Fichten und Ulmen. Ganz unvergleichlich anders entfaltet ſich aber die Natur am Nordhange der pontiſch-armeniſchen Küſten- und Randgebirge, deren gewaltige Gipfel ſtellenweiſe noch immer eine impoſante Höhe erreichen. Wir haben der geographiſchen Situation hier- ſelbſt in unſerem Abſchnitte über Laziſtan gedacht und haben nun nur noch hinzuzuſetzen, daß der Waldreichthum ein ſehr be- deutender, von Forſtcultur aber keine Rede iſt. Ja viele Wälder ſind mit der Zeit vollends vernichtet worden 2. Neben den vor- herrſchenden Eichen und Fichten gibt es hier auch Bux- und Lorbeerbäume, Nuß-, Feigen- und überhaupt Obſtbäume; Citronen, Granaten gedeihen allenthalben, beſonders aber Pfirſiche, Kirſchen und Haſelnüſſe, ſowie die pontiſche Rebe, welche baumartig empor- wächſt, oder als Rieſen-Liane die höchſten Stämme ſich hinan- windet, um hoch in den Lüften zu zeitigen 3. Aber ſchon mit dem Eintritte und Verfolge des Tſchuruk-Thales iſts mit dieſer Pracht jählings vorüber und nur wenige Meilen von der Küſte, ſüdlich der Gebirgs-Scheidewand, liegen die erſten waldarmen Hochlandſchaften, nur in den Thalmulden oaſenartig durch be- ſcheidene Gartencultur belebt. Einer ganz beſonderen Erwähnung bedürfen die armeniſchen Hoch-Steppen, die auf den Plateauxflächen begreiflicherweiſe mit- unter ſehr bedeutende Strecken einnehmen. Der Begriff der Steppe war lange ein undefinirter, d. h., man konnte weder in 1 v. Moltke bei Ritter, XVIII, 261. 2 Sax, a. a. O., 39. 3 K. Koch, „Wanderungen im Orient“, II. (Auch bei Radde, a. a. O., 20.) Bei Trapezunt iſt die Rebe zwar noch klein und durch das Meſſer gezähmt, auf den Höhen aber entwächſt ſie aller Zucht. Mit kleinbeerigen Trauben kriecht ſie über Felſen, ſchwingt ſich über den Erdſpalt und wuchert unbändigen Triebes noch mitten im Dornbuſch. Aber ſie buhlt umſonſt; Niemand ſtreckt bei dem Ueberfluß die Hand nach ihren ſüßen Früchten aus. (Fallmerayer, „Fragmente aus d. Orient“, 94.)

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/155>, abgerufen am 04.05.2024.