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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Klein-Armenien.
die sich unabsehbar die Halys-Ufer entlang breitet. Zwar die
nordwestlich vorliegenden Randgebirge besitzen auch heute noch
ihren sporadischen Baumschmuck und zu Siwas selbst unterbrechen
herrliche Baumgruppen (gewaltige Platanen und Pappeln) das
platte Land, sonst aber gibts hier nur fette Weiden, Lieblings-
plätze der wandernden Turkmenen und Kurden oder die Felder-
gürtel, welche die Stadtbewohner selbst cultiviren 1. Vollends
aber erstirbt im Südwesten, wo das zackige Karabel-Gebirge das
Plateauland begrenzt, die organische Natur. Eine einzige Paß-
scharte führt dort hinauf, ein prächtiges Ausfallsthor der räube-
rischen Kurden, für die es blos der Witterung den Halys entlang
ziehender Karawanen bedarf, um gleich Hornißschwärmen aus
dem Schlupfwinkel auf die ohnedies immerdar besorgten Reisen-
den hervorzubrechen. Dafür aber ist das Land auch so dicht bewohnt,
daß man auf der dreißig deutsche Meilen langen Strecke zwischen
Tokat und Hassan-Tschelebi nur sechs Dörfer zählt.

Eine besonders glanzvolle Vergangenheit hat Siwas wohl
nicht gehabt. Aber selbst die kurze Zeit eines verhältnißmäßig
annehmbaren Wohlstandes fand ein definitives Ende, als der
Weltstürmer Temur Lenk auch hier seine brutale Vernichtungswuth
zu bethätigen für nöthig fand. Noch stehen die Mauertrümmer
jener Wälle, welche nur wenige Tage den Sturmböcken des
Feindes widerstehen konnten, trotz ihrer angeblich so formidablen
Stärke, die orientalische Chronisten mit Vorliebe ins Detail
ausmalen 2. Um so gräßlicher aber mußte die Bewohnerschaft
ihren kurzathmigen Widerstand sühnen. Die moslemischen Be-
wohner fanden zwar Gnade vor dem gottgeliebten Menschen-
vernichter, dafür aber ließ er sämmtliche armenische Christen
zusammenhauen und viele Tausende von ihnen in tiefe Brun-
nen werfen und diese sodann verschütten. Ein einsamer

1 Ainsworth, "Trav. and. Res."; von Moltke; Bore, "Corresp.";
J. Brant, "Jvurney l. c. etc." bei Ritter, a. a. O.
2 Scherifeddin, "Histoire de Temur", par La Croix, III, 266. Nach
diesem hatten die Mauern eine Höhe von 20 Ellen, bei einer Dicke von
10 Ellen, die gegen die Zinnen bis auf 6 Ellen abnahm. Jeder einzelne
Quader war ein colossaler Block; die sieben Thore waren durch starke
eiserne Thüren versperrt, u. s. w.

Klein-Armenien.
die ſich unabſehbar die Halys-Ufer entlang breitet. Zwar die
nordweſtlich vorliegenden Randgebirge beſitzen auch heute noch
ihren ſporadiſchen Baumſchmuck und zu Siwas ſelbſt unterbrechen
herrliche Baumgruppen (gewaltige Platanen und Pappeln) das
platte Land, ſonſt aber gibts hier nur fette Weiden, Lieblings-
plätze der wandernden Turkmenen und Kurden oder die Felder-
gürtel, welche die Stadtbewohner ſelbſt cultiviren 1. Vollends
aber erſtirbt im Südweſten, wo das zackige Karabel-Gebirge das
Plateauland begrenzt, die organiſche Natur. Eine einzige Paß-
ſcharte führt dort hinauf, ein prächtiges Ausfallsthor der räube-
riſchen Kurden, für die es blos der Witterung den Halys entlang
ziehender Karawanen bedarf, um gleich Hornißſchwärmen aus
dem Schlupfwinkel auf die ohnedies immerdar beſorgten Reiſen-
den hervorzubrechen. Dafür aber iſt das Land auch ſo dicht bewohnt,
daß man auf der dreißig deutſche Meilen langen Strecke zwiſchen
Tokat und Haſſan-Tſchelebi nur ſechs Dörfer zählt.

Eine beſonders glanzvolle Vergangenheit hat Siwas wohl
nicht gehabt. Aber ſelbſt die kurze Zeit eines verhältnißmäßig
annehmbaren Wohlſtandes fand ein definitives Ende, als der
Weltſtürmer Temur Lenk auch hier ſeine brutale Vernichtungswuth
zu bethätigen für nöthig fand. Noch ſtehen die Mauertrümmer
jener Wälle, welche nur wenige Tage den Sturmböcken des
Feindes widerſtehen konnten, trotz ihrer angeblich ſo formidablen
Stärke, die orientaliſche Chroniſten mit Vorliebe ins Detail
ausmalen 2. Um ſo gräßlicher aber mußte die Bewohnerſchaft
ihren kurzathmigen Widerſtand ſühnen. Die moslemiſchen Be-
wohner fanden zwar Gnade vor dem gottgeliebten Menſchen-
vernichter, dafür aber ließ er ſämmtliche armeniſche Chriſten
zuſammenhauen und viele Tauſende von ihnen in tiefe Brun-
nen werfen und dieſe ſodann verſchütten. Ein einſamer

1 Ainsworth, „Trav. and. Res.“; von Moltke; Boré, „Correſp.“;
J. Brant, „Jvurney l. c. ꝛc.“ bei Ritter, a. a. O.
2 Scherifeddin, „Histoire de Temur“, par La Croix, III, 266. Nach
dieſem hatten die Mauern eine Höhe von 20 Ellen, bei einer Dicke von
10 Ellen, die gegen die Zinnen bis auf 6 Ellen abnahm. Jeder einzelne
Quader war ein coloſſaler Block; die ſieben Thore waren durch ſtarke
eiſerne Thüren verſperrt, u. ſ. w.
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[117/0149] Klein-Armenien. die ſich unabſehbar die Halys-Ufer entlang breitet. Zwar die nordweſtlich vorliegenden Randgebirge beſitzen auch heute noch ihren ſporadiſchen Baumſchmuck und zu Siwas ſelbſt unterbrechen herrliche Baumgruppen (gewaltige Platanen und Pappeln) das platte Land, ſonſt aber gibts hier nur fette Weiden, Lieblings- plätze der wandernden Turkmenen und Kurden oder die Felder- gürtel, welche die Stadtbewohner ſelbſt cultiviren 1. Vollends aber erſtirbt im Südweſten, wo das zackige Karabel-Gebirge das Plateauland begrenzt, die organiſche Natur. Eine einzige Paß- ſcharte führt dort hinauf, ein prächtiges Ausfallsthor der räube- riſchen Kurden, für die es blos der Witterung den Halys entlang ziehender Karawanen bedarf, um gleich Hornißſchwärmen aus dem Schlupfwinkel auf die ohnedies immerdar beſorgten Reiſen- den hervorzubrechen. Dafür aber iſt das Land auch ſo dicht bewohnt, daß man auf der dreißig deutſche Meilen langen Strecke zwiſchen Tokat und Haſſan-Tſchelebi nur ſechs Dörfer zählt. Eine beſonders glanzvolle Vergangenheit hat Siwas wohl nicht gehabt. Aber ſelbſt die kurze Zeit eines verhältnißmäßig annehmbaren Wohlſtandes fand ein definitives Ende, als der Weltſtürmer Temur Lenk auch hier ſeine brutale Vernichtungswuth zu bethätigen für nöthig fand. Noch ſtehen die Mauertrümmer jener Wälle, welche nur wenige Tage den Sturmböcken des Feindes widerſtehen konnten, trotz ihrer angeblich ſo formidablen Stärke, die orientaliſche Chroniſten mit Vorliebe ins Detail ausmalen 2. Um ſo gräßlicher aber mußte die Bewohnerſchaft ihren kurzathmigen Widerſtand ſühnen. Die moslemiſchen Be- wohner fanden zwar Gnade vor dem gottgeliebten Menſchen- vernichter, dafür aber ließ er ſämmtliche armeniſche Chriſten zuſammenhauen und viele Tauſende von ihnen in tiefe Brun- nen werfen und dieſe ſodann verſchütten. Ein einſamer 1 Ainsworth, „Trav. and. Res.“; von Moltke; Boré, „Correſp.“; J. Brant, „Jvurney l. c. ꝛc.“ bei Ritter, a. a. O. 2 Scherifeddin, „Histoire de Temur“, par La Croix, III, 266. Nach dieſem hatten die Mauern eine Höhe von 20 Ellen, bei einer Dicke von 10 Ellen, die gegen die Zinnen bis auf 6 Ellen abnahm. Jeder einzelne Quader war ein coloſſaler Block; die ſieben Thore waren durch ſtarke eiſerne Thüren verſperrt, u. ſ. w.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/149>, abgerufen am 23.11.2024.