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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Das pontisch-armenische Gestade-Land.
Schnee im armenischen Hochlande schmilzt, wird das genannte
Gewässer zur wilden Torrente und die Fluthen stürzen sich über
die, weit über eine Quadratmeile große Ebene, wo dann nur
hin und wieder lazische Hütten aus dem Dickichte tauchen.
Wilde Eber und Büffelheerden tummeln sich in den Sümpfen
und die Fieberluft brütet monatelang über dem ausgestorbenen
Gefilde ... Besser steht es im Allgemeinen mit dem unmittel-
bar am Tschuruk gelegenen Städtchen Günieh mit seiner altehr-
würdigen Burg1. Die Lazischen Berge sind von hier nur mehr
eine Meile entfernt, und auf den Höhen, wo der lichtgrüne Bux-
baum schattet, mag die Existenz wohl noch in bescheidenem Grade
erträglich sein. Gegen Süden nimmt überdies die Ebene sehr
rasch ab und vier Meilen von Batum entfernt schließen die
adjarischen und lazischen Berge hart aneinander, so daß nur
Raum für den dahintosenden Gebirgsstrom bleibt. Wer seinen
Fuß nach dieser Richtung setzt, um etwa Erzerum zu erreichen,
oder überhaupt nach Süden vorzudringen, dem wird die Route
fürwahr nicht leicht gemacht. Sechzehn volle Reisestunden geht
es durch ein unwirthliches, großartiges Defile, an zerstörten
Burgen und lazischen Felsennestern vorüber, um nur bis Artwin,
dem Hauptorte dieses Gebietes zu gelangen. Hier aber entfaltet
sich ein eigenthümliches Bild inmitten der morgenländischen Welt.
Ueber eine halbe Stunde dem Gebirgshange entlang liegen die
blockhausartigen Hütten mit ihren Schindeldächern, wie in den
Alpenländern mit großen Steinen beschwert. Ueberall Gärten,
Buchen, Eichen, europäische Obstbäume und christliche Kirchen,
ein wahres Asyl in der lazisch-adjarischen Bergwildniß. Südlich
hievon wird es freilich rasch wieder anders; die lazischen Schmutz-
buden begleiten noch geraume Zeit den Fluß, um später durch
kurdische ersetzt zu werden, denn wir nähern uns auf diesem
Wege mälig der armenischen Capitale. Von der Höhe der Eufrat-
quelle, welche bei dem armenischen Kloster Kizil-Kilisse 6000 Fuß
hoch dem Boden entquillt, blickt man plötzlich auf die weitläufige
Hochebene von Erzerum hinab, mit ihren Troglodyten-Dörfern,
den weidenden Heerden inmitten der grasigen Ebene und den
düsteren, ruinenhaften Quartieren der Capitale ...


1 K. Koch, "Kaukasische Länder", a. a. O.

Das pontiſch-armeniſche Geſtade-Land.
Schnee im armeniſchen Hochlande ſchmilzt, wird das genannte
Gewäſſer zur wilden Torrente und die Fluthen ſtürzen ſich über
die, weit über eine Quadratmeile große Ebene, wo dann nur
hin und wieder laziſche Hütten aus dem Dickichte tauchen.
Wilde Eber und Büffelheerden tummeln ſich in den Sümpfen
und die Fieberluft brütet monatelang über dem ausgeſtorbenen
Gefilde … Beſſer ſteht es im Allgemeinen mit dem unmittel-
bar am Tſchuruk gelegenen Städtchen Günieh mit ſeiner altehr-
würdigen Burg1. Die Laziſchen Berge ſind von hier nur mehr
eine Meile entfernt, und auf den Höhen, wo der lichtgrüne Bux-
baum ſchattet, mag die Exiſtenz wohl noch in beſcheidenem Grade
erträglich ſein. Gegen Süden nimmt überdies die Ebene ſehr
raſch ab und vier Meilen von Batum entfernt ſchließen die
adjariſchen und laziſchen Berge hart aneinander, ſo daß nur
Raum für den dahintoſenden Gebirgsſtrom bleibt. Wer ſeinen
Fuß nach dieſer Richtung ſetzt, um etwa Erzerum zu erreichen,
oder überhaupt nach Süden vorzudringen, dem wird die Route
fürwahr nicht leicht gemacht. Sechzehn volle Reiſeſtunden geht
es durch ein unwirthliches, großartiges Defilé, an zerſtörten
Burgen und laziſchen Felſenneſtern vorüber, um nur bis Artwin,
dem Hauptorte dieſes Gebietes zu gelangen. Hier aber entfaltet
ſich ein eigenthümliches Bild inmitten der morgenländiſchen Welt.
Ueber eine halbe Stunde dem Gebirgshange entlang liegen die
blockhausartigen Hütten mit ihren Schindeldächern, wie in den
Alpenländern mit großen Steinen beſchwert. Ueberall Gärten,
Buchen, Eichen, europäiſche Obſtbäume und chriſtliche Kirchen,
ein wahres Aſyl in der laziſch-adjariſchen Bergwildniß. Südlich
hievon wird es freilich raſch wieder anders; die laziſchen Schmutz-
buden begleiten noch geraume Zeit den Fluß, um ſpäter durch
kurdiſche erſetzt zu werden, denn wir nähern uns auf dieſem
Wege mälig der armeniſchen Capitale. Von der Höhe der Eufrat-
quelle, welche bei dem armeniſchen Kloſter Kizil-Kiliſſe 6000 Fuß
hoch dem Boden entquillt, blickt man plötzlich auf die weitläufige
Hochebene von Erzerum hinab, mit ihren Troglodyten-Dörfern,
den weidenden Heerden inmitten der graſigen Ebene und den
düſteren, ruinenhaften Quartieren der Capitale …


1 K. Koch, „Kaukaſiſche Länder“, a. a. O.
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[92/0124] Das pontiſch-armeniſche Geſtade-Land. Schnee im armeniſchen Hochlande ſchmilzt, wird das genannte Gewäſſer zur wilden Torrente und die Fluthen ſtürzen ſich über die, weit über eine Quadratmeile große Ebene, wo dann nur hin und wieder laziſche Hütten aus dem Dickichte tauchen. Wilde Eber und Büffelheerden tummeln ſich in den Sümpfen und die Fieberluft brütet monatelang über dem ausgeſtorbenen Gefilde … Beſſer ſteht es im Allgemeinen mit dem unmittel- bar am Tſchuruk gelegenen Städtchen Günieh mit ſeiner altehr- würdigen Burg 1. Die Laziſchen Berge ſind von hier nur mehr eine Meile entfernt, und auf den Höhen, wo der lichtgrüne Bux- baum ſchattet, mag die Exiſtenz wohl noch in beſcheidenem Grade erträglich ſein. Gegen Süden nimmt überdies die Ebene ſehr raſch ab und vier Meilen von Batum entfernt ſchließen die adjariſchen und laziſchen Berge hart aneinander, ſo daß nur Raum für den dahintoſenden Gebirgsſtrom bleibt. Wer ſeinen Fuß nach dieſer Richtung ſetzt, um etwa Erzerum zu erreichen, oder überhaupt nach Süden vorzudringen, dem wird die Route fürwahr nicht leicht gemacht. Sechzehn volle Reiſeſtunden geht es durch ein unwirthliches, großartiges Defilé, an zerſtörten Burgen und laziſchen Felſenneſtern vorüber, um nur bis Artwin, dem Hauptorte dieſes Gebietes zu gelangen. Hier aber entfaltet ſich ein eigenthümliches Bild inmitten der morgenländiſchen Welt. Ueber eine halbe Stunde dem Gebirgshange entlang liegen die blockhausartigen Hütten mit ihren Schindeldächern, wie in den Alpenländern mit großen Steinen beſchwert. Ueberall Gärten, Buchen, Eichen, europäiſche Obſtbäume und chriſtliche Kirchen, ein wahres Aſyl in der laziſch-adjariſchen Bergwildniß. Südlich hievon wird es freilich raſch wieder anders; die laziſchen Schmutz- buden begleiten noch geraume Zeit den Fluß, um ſpäter durch kurdiſche erſetzt zu werden, denn wir nähern uns auf dieſem Wege mälig der armeniſchen Capitale. Von der Höhe der Eufrat- quelle, welche bei dem armeniſchen Kloſter Kizil-Kiliſſe 6000 Fuß hoch dem Boden entquillt, blickt man plötzlich auf die weitläufige Hochebene von Erzerum hinab, mit ihren Troglodyten-Dörfern, den weidenden Heerden inmitten der graſigen Ebene und den düſteren, ruinenhaften Quartieren der Capitale … 1 K. Koch, „Kaukaſiſche Länder“, a. a. O.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/124>, abgerufen am 25.11.2024.