glänzendsten Aussichten auf diesem Lebenswege einschwatzen, und thatsächlich waren diese Schönen auch stets die größten Intri- guantinnen in den sultanischen Harems am Bospor.
Wir wollen indeß nicht in das Land der Adjaren eindringen, sondern setzen unseren Weg südwärts von Kindrischi fort. Die Landschaft wird bald coupirter, hin und wieder setzt auch einige Vegetation an, die sich freilich kaum über stachliges Strauchwerk erhebt, aber für den, der die Todesstätten am Tscholoch und um St. Nicolaj gesehen, bildet sie immerhin eine angenehme Unter- brechung in der unheimlichen Oede. So geht es fünf bis sechs Stunden fort, bis nach Passirung der muthmaßlichen Stelle. des alten Petra plötzlich eine weitläufige Ebene den Wanderer auf- nimmt. Das ist die Ebene von Kahaber, zum Theile spärliches Culturland, anderntheils grasige Niederung, weit im Hinter- grunde von abstürzenden Gebirgszinnen -- des früher durch- wanderten Lazenlandes -- begrenzt, deren höchste Häupter bereits in das wildromantische Wald- und Felsenthal des großen Tschu- rukflusses hinabsehen ... Am Küstenrande dieser Ebene liegt an geräumiger, tiefer Bucht das vielgenannte Batum.
Begehrenswerth ist der Punkt von maritimen Gesichtspunkten allerdings im hohen Grade, aber sonst trifft man hier auch nicht das Geringste, was dem Orte in irgend einer Richtung zu gute geschrieben werden könnte. In den elenden Baracken wohnen keine tausend Menschen, will man die flottante Bevölkerung ab- rechnen, die allerdings nicht unbedeutend ist, denn Batum ist der Abzugscanal all' jener, wenn auch nicht sehr gewichtigen Handels- Interessen, welche die dahinter liegenden Bergvölker vertreten. Batum hat weitaus den besten Hafen auf der ganzen Küsten- ausdehnung von Sinope über Trapezunt und Poti bis zur Krim hinauf. Der Ort selbst besitzt etwa 200 Holzhäuser, meist Kauf- buden, die bisher nahezu während des ganzen Jahres geschlossen und von ihren Besitzern verlassen waren, da es nur an den all- jährlichen Bazartagen etwas umzusetzen gab. Dann wurde es allerdings lebendig in dem kleinen schmutzigen Orte und das Völkergemisch von Tscherkessen, Lesghiern, Georgiern, Armeniern, Lazen, Kurden und Türken mag nicht ohne orientalisch fesselnden Anstrich gewesen sein. Dafür aber sah es die übrige Zeit trost- los im Deltalande des Tschuruk aus. Wenn im Frühjahre der
Die Umgebung Batums. — Batum.
glänzendſten Ausſichten auf dieſem Lebenswege einſchwatzen, und thatſächlich waren dieſe Schönen auch ſtets die größten Intri- guantinnen in den ſultaniſchen Harems am Bospor.
Wir wollen indeß nicht in das Land der Adjaren eindringen, ſondern ſetzen unſeren Weg ſüdwärts von Kindriſchi fort. Die Landſchaft wird bald coupirter, hin und wieder ſetzt auch einige Vegetation an, die ſich freilich kaum über ſtachliges Strauchwerk erhebt, aber für den, der die Todesſtätten am Tſcholoch und um St. Nicolaj geſehen, bildet ſie immerhin eine angenehme Unter- brechung in der unheimlichen Oede. So geht es fünf bis ſechs Stunden fort, bis nach Paſſirung der muthmaßlichen Stelle. des alten Petra plötzlich eine weitläufige Ebene den Wanderer auf- nimmt. Das iſt die Ebene von Kahaber, zum Theile ſpärliches Culturland, anderntheils graſige Niederung, weit im Hinter- grunde von abſtürzenden Gebirgszinnen — des früher durch- wanderten Lazenlandes — begrenzt, deren höchſte Häupter bereits in das wildromantiſche Wald- und Felſenthal des großen Tſchu- rukfluſſes hinabſehen … Am Küſtenrande dieſer Ebene liegt an geräumiger, tiefer Bucht das vielgenannte Batum.
Begehrenswerth iſt der Punkt von maritimen Geſichtspunkten allerdings im hohen Grade, aber ſonſt trifft man hier auch nicht das Geringſte, was dem Orte in irgend einer Richtung zu gute geſchrieben werden könnte. In den elenden Baracken wohnen keine tauſend Menſchen, will man die flottante Bevölkerung ab- rechnen, die allerdings nicht unbedeutend iſt, denn Batum iſt der Abzugscanal all’ jener, wenn auch nicht ſehr gewichtigen Handels- Intereſſen, welche die dahinter liegenden Bergvölker vertreten. Batum hat weitaus den beſten Hafen auf der ganzen Küſten- ausdehnung von Sinope über Trapezunt und Poti bis zur Krim hinauf. Der Ort ſelbſt beſitzt etwa 200 Holzhäuſer, meiſt Kauf- buden, die bisher nahezu während des ganzen Jahres geſchloſſen und von ihren Beſitzern verlaſſen waren, da es nur an den all- jährlichen Bazartagen etwas umzuſetzen gab. Dann wurde es allerdings lebendig in dem kleinen ſchmutzigen Orte und das Völkergemiſch von Tſcherkeſſen, Lesghiern, Georgiern, Armeniern, Lazen, Kurden und Türken mag nicht ohne orientaliſch feſſelnden Anſtrich geweſen ſein. Dafür aber ſah es die übrige Zeit troſt- los im Deltalande des Tſchuruk aus. Wenn im Frühjahre der
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Die Umgebung Batums. — Batum.
glänzendſten Ausſichten auf dieſem Lebenswege einſchwatzen, und
thatſächlich waren dieſe Schönen auch ſtets die größten Intri-
guantinnen in den ſultaniſchen Harems am Bospor.
Wir wollen indeß nicht in das Land der Adjaren eindringen,
ſondern ſetzen unſeren Weg ſüdwärts von Kindriſchi fort. Die
Landſchaft wird bald coupirter, hin und wieder ſetzt auch einige
Vegetation an, die ſich freilich kaum über ſtachliges Strauchwerk
erhebt, aber für den, der die Todesſtätten am Tſcholoch und um
St. Nicolaj geſehen, bildet ſie immerhin eine angenehme Unter-
brechung in der unheimlichen Oede. So geht es fünf bis ſechs
Stunden fort, bis nach Paſſirung der muthmaßlichen Stelle. des
alten Petra plötzlich eine weitläufige Ebene den Wanderer auf-
nimmt. Das iſt die Ebene von Kahaber, zum Theile ſpärliches
Culturland, anderntheils graſige Niederung, weit im Hinter-
grunde von abſtürzenden Gebirgszinnen — des früher durch-
wanderten Lazenlandes — begrenzt, deren höchſte Häupter bereits
in das wildromantiſche Wald- und Felſenthal des großen Tſchu-
rukfluſſes hinabſehen … Am Küſtenrande dieſer Ebene liegt
an geräumiger, tiefer Bucht das vielgenannte Batum.
Begehrenswerth iſt der Punkt von maritimen Geſichtspunkten
allerdings im hohen Grade, aber ſonſt trifft man hier auch nicht
das Geringſte, was dem Orte in irgend einer Richtung zu gute
geſchrieben werden könnte. In den elenden Baracken wohnen
keine tauſend Menſchen, will man die flottante Bevölkerung ab-
rechnen, die allerdings nicht unbedeutend iſt, denn Batum iſt der
Abzugscanal all’ jener, wenn auch nicht ſehr gewichtigen Handels-
Intereſſen, welche die dahinter liegenden Bergvölker vertreten.
Batum hat weitaus den beſten Hafen auf der ganzen Küſten-
ausdehnung von Sinope über Trapezunt und Poti bis zur Krim
hinauf. Der Ort ſelbſt beſitzt etwa 200 Holzhäuſer, meiſt Kauf-
buden, die bisher nahezu während des ganzen Jahres geſchloſſen
und von ihren Beſitzern verlaſſen waren, da es nur an den all-
jährlichen Bazartagen etwas umzuſetzen gab. Dann wurde es
allerdings lebendig in dem kleinen ſchmutzigen Orte und das
Völkergemiſch von Tſcherkeſſen, Lesghiern, Georgiern, Armeniern,
Lazen, Kurden und Türken mag nicht ohne orientaliſch feſſelnden
Anſtrich geweſen ſein. Dafür aber ſah es die übrige Zeit troſt-
los im Deltalande des Tſchuruk aus. Wenn im Frühjahre der
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/123>, abgerufen am 22.07.2024.
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