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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839.

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so getheilten und ihrer Fläche nach bedeutend vergrösser-
ten Keimhaut sich eine durchsichtigere Stelle, die area
pellucida, gebildet hat, in der die Zellen des Schleimblat-
tes viel kleiner, aber unter sich von ziemlich gleicher
Grösse sind und einen durchsichtigen Inhalt und einzelne
sehr kleine Körnchen enthalten, entsteht auf die bekannte
Weise der Embryo als ein von der ganzen Keimhaut sich
abschnürender Theil. Beide Blätter tragen zur Bildung
desselben bei, und er besteht daher aus kleinen durchsich-
tigen Zellen, von denen einige (wahrscheinlich die dem
Schleimblatt angehörigen) keinen Kern enthalten, andere
(die vom serösen Blatt herrührenden) den charakteristi-
schen Zellenkern mit seinen Kernkörperchen zeigen. Au-
sserdem enthält er noch eine Menge Kerne, um die sich
noch keine Zellen gebildet haben. Zwischen den beiden
Blättern der Keimhaut entstehen dann noch Zellen, von
denen später die Rede sein wird, die man als ein drittes
Blatt, das Gefässblatt, betrachten kann, obgleich sie eigent-
lich kein zusammenhängendes, für sich bestehendes Blatt
bilden. Diese drei Blätter und vorzugsweise die beiden ersten
bilden nun die mittelbare Grundlage aller späteren Gewebe.

Der Dotter ist für den Embryo kein todtes Nah-
rungsmittel, wie etwa ein von einem Erwachsenen ge-
nossener Dotter für diesen Organismus todt ist und che-
misch aufgelöst werden muss, sondern die Dotterzellen
nehmen an dem bei der Bebrütung erwachenden Leben
Theil. Sie bewirken eine Veränderung ihres Inhaltes, wo-
bei das in ihnen enthaltene Eiweiss seine Gerinnbarkeit
verliert und die Körnchen aufgelöst werden, so wie sich
beim Pflanzenembryo die Stärkmehlkörnchen in den Zel-
len auflösen. Kurz der Dotter verhält sich zum Embryo
in Beziehung auf seine ernährende Eigenschaft,
wie das Eiweiss des Pflanzenembryo zu diesem.

Alle Veränderungen des Eies, das Wachsthum der
Keimhaut und selbst die erste Bildung des Embryo gehen
ganz ohne Gefässe nach Analogie der Pflanzenzellen
vor sich.


so getheilten und ihrer Fläche nach bedeutend vergröſser-
ten Keimhaut sich eine durchsichtigere Stelle, die area
pellucida, gebildet hat, in der die Zellen des Schleimblat-
tes viel kleiner, aber unter sich von ziemlich gleicher
Gröſse sind und einen durchsichtigen Inhalt und einzelne
sehr kleine Körnchen enthalten, entsteht auf die bekannte
Weise der Embryo als ein von der ganzen Keimhaut sich
abschnürender Theil. Beide Blätter tragen zur Bildung
desselben bei, und er besteht daher aus kleinen durchsich-
tigen Zellen, von denen einige (wahrscheinlich die dem
Schleimblatt angehörigen) keinen Kern enthalten, andere
(die vom serösen Blatt herrührenden) den charakteristi-
schen Zellenkern mit seinen Kernkörperchen zeigen. Au-
ſserdem enthält er noch eine Menge Kerne, um die sich
noch keine Zellen gebildet haben. Zwischen den beiden
Blättern der Keimhaut entstehen dann noch Zellen, von
denen später die Rede sein wird, die man als ein drittes
Blatt, das Gefäſsblatt, betrachten kann, obgleich sie eigent-
lich kein zusammenhängendes, für sich bestehendes Blatt
bilden. Diese drei Blätter und vorzugsweise die beiden ersten
bilden nun die mittelbare Grundlage aller späteren Gewebe.

Der Dotter ist für den Embryo kein todtes Nah-
rungsmittel, wie etwa ein von einem Erwachsenen ge-
nossener Dotter für diesen Organismus todt ist und che-
misch aufgelöst werden muſs, sondern die Dotterzellen
nehmen an dem bei der Bebrütung erwachenden Leben
Theil. Sie bewirken eine Veränderung ihres Inhaltes, wo-
bei das in ihnen enthaltene Eiweiſs seine Gerinnbarkeit
verliert und die Körnchen aufgelöst werden, so wie sich
beim Pflanzenembryo die Stärkmehlkörnchen in den Zel-
len auflösen. Kurz der Dotter verhält sich zum Embryo
in Beziehung auf seine ernährende Eigenschaft,
wie das Eiweiſs des Pflanzenembryo zu diesem.

Alle Veränderungen des Eies, das Wachsthum der
Keimhaut und selbst die erste Bildung des Embryo gehen
ganz ohne Gefäſse nach Analogie der Pflanzenzellen
vor sich.


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[70/0094] so getheilten und ihrer Fläche nach bedeutend vergröſser- ten Keimhaut sich eine durchsichtigere Stelle, die area pellucida, gebildet hat, in der die Zellen des Schleimblat- tes viel kleiner, aber unter sich von ziemlich gleicher Gröſse sind und einen durchsichtigen Inhalt und einzelne sehr kleine Körnchen enthalten, entsteht auf die bekannte Weise der Embryo als ein von der ganzen Keimhaut sich abschnürender Theil. Beide Blätter tragen zur Bildung desselben bei, und er besteht daher aus kleinen durchsich- tigen Zellen, von denen einige (wahrscheinlich die dem Schleimblatt angehörigen) keinen Kern enthalten, andere (die vom serösen Blatt herrührenden) den charakteristi- schen Zellenkern mit seinen Kernkörperchen zeigen. Au- ſserdem enthält er noch eine Menge Kerne, um die sich noch keine Zellen gebildet haben. Zwischen den beiden Blättern der Keimhaut entstehen dann noch Zellen, von denen später die Rede sein wird, die man als ein drittes Blatt, das Gefäſsblatt, betrachten kann, obgleich sie eigent- lich kein zusammenhängendes, für sich bestehendes Blatt bilden. Diese drei Blätter und vorzugsweise die beiden ersten bilden nun die mittelbare Grundlage aller späteren Gewebe. Der Dotter ist für den Embryo kein todtes Nah- rungsmittel, wie etwa ein von einem Erwachsenen ge- nossener Dotter für diesen Organismus todt ist und che- misch aufgelöst werden muſs, sondern die Dotterzellen nehmen an dem bei der Bebrütung erwachenden Leben Theil. Sie bewirken eine Veränderung ihres Inhaltes, wo- bei das in ihnen enthaltene Eiweiſs seine Gerinnbarkeit verliert und die Körnchen aufgelöst werden, so wie sich beim Pflanzenembryo die Stärkmehlkörnchen in den Zel- len auflösen. Kurz der Dotter verhält sich zum Embryo in Beziehung auf seine ernährende Eigenschaft, wie das Eiweiſs des Pflanzenembryo zu diesem. Alle Veränderungen des Eies, das Wachsthum der Keimhaut und selbst die erste Bildung des Embryo gehen ganz ohne Gefäſse nach Analogie der Pflanzenzellen vor sich.

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Zitationshilfe: Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/94>, abgerufen am 25.11.2024.