Ganze bilden. Diese beiden Punkte müssten mit aller Strenge erwiesen werden, wenn man die obige Ansicht als entschiedene Wahrheit aufstellen wollte. Anders ist es dagegen, wenn man diese Ansicht bloss als eine Hypothese hinstellt, welche zum Zweck hat, als Leitfaden für neue Untersuchungen zu dienen. In diesem Falle enthält die obige Deduktion Wahrscheinlichkeitsgründe genug, um zu einer solchen Hypothese zu berechtigen, wenn nur die bei- den eben erwähnten Punkte sich mit dieser Hypothese ver- einigen lassen.
Was den ersten dieser Punkte anbelangt, so würde es allerdings bei unserer Unkenntniss über die Ursache der chemischen Erscheinungen überhaupt unmöglich sein zu beweisen, dass ein imbibitionsfähiger Krystall chemisch um- wandelnd auf seine Umgebung wirken müsse; lässt sich doch auch aus der Art, wie der Platinschwamm gebildet wird, nicht seine eigenthümliche Wirkung auf Sauerstoffgas und Wasserstoffgas im Voraus deduziren. Für die Halt- barkeit jener Ansicht, als einer möglichen Hypothese, ist aber auch nur nöthig einzusehen, dass es eine Folge sein kann, und diess lässt sich gar nicht leugnen; es sprechen sogar einige, freilich nur schwache Gründe dafür. Da nämlich alle Zellen diese metabolische Kraft besitzen, so ist es wahrscheinlicher, dass diese mehr ihren Grund in einer bestimmten Lage der Moleküle, die wahrscheinlich bei allen Zellen wesentlich dieselbe ist, als in der chemi- schen Zusammensetzung der Moleküle hat, die bei den verschiedenen Zellen sehr verschieden ist. Auch das Auftre- ten verschiedener Substanzen auf der innern und äussern Flä- che der Zellenmembran (S. oben pag. 237) spricht einigerma- ssen dafür, dass eine bestimmte Richtung der Achsen der Atome bei den metabolischen Erscheinungen der Zellen wesentlich sein mag. Ich denke mir daher die Sache so, dass gerade die bestimmte Zusammenfügungsweise der Mo- leküle, wie sie in Krystallen stattfindet, verbunden mit der Fähigkeit der Auflösung zwischen diese regelmässig abge- lagerten Moleküle einzudringen, die Ursache der metaboli-
Ganze bilden. Diese beiden Punkte müſsten mit aller Strenge erwiesen werden, wenn man die obige Ansicht als entschiedene Wahrheit aufstellen wollte. Anders ist es dagegen, wenn man diese Ansicht bloſs als eine Hypothese hinstellt, welche zum Zweck hat, als Leitfaden für neue Untersuchungen zu dienen. In diesem Falle enthält die obige Deduktion Wahrscheinlichkeitsgründe genug, um zu einer solchen Hypothese zu berechtigen, wenn nur die bei- den eben erwähnten Punkte sich mit dieser Hypothese ver- einigen lassen.
Was den ersten dieser Punkte anbelangt, so würde es allerdings bei unserer Unkenntniſs über die Ursache der chemischen Erscheinungen überhaupt unmöglich sein zu beweisen, daſs ein imbibitionsfähiger Krystall chemisch um- wandelnd auf seine Umgebung wirken müsse; läſst sich doch auch aus der Art, wie der Platinschwamm gebildet wird, nicht seine eigenthümliche Wirkung auf Sauerstoffgas und Wasserstoffgas im Voraus deduziren. Für die Halt- barkeit jener Ansicht, als einer möglichen Hypothese, ist aber auch nur nöthig einzusehen, daſs es eine Folge sein kann, und dieſs läſst sich gar nicht leugnen; es sprechen sogar einige, freilich nur schwache Gründe dafür. Da nämlich alle Zellen diese metabolische Kraft besitzen, so ist es wahrscheinlicher, daſs diese mehr ihren Grund in einer bestimmten Lage der Moleküle, die wahrscheinlich bei allen Zellen wesentlich dieselbe ist, als in der chemi- schen Zusammensetzung der Moleküle hat, die bei den verschiedenen Zellen sehr verschieden ist. Auch das Auftre- ten verschiedener Substanzen auf der innern und äuſsern Flä- che der Zellenmembran (S. oben pag. 237) spricht einigerma- ſsen dafür, daſs eine bestimmte Richtung der Achsen der Atome bei den metabolischen Erscheinungen der Zellen wesentlich sein mag. Ich denke mir daher die Sache so, daſs gerade die bestimmte Zusammenfügungsweise der Mo- leküle, wie sie in Krystallen stattfindet, verbunden mit der Fähigkeit der Auflösung zwischen diese regelmäſsig abge- lagerten Moleküle einzudringen, die Ursache der metaboli-
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Ganze bilden. Diese beiden Punkte müſsten mit aller
Strenge erwiesen werden, wenn man die obige Ansicht als
entschiedene Wahrheit aufstellen wollte. Anders ist es
dagegen, wenn man diese Ansicht bloſs als eine Hypothese
hinstellt, welche zum Zweck hat, als Leitfaden für neue
Untersuchungen zu dienen. In diesem Falle enthält die
obige Deduktion Wahrscheinlichkeitsgründe genug, um zu
einer solchen Hypothese zu berechtigen, wenn nur die bei-
den eben erwähnten Punkte sich mit dieser Hypothese ver-
einigen lassen.
Was den ersten dieser Punkte anbelangt, so würde
es allerdings bei unserer Unkenntniſs über die Ursache der
chemischen Erscheinungen überhaupt unmöglich sein zu
beweisen, daſs ein imbibitionsfähiger Krystall chemisch um-
wandelnd auf seine Umgebung wirken müsse; läſst sich
doch auch aus der Art, wie der Platinschwamm gebildet
wird, nicht seine eigenthümliche Wirkung auf Sauerstoffgas
und Wasserstoffgas im Voraus deduziren. Für die Halt-
barkeit jener Ansicht, als einer möglichen Hypothese, ist
aber auch nur nöthig einzusehen, daſs es eine Folge sein
kann, und dieſs läſst sich gar nicht leugnen; es sprechen
sogar einige, freilich nur schwache Gründe dafür. Da
nämlich alle Zellen diese metabolische Kraft besitzen, so
ist es wahrscheinlicher, daſs diese mehr ihren Grund in
einer bestimmten Lage der Moleküle, die wahrscheinlich
bei allen Zellen wesentlich dieselbe ist, als in der chemi-
schen Zusammensetzung der Moleküle hat, die bei den
verschiedenen Zellen sehr verschieden ist. Auch das Auftre-
ten verschiedener Substanzen auf der innern und äuſsern Flä-
che der Zellenmembran (S. oben pag. 237) spricht einigerma-
ſsen dafür, daſs eine bestimmte Richtung der Achsen der
Atome bei den metabolischen Erscheinungen der Zellen
wesentlich sein mag. Ich denke mir daher die Sache so,
daſs gerade die bestimmte Zusammenfügungsweise der Mo-
leküle, wie sie in Krystallen stattfindet, verbunden mit der
Fähigkeit der Auflösung zwischen diese regelmäſsig abge-
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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/279>, abgerufen am 26.11.2024.
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